Nahverkehr

Neue Liniennummern für die Tram

Die BVG bietet ab 23. Mai 1993 ein wesentlich verbessertes Straßenbahnnetz. Mit nachfrageorientierter, übersichtlicher Linienstruktur und einfachem Liniennummernsystem bringen wir frischen wind in Tram-Netz. Die neuen Liniennummernstruktur verdeutlicht, daß sich die BVG bemüht, das Netzt attraktiver und verständlicher zu machen. Straßenbahn-, Bus und Nachtlinien werden dem Fahrgast als integriertes Angebot präsentiert. Dieselbe Verkehrsleistung wie bisher wird künftig mit einem klaren Liniennetz und dichter, regelmäßiger Zugfolge angeboten. Auf allen wichtigen Linien bieten wir ganztägig eine 10-Minuten-Takt, bei Linienbündelung auf Hauptstrecken fahren wir entsprechend dichter. Die neuen Liniennummer verdeutlichen, daß mit dem neuen Netz auch neuen Qualitäten verbunden sind. Das gesamte Maßnahmepaket macht das Tram-Netz attraktiver für den regelmäßigen Fahrgast und viel leichter verständlich für den Gelegenheitskunden.

1. Veranlassung und Zielstellung

Zum Jahresfahrplanwechsel 1993 wird die BVG das Angebot im Straßenbahnnetz wesentlich verbessern. Das Ziel besteht dabei in der Erhöhung der Übersichtlichkeit und der Steigerung der Zuverlässigkeit für den Fahrgast. Das neue Angebot zeichnet sich u. a. durch folgende Merkmale aus:

  • übersichtliches-und klar gegliedertes Liniennetz,
  • Stammangebot unabhängig von Betriebstagen, d.h. alle Linien fahren während der gesamten Betriebszeit,
  • nachfragegerechte Konzentration der Leistungen auf die Hauptsachen,
  • keine Sonderlinien für ausgesprochene Spezialfälle oder für eng begrenzte Zeiträume.

Das hat zur Folge, daß einige heute verkehrende Linien(nummern) künftig nicht mehr existieren. Ihre Leistungen sind dabei aber nicht ersatzlos gestrichen worden, sondern werden in andere bestehende Linien(nummern) integriert, die dadurch gegenüber dem heutigen Zustander erheblich aufgewertet werden (dichtere, regelmäßige Taktfolge).

Tram im Stau
Die von der BVG geplante Neustruktuierung und die Neunumerierung des Berliner Tramnetzes sind richtig, aber nicht ausreichend. Hier ist aber weniger die BVG, sondern vor allem der Verkehrssenator gefordert. Doch unter Herrn Haases Regie kommt die Straßenbahnplanung noch schlechter voran, als dieser Zug auf der Prenzlauer Promenade. Foto: Matthias Horth

Diese neue Angebotsstruktur ist aus den bislang für die Straßenbahn vergebenen Liniennummern nicht unmittelbar zu erkennen, es besteht im Gegenteil die Gefahr, daß die Netzreform aufgrund der "Einstellung" einer Reihe von Linien(nummern) als "Kahlschlag" erscheint. Um diesem falschen Findruck entgegenzuwirken sowie die reale Aufwertung der weiterhin bestehenden Linien auch wirkungsvoll zum Ausdruck zu bringen, erscheint es geboten, die Neuoednung des Angebotes auch auf klare, verständliche und mit dem Bus- und Nachtnetz abgestimmte Liniennummern auszudehnen.

Beispiel: Auf der Prenzlauer Allee gab es bisher die Linien 20,71 und 72, künftig fährt nur noch eine Linie. Wenn diese Linie weiter 71 heißt, wird sie weiter mit ihrem heutigen Profil ("manchmal alle 15, meistens aber nur alle 20 Minuten") in Verbindung gebracht werden. Nur die neue" 1" mit ihrer herausgehobenen, unverwechselbaren Nummer verdeutlicht, daß stattdessen eine qualitativ hochwertige Linie für guten Service steht und das Angebot mehrerer Linien vereinigt.

Die heutige Bezifferung trägt neben rudimentären Elementen des alten Gesamtberliner Straßenbahnnetzes noch Ansätze von versuchten Neuordnungen aus DDR-Zeiten, die nie konsequent zuende geführt wurden, in sich. Dieses "Durcheinander" entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen an ein modernes, übersichtliches und leicht verständliches Netz. Die heutigen Liniennummern der Straßenbahn passen nicht mit der Systematik im restlichen Oberflächennetz zusammen. Das gesamte Nummernsystem im Oberflächenverkehr wurde 1991 "modernisiert", für die S-Bahn wurden Liniennummern neu vergeben. Die Straßenbahn wurde damals nicht verändert, weil es keinen äußeren Anlaß gab. Jetzt gibt es diese Möglichkeit, ein übersichtliches, einheitliches Gesamtnetz zu präsentieren.

Beispiel: Im Raum Buchholz fahren die Buslinien 150 und 250, die Nachtlinie N50, aber die Tram 49. (Es sollte die Tram 50 sein...)

Mit der Neuordnung der Liniennummern verringert sich die Streubreite der Liniennummern innerhalb des Gesamtbereiches erheblich, das Angebot wirkt dadurch insgesamt "aufgeräumt" und ist damit übersichtlicher als bisher.

Tramlinien ab Sommerfahplan 1993 (Regelfahrplan)

Radial-Hauptnetz

neualtEndpunkte
171Heinersdorf - Mitte, Am Kupfergraben
2 24 Weißensee, Pasedagplatz - S Hackescher Markt
3 28 Hohenschönhausen, Zingster Straße - Mitte, Am Kupfergraben
4 58 Falkenberg - U Schwarzkopffstraße
5 63 Hohenschönhausen, Zingster Straße - S Hackescher Markt
6 6 Hellersdorf, Riesaer Straße - U Schwarzkopffstraße
7 14 Ahrensfelde - Landsberger Allee/Petersburger Straße
8 18 Ahrensfelde - U Schwarzkopfstraße

Radial-Ergänzungsnetz

13 70 Hohenschönhausen, Zingster Straße - U Schwarzkopfstraße
15 15 Falkenberg - S Hackescher Markt
17 12 Ahrensfelde - S+U Frankfurter Allee
18 10 Hellersdorf, Riesaer Straße - Weißensee, Pasedagplatz

Tangentialnetz

20 4 Prenzlauer Berg, Eberswalder Straße - S Warschauer Straße
21 21 Prenzlauer Berg, Eberswalder Straße - S Schöneweide
22 20 S+U Lichtenberg/Gudrunstraße - S Warschauer Straße
23 3 S Bornholmer Straße - S Warschauer Straße
26 16 Krankenhaus Köpenick - Hohenschönhausen, Zingster Straße
27 17 S Schöneweide - Landsberger Allee/Petersburger Straße

Regionalnetz NORD

50 49 Buchholz, Kirche - Mitte, Am Kupfergraben
52 46 Niederschönhausen, Schillerstraße - S Hackescher Markt
53 22 Rosenthal - S Hackescher Markt

Regionalnetz SÜDOST

60 84 S Adlershof - Friedrichshagen, Wasserwerk
61 25 Rahnsdorf/Waldschänke - Johannisthal, Haeckelstraße
62 83 Wendenschloß - S Mahlsdorf
67 26 Krankenhaus Köpenick - Johannisthal, Haeckelstraße
68 86 Alt-Schmöckwitz - S Köpenick

2. Lösungsansatz

Die besondere Schwierigkeit besteht beim Tram-Liniennummernsystem darin, daß im Gegensatz zum Omnibus kein generell neuer Nummernbereich erschlossen werden kann. Auch bei einer durchgreifenden Neuordnung muß der für die Berliner Straßenbahn vorgesehene Nummernbereich von 1...86 Verwendung finden. Das im folgenden dargestellte Nummernkonzept vollzieht die Betonung der Achsen im Liniennetz (Differenzierung nach Radiallinien, Tangentiallinien und Linien mit vorwiegend regionaler Bedeutung) nach.

2.1 Liniennummernstruktur

Das Straßenbahnnetz steht in der Hierarchie zwischen Schnellbahnen und Busnetz. Im Gegensatz zu den Schnellbahnen sind die Liniennummern beim Bus regional gegliedert. Diese strenge Regionalstruktur analog zum Liniennummernsystem beim Omnibus läßt sich bei der Straßenbahn aufgrund des"regionalübergreifenden Charakters vieler Linien nicht verwirklichen. Hinzu kommt, daß von den einstelligen Nummern 1 ...9 bei Beibehaltung alter Bezeichnungen nur noch 3 Nummern vergeben sind. Um die Bedeutung der Radiallinien im Netz zu unterstreichen, sollten diese einfachen und leicht merkbaren Nummern künftig für die Hauptlinien vergeben werden.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß bei den Liniennummern der Schnellbahnen keine Regionalaufteilung besteht, diese beim Bus hingegen in strenger Form herausgebildet ist, bietet sich für die Liniennummernstruktur bei der Straßenbahn eine "Mischversion" aus beiden an. Diese bringt die Stellung der Straßenbahn als integraler Bestandteil des Gesamtsystems zwischen den Schnellbahnen und dem Omnibus in der Hierarchie der Verkehrsträger zum Ausdruck. Selbstverständlich ist gewährleistet, daß regionale Elemente im Liniennummernsystem der Straßenbahn der im Bus- und Nachtnetz bestehenden Aufteilung entsprechen. Die Nachtlinien bleiben unverändert.

2.2 Nummernkonzeption

Auf der Basis der oben formulierten Grundsätze wird eine Neuaufteilung des Liniennummernbereiches der Straßenbahn vorgenommen. Unterschiedliche Nummernbereiche werden dabei den Radial-Hauptlinien (1...9), den Radial-Ergänzungslinien (10... 19), den Tangentiallinien (20...29) sowie den Linien mit vorwiegend regionaler Bedeutung in Pankow (50...59) und Köpenick (60...69) zugeordnet. Dieses Grundprinzip veranschaulicht die Skizze auf der rechten Seite.

Das Nummernsystem ist "aufwärtskompatibel" zu geplanten Netzerweiterungen. Die eventuell in einem Verkehrsverbund notwendige Integration weiterer Straßenbahnbetriebe wird durch dieses Nummernsystem ermöglicht. So werden die Linien eingeteilt:

1...9 Radial-Hauptnetz

Hier sind die auf den Hauptachsen radial verkehrenden Linien, die die Innenstadt mit den Außenbezirken verbinden, einzuordnen. Die Hauptlinien sind mit einstelligen Nummern von 1 bis 8 im Halbkreis von Nord nach Süd logisch einfach aufgebaut:

  1. → Prenzlauer Allee,
  2. → Greifswalder Straße/Weißensee/Rennbahnstraße,
  3. → Greifswalder Straße/Weißensee/Hansastraße/Zingster Straße
  4. → Greifswalder Straße/Weißensee/Hansastraße/Falkenberg,
  5. → Landsberger Allee/Konrad-Wolf-Straße/Zingster Straße,
  6. → Landsberger Allee/Marzahn/Hellersdorf,
  7. → Landsberger Allee/Marzahn/Ahrensfelde,
  8. → Landsberger Allee/Allee der Kosmonauten/Ahrensfelde.

10...19 Radial-Ergänzungsnetz

Die Radial-Ergänzungslinien verkehren mit gewissen Abweichungen parallel zu den Hauptlinien. Diese "Verwandtschaft" spiegelt sich auch in der Nummer wieder:

13 ergänzt die 3,
15 ergänzt die 5,
17 ergänzt die 7,
18 ergänzt die 8.

Da dieser Nummernbereich erst mit vier Linien belegt ist, sind Erweiterungen problemlos möglich.

20...29 Tangentialnetz

Grafik
Grundprinzipt Neues Liniennummernsystem Tram Grafik: BVG, Direktionsabteilung BAP

Die Tangentialverbindungen sind Halbringe um die Innenstadt und stellen Querverbindungen zwischen den Radiallinien her. Im Nummernbereich von 20 bis 29 sind sie von innen nach außen angeordnet, wobei genügend Spielraum für künftige Erweiterungen gelassen wurde.

50... 59 Regionalnetz Nord

Hier paßt das im Gesamt-Netzgefüge relativ gut abgrenzbare Pankower Teilnetz in idealer Weise hinein. Dabei wird eine Paßfähigkeit zu den Bus- und Nachtlinien hergestellt. Da nur drei Nummern belegt sind, gibt es auch hier genügend Möglichkeiten bei Netzerweiterungen.

60...69 Regionalnetz Südost

Für das Teilnetz im Raum Köpenick/Schöneweide gilt sinngemäß das zum Regionalnetz Nord Gesagte. Auch hier läßt sich eine sehr gute Harmonisierung zum Busnetz bzw. zu den Nachtlinien herbeiführen.

***

(IGEB) Die Neustrukturierung des Tram-Liniennetzes ist eine längst überfällige Maßnahme im Interesse eines überschaubaren und stetigen Angebotes - zumal mit der Reduzierung der Linien von bisher 35, von denen viele nur zu bestimmten Zeiten oder Tagen verkehren, auf künftig 26, die ganztägig verkehren, nach BVG-Angaben keine Reduzierung der Gesamtverkehrsleistung verbunden sein soll. Ob diese wichtige Rahmenbedingung auch in die Tat umgesetzt wird, ist spätestens nach Veröffentlichung der Fahrpläne und Betriebszeiten der einzelnen Linien zu prüfen.

Positiv ist auch, daß die Umstrukturierung des Netzes genutzt wird, um zugleich die Numerierung des Netzes zu systematisieren. Das für die Tram vorgesehene Nummernschema ist, wie auch bei den Verkehrsträgern Bus, U-Bahn und S-Bahn, in sich schlüssig - und auch ausbaufähig, schließlich kann man die bestehenden Radiallinien zu Durchmesserlinien verlängern und benötigt so keine neuen Radialnummern für den Westteil der Stadt. Allerdings ist die Tram-Numerierung nur unzureichend auf die Numerierung der anderen Verkehrsträger abgestimmt. So werden in Berlin schon bald fünf (!) Linien mit der Nummer "1"verkehren: S-Bahn, U-Bahn, Tram, Nachtbus und Fähre. Eine 1 (sehr gut) hat die BVG dafür nicht verdient.

BVG, Direktionsabteilung BAP (Betriebs- und Absatzplanung)

aus SIGNAL 2/1993 (März 1993), Seite 11-13

 

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