Schienenverkehrswochen 2007

Fahrgastsprechtag S-Bahn im Fahrgastzentrum

Am 24. September standen die neuen S-Bahn-Chefs den Fragenden Fahrgästen Rede und Antwort. Dabei wurde sowohl auf den Zeitplan für das Abziehen der Aufsichten auf den Bahnhöfen eingegangen, als auch auf das Zugmodernisierungskonzept...


Jens Fleischmann

15. Okt 2007

Am 24. September stellte sich die neue Geschäftsführung der S-Bahn Berlin GmbH den Fahrgästen im Rahmen der Schienenverkehrs- Wochen 2007. Der Berliner Fahrgastverband IGEB begrüßte im Fahrgastzentrum im S-Bahnhof Jannowitzbrücke Dr. Tobias Heinemann, Sprecher der Geschäftsführung, und Ulrich Thon, Geschäftsführer Betrieb. Herr Heinemann löste Anfang Mai Günter Ruppert in seinem Amt ab. Mit knapp 100 Teilnehmern war der S-Bahn-Sprechtag wieder der am besten besuchte der Fahrgastsprechtage-Reihe.

Gut besucht: der Fahrgastsprechtag der S-Bahn im Fahrgastzentrum im S-Bahnhof Jannowitzbrücke.
Foto: Raul Stoll

Rückblick

Im Jahr 2006 legten die S-Bahn- Züge 32,5 Millionen km zurück und beförderten dabei 376 Millionen Fahrgäste, die eine durchschnittliche Reiseweite von 9,5 km aufwiesen. Das entspricht 3,57 Milliarden Personenkilometern. Für 2007 wird von einem weiteren Anstieg der Fahrgastzahlen ausgegangen, obwohl kein Großereignis wie die Fußball-WM 2006 für zusätzliche Fahrgäste sorgt.

Die Pünktlichkeit liegt statistisch bei 96 % und damit auf dem Niveau der letzten Jahre. Allerdings setzten in letzter Zeit mehrfach Stellwerksausfälle, defekte Züge, Streiks und erhöhte Krankenzahlen beim Personal der Pünktlichkeit zu.

Bei den halbjährlichen Umfragen zur Kundenzufriedenheit hat die S-Bahn Berlin im Mai mit 2,45 ihre bislang beste Note erhalten. Unter den S-Bahn-Systemen musste sie sich nur der neuen S-Bahn Rhein-Neckar im Mannheimer Raum geschlagen geben. Die gute Note ist unter anderem auf den Service, die aus Fahrgastsicht hohe Fahrthäufigkeit tagsüber und die Pünktlichkeit zurückzuführen, so Heinemann. Gleichwohl gab es auch Kritik, so z. B. an der Fahrthäufigkeit abends.

Baureihe 481. Modernisierung geplant ab 2012.
Bild: Signalarchiv / Raul Stoll
Baureihe 485. „Optische Auffrischung“ geplant für Einsatz bis 2017.
Bild: Signalarchiv / Raul Stoll
Baureihe 480. Ebenfalls im Einsatz bis 2017.
Bild: Signalarchiv / Raul Stoll

Fahrzeuge

Die S-Bahn Berlin verfügt derzeit noch über 637 Viertelzüge, davon 500 der Baureihe 481 (Durchschnittsalter 7,1 Jahre, Lebensdauer von 30 bis 35 Jahren angestrebt), 71 der BR 480 (Durchschnittsalter 12,8 Jahre) und 66 der BR 485 (Durchschnittsalter 16,9 Jahre). Zum Fahrplanwechsel im Dezember soll die Zahl unter anderem durch bessere Umlaufgestaltung und optimierte Werkstattaufenthalte auf 620 Viertelzüge gesenkt werden.

Bis August 2008 sollen alle noch altlackierten Fahrzeuge der Baureihen 481 und 485 mit den Farben rot-ockergelb in traditioneller Anordnung versehen werden. Hintergrund dieser Aktion ist ein für die Fahrgäste einheitliches Auftreten aller Fahrzeuge, um die Zugehörigkeit zur S-Bahn Berlin besser kenntlich zu machen. Dabei wird die Traditionsfarbe als Selbstverständlichkeit angesehen. Den Berliner S-Bahn-Fahrzeugen bleibt damit das Nahverkehrsrot der DB erfreulicherweise erspart.

Alle Fahrzeuge erhalten nach und nach eine einheitliche Fahrzeugkennung in der Anordnung: grünes S-Bahn-Logo, Text „Bahn Berlin“ und DB-Logo. Des Weiteren werden die neuen UIC-Nummern angeschrieben, auch wenn für die Berliner S-Bahn hierzu keine Notwendigkeit besteht, können doch die Züge nur in Berlin – und damit nicht europaweit – eingesetzt werden.

Im Zeitraum nach 2012 sollen die Züge der Baureihe 481 einer Modernisierung und einem Redesign unterzogen werden. Dabei sollen der Innenraum überarbeitet und elektrische Komponenten ersetzt werden. Gegebenenfalls wird es eine Nachklimatisierung geben, um das Problem der Belüftung in den Griff zu bekommen. Zur Modernisierung wird im kommenden Jahr eine Machbarkeitsstudie erstellt. Im Anschluss daran sollen die Arbeiten ausgeschrieben werden. Ob diese auch in der S-Bahn eigenen Hauptwerkstatt Schöneweide stattfinden können, ist noch unklar.

Bis 2017 sollen die Baureihen 480 und 485 im Einsatz bleiben und danach abgestellt werden. Für ihre weitere Verfügbarkeit erhalten die Fahrzeuge eine „technische Stabilisierