Es geht nicht nur um Flugreisende

IGEB-Konzept für eine bessere BBI-Bahnanbindung

Der zum Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) ausgebaute Flughafen Schönefeld soll im Oktober 2011 fertig werden, also im Planungszeitraum des brandenburgischen Landesnahverkehrsplans für die Jahre 2008 bis 2012. Deshalb hat der Berliner Fahrgastverband IGEB im August ein Konzept für eine bessere BBI-Anbindung mit Regional- und S-Bahn-Linien vorgelegt und damit eine lebhafte Diskussion ausgelöst.


IGEB

15. Okt 2007

1. Der Anlass

„Der BBI verfügt über einen sechsgleisigen Bahnhof mit drei Bahnsteigen direkt unter dem Terminal mit exzellenten Verbindungen ins Berliner Zentrum (rund 20 min Fahrzeit mit dem Airport Shuttle ins Berliner Zentrum) und ins Umland (mögliche Verbindung durch IC, ICE, Regionalbahn, S-Bahn). Das Ziel der BBI-Planer: Jeder zweite Reisende kommt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum BBI.“

Bahnanbindung des Flughafens Schönefeld heute – aktueller Stand Grafik Holger Mertens
Bahnanbindung des Flughafens BBI im Jahr 2012 gemäß Landesnahverkehrsplan Brandenburg, Entwurfsstand September 2007 Grafik Holger Mertens
Bahnanbindung des Flughafens BBI im Jahr 2012 gemäß IGEB-Konzept, Entwurfsstand Oktober 2007 Grafik Holger Mertens
Die drei Säulen des IGEB-Konzepts für eine bessere BBI-Bahnanbindung Grafik Holger Mertens

Wenn man diese Ausführungen im Internetauftritt der Berliner Flughäfen liest, könnte man glauben, dass die Bahnanbindung des künftigen Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) optimal gelöst ist. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass das bisherige Bahnanbindungskonzept mit seiner Konzentration auf einen Shuttle-Verkehr zum Berliner Hauptbahnhof für die meisten Berliner und nahezu alle Brandenburger bedeutet, dass der neue Flughafen für Bahnfahrgäste nur mit Umsteigen und meist nur mit großen Umwegen und hohen Fahrpreisen erreichbar sein wird. Viele Berliner Bezirke und brandenburgische Kommunen sind mit diesem Konzept unzufrieden. Der Berliner Fahrgastverband IGEB hatte deshalb 2006 erstmals ein umfassendes Konzept vorgelegt (vgl. SIGNAL 4/2006).

Damals wurden Alternativen zur Planung der Bahninfrastruktur aufgezeigt. Doch es gelang leider nicht, die insbesondere hinsichtlich der S-Bahn-Anbindung teure und unattraktive Planung noch zu ändern. Deshalb hat sich der Fahrgastverband IGEB entschlossen, die Infrastrukturplanung als Rahmenbedingung zu akzeptieren und ein bestmögliches Linienkonzept zu entwickeln.

Das nachfolgende, Ende August der Öffentlichkeit vorgestellte IGEB-Konzept sieht ein Bahnangebot vor,

2. Die Ausgangssituation

Der heutige Flughafenbahnhof Schönefeld ist mit drei Regionalzuglinien (RE 7, RB 14 und RB 22) aus Dessau/Belzig, Potsdam/Michendorf, Nauen/Falkensee, Senftenberg/Lübbenau sowie Waldstadt-Wünsdorf/Blankenfelde umsteigefrei erreichbar. Zwei der Linien fahren über die Berliner Stadtbahn und ermöglichen von Charlottenburg, Zoologischer Garten, Hauptbahnhof, Friedrichstraße, Alexanderplatz, Ostbahnhof und Karlshorst eine Direktverbindung im Halb-Stunden-Takt. Das Bahnanbindungskonzept der Länder Berlin und Brandenburg für den neuen Flughafen BBI sieht einen Shuttle-Verkehr im 15-Minuten-Takt zwischen dem Berliner Hauptbahnhof und dem Tunnelbahnhof BBI Terminal vor.

Zwischenhalte für dieses „Flughafenexpress (FE)“ genannte Angebot sind am Potsdamer Platz und am Südkreuz geplant. Der FE soll eigenwirtschaftlich mit einem Sondertarif außerhalb des Berliner ABC-Tarifs verkehren und damit keine Regionalisierungsmittel der Länder Berlin und Brandenburg in Anspruch nehmen. Die bisherige Absicht, die stündlich zwischen Cottbus und Rathenow über die Berliner Stadtbahn verkehrende RegionalExpress-Linie 2 über BBI und die Nord-Süd-Strecke (statt Stadtbahn) zu führen, hat Brandenburg im Rahmen seiner Arbeiten am Landesnahverkehrsplan (LNVP) verworfen. Der Entwurf zum LNVP, Stand September 2007, sieht vor, die RE 2-Linienführung wegen der starken Pendlerströme auf der Stadtbahntrasse zu belassen. Anlass für diese Änderung dürften jedoch nicht nur die Fahrgastziele, sondern die Befürchtung gewesen sein, dass ein parallel zum FE verkehrender RE selbst bei nur stündlichem Angebot für viele Fahrgäste attraktiver ist, als der viel teuere FE.

Zur Absicherung des Konzeptes eines eigenwirtschaftlichen FE soll es auch keine Direktverbindungen mehr von der Stadtbahn zum Flughafen geben. Der LNVP-Entwurf sieht zusätzlich zum FE lediglich noch zwei Regionalbahnlinien vor, von denen offensichtlich keine nennenswerten Auswirkungen auf die FE-Nutzung erwartet werden. Zum einen soll die RB 22 erhalten bleiben, aber mit Linienführung von Potsdam Hbf über Golm („Kopfmachen“) und den Berliner Außenring bis BBI und weiter nach Königs Wusterhausen. Zum anderen soll die RB 24 von Waldstadt-Wünsdorf über Blankenfelde (S 2-Anschluss) bis BBI und weiter ohne Halt bis Berlin-Lichtenberg wiedereingerichtet werden.

Die S-Bahn-Anbindung des Flughafens wird unten gesondert betrachtet. Der LNVPEntwurf, so weit er bekannt ist, enthält dazu bisher keine Aussagen. Fernzüge werden im IGEB-Konzept nicht betrachtet, da die Länder Berlin und Brandenburg auf deren Linienführung und Anzahl keinen Einfluss haben und die Fernzüge als regionale Flughafenzubringer ohnehin bedeutungslos sind.

3. Das IGEB-Konzept

Das IGEB-Konzept ist eine Weiterentwicklung des Anbindungskonzeptes der Länder Berlin und Brandenburg. Die drei Eckpfeiler der Flughafenexpress-Planung werden in das IGEB-Konzept integriert:

Unrealistisch und unvereinbar mit den Fahrgastbelangen ist das Konzept eines eigenwirtschaftlichen Verkehrs. Das würde einen Fahrpreis von nahezu 10 Euro erfordern. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Flughafenzubringer außerhalb des VBB-Verbundtarifs in Berlin und Brandenburg von den Fahrgästen nicht akzeptiert werden. Ein eigenwirtschaftlicher FE grenzt außerdem die Berufs- und Ausbildungspendler aus, die täglich zu tausenden zum BBI fahren werden.

3.1 Die BBI-Anbindung über die Nord-Süd-Strecke (Tiergartentunnel)

Das Shuttle-Konzept der Länder Berlin und Brandenburg wird im IGEB-Konzept durch Verlängerung der vier FE-Züge pro Stunde zu einem Regionalbahnangebot erweitert, das vielfältige Verbindungsfunktionen (über die Flughafenanbindung hinaus) übernimmt. Zwischen BBI Terminal und Südkreuz soll ein zusätzlicher Halt an der Buckower Chaussee gebaut werden. Hier gibt es mehrere gut genutzte Buslinien, die zahlreiche Ortsteile im Berliner Süden erschließen.

Der erste Shuttle-Zug soll von BBI kommend über den Berliner Hauptbahnhof hinaus zum Potsdamer Hauptbahnhof verkehren. Er erhält einen Zwischenhalt „Messe“ (Bahnhofsneubau neben dem S-Bahnhof Messe Nord). Dieser bietet den Potsdamern eine Direktverbindung zum Berliner Messegelände mit ICC und darüber hinaus eine Direktverbindung zwischen Messe und BBI. Außerdem erhalten die Potsdamer erstmals eine Direktverbindung zu den S-Bahn-Ringlinien und zahlreiche Umsteigemöglichkeiten in das Berliner Stadtnetz (U 2 und mehrere Buslinien). Darüber hinaus bekommt Berlins Zentraler Omnibusbahnhof (ZOB) Regionalbahnanschluss. Optional können die Züge von Potsdam Hauptbahnhof bis Golm (Universität, Institute, Unternehmen) weitergeführt werden. Diese Fahrt über Berlin hat für die Landeshauptstadt Potsdam viele Vorteile:

Der zweite Shuttle-Zug soll von BBI kommend über den Berliner Hauptbahnhof hinaus nach Spandau und weiter bis Nauen fahren.

Der dritte Shuttle-Zug soll im Norden vom Berliner Hauptbahnhof bis Gesundbrunnen verlängert werden und optional bis Oranienburg verkehren. Im Süden fahren die Züge über BBI Terminal hinaus nach Königs Wusterhausen und weiter nach Senftenberg und ersetzen den Südabschnitt der heutigen RB 14.

Der vierte Shuttle-Zug soll im Norden vom Berliner Hauptbahnhof bis Gesundbrunnen und weiter über Bernau nach Eberswalde verlängert werden. Damit wird die Verbindung zwischen Eberswalde und Berlin noch attraktiver und der in den Spitzenstunden überfüllte RE 3 entlastet. Mit einem neuen Halt neben dem S-Bahnhof Buch soll der Gesundheits- und Wissenschaftsstandort erschlossen werden. Die OE 60 sollte zumindest in der Hauptverkehrszeit weiterhin über Eberswalde hinaus nach Berlin-Lichtenberg verkehren. Im Süden besteht für den FE die Option zur Weiterführung bis Königs Wusterhausen, um ggf. an den RE 2 aus Cottbus anzubinden.

3.2 Die BBI-Anbindung über die Stadtbahn

Zweite Säule des IGEB-Konzeptes für die BBIAnbindung ist die Beibehaltung der Erschließung über die Stadtbahn. Auf der Stadtbahn liegen viele Bahnhöfe mit wichtigen Zielen im Umfeld und guten Umsteigemöglichkeiten zum städtischen Nahverkehr.

Der erste Stadtbahn-Zug soll von Nauen kommend über Spandau, die Stadtbahn und Karlshorst zum BBI fahren. Er wird im Süden über BBI Terminal hinaus bis Ludwigsfelde weitergeführt und bietet somit die immer wieder geforderte Anbindung zur Anhalter Bahn.

Der zweite Stadtbahn-Zug soll von Wustermark kommend über Spandau, die Stadtbahn und Karlshorst zum BBI und von dort weiter über Blankenfelde (S-Bahn-Anschluss) bis Wünsdorf-Waldstadt verkehren.

Sollte jedoch zumindest bis zur Fertigstellung der geplanten S-Bahn nach Falkensee ein Halb-Stunden-Takt von Nauen auf die Stadtbahn bevorzugt werden, können beide Stadtbahn-Züge nach Nauen geführt werden und dafür der zweite Shuttle-Zug nach Wustermark verkehren. Mit diesem Angebot werden die RB 10, der Nordabschnitt der RB 14 und der Ostabschnitt des RE 7 ersetzt.

3.3 Die BBI-Anbindung aus dem Ostnetz

Die Überlagerung der Züge durch den Nord- Süd-Tunnel und über die Stadtbahn zeigt, dass große Teile Berlins und zahlreiche Kommunen in Brandenburg eine direkte Bahnanbindung zum neuen Flughafen BBI erhalten. Lediglich die östlichen Bezirke und Kommunen haben keine Direktverbindung, weil die in Lichtenberg endenden Regionalzüge Dieselfahrzeuge sind und somit weder in den Tiergartentunnel noch in den Flughafentunnel fahren dürfen.

Dritte Säule des IGEB-Konzepts ist die S-Bahn, die vom heutigen Flughafenbahnhof Schönefeld zum Tunnelbahnhof BBI Terminal verlängert werden wird. Die Trassierung der Neubaustrecke mit einer rund 8 km langen Umwegfahrt macht die S-Bahn für die Fahrt in die Berliner Innenstadt unattraktiv. Viele Stationen werden mit Regionalzügen bequemer und vor allem schneller zu erreichen sein, als mit der S-Bahn (S 9 und S 45).

Deshalb sieht das IGEB-Konzept vor, nicht mehr die S 9 und S 45, sonder die S 8 und S zum neuen Flughafen fahren zu lassen. Damit behalten so wichtige Bahnhöfe wie Adlershof (Wissenschaftsstadt) und Schöneweide ihre BBI-Direktanbindung und zusätzlich erhalten viele Stationen auf dem Ostring und im Norden Berlins eine BBI-Direktanbindung. Wie beim Konzept der Länder Berlin und Brandenburg vorgesehen, sollen die S-Bahn-Züge zumindest in den Hauptverkehrszeiten durch Überlagerung von zwei 20-Minuten-Takten einen 10-Minuten-Takt bieten.

Vier Regionalzuglinien (mit Dieseltriebwagen) enden heute in Lichtenberg. Die Regionallinien erschließen im Stundentakt große Gebiete Brandenburgs im Norden und Osten von Berlin. Beim Ostkreuz-Umbau wird auf dem Ring neben dem S-Bahnhof auch ein Regionalbahnhof gebaut. Durch Weiterführung der Regionalzuglinien von Lichtenberg bis Ostkreuz wird eine bequeme Umsteigemöglichkeit zur S-Bahn nach BBI Terminal geboten. Aber auch für viele andere Ziele in Berlin ist die Weiterführung der Regionalzuglinien bis Ostkreuz attraktiv.

Simulation des geplanten Flughafenbahnhofes unter dem BBI-Terminal. Links der S-Bahnsteig mit Stumpfgleis, rechts einer von zwei Fern- und Regionalverkehrsbahnsteigen. Grafik: Berliner Flughäfen
Bereits fertiggestellter westlicher Tunnelmund für vier Gleise nahe Selchow. Foto: F. Müller

4. Zusammenfassung

Das IGEB-Konzept erschließt den Flughafenbahnhof BBI Terminal

Dieses Konzept ermöglicht umsteigfreie Direktverbindungen aus vielen Ortsteilen Berlins und aus der Landeshauptstadt Potsdam sowie vielen weiteren Kommunen Brandenburgs. Indem alle Flughafen-Express-Züge als Regionalzuglinien auch andere Verkehrsbedürfnisse neben dem Flughafenzubringerverkehr bedienen, können sie sieben Tage die Woche ganztägig verkehren und werden gut frequentiert sein. Das wiederum nutzt neben den Flugreisenden besonders den Arbeitnehmern und Auszubildenden am BBI.

Ein weiterer Zusatznutzen des IGEB-Konzeptes ist die Nord-Süd- Anbindung des Berliner Hauptbahnhofes. Damit kann auf das millionenschwere Neubauprojekt S-Bahn 21 verzichtet werden, was bei den Investitionskosten und bei den Betriebskosten Einsparungen ermöglicht, die mindestens so groß sind, wie die Investitions- und Bestellkosten des IGEB-Konzeptes. Die Investitionskosten für das IGEB-Konzept sind schon deshalb gering, weil kaum Baumaßnahmen erforderlich werden, die nicht ohnehin geplant sind. Hinzu kommen lediglich die neuen Stationen Buckower Chaussee, Messe und Buch sowie der Erhalt von Karlshorst.

Das hier vorgestellte Konzept ist in einigen Details eine Weiterentwicklung des am 24. August der Öffentlichkeit vorgestellten Konzepts. Das verdeutlicht, dass die Umsetzbarkeit des Konzepts in seinen Grundzügen nicht in Frage gestellt wird, wenn als Ergebnis neuer Erkenntnisse einzelne Bausteine geändert werden.

5. BBI-Anbindung vor Ausbau der Dresdener Bahn

Sollte von der Bahninfrastruktur, von der dieses Konzept ausgeht, die Dresdener Bahn bis zur Inbetriebnahme von BBI nicht fertig werden, dann sollte das Regionalverkehrsangebot im Wesentlichen so weitergeführt werden, wie es heute vorhanden ist, aber mit Nutzung der BBI-Tunnelstrecke mit neuem Bahnhof BBI Terminal. Ergänzend zum Halb- Stunden-Takt auf der Stadtbahn sollten zumindest zu den Hauptverkehrszeiten zwei weitere Züge von Charlottenburg über die Stadtbahn das Angebot nach BBI verdichten.

Das setzt den von der IGEB im aktuellen Planfeststellungsverfahren geforderten und für künftige Entwicklungen ohnehin nötigen zweigleisigen Ausbau der Verbindungskurve von der Görlitzer Bahn zur östlichen Anbindung des BBI-Tunnelbahnhofs voraus.

Ein Shuttle-Verkehr über die Anhalter statt der Dresdener Bahn würde wegen der Engpässe im Streckennetz das heutige erfolgreiche RegionalExpress-Netz schwerwiegend beeinträchtigen. Das aber sollte, so das IGEB-Konzept, unabhängig von der BBI-Erschließung (ausgenommen der RE 7-Ostabschnitt) unverändert weitergeführt werden.

IGEB

aus SIGNAL 5/2007 (Oktober/November 2007), Seite 4-7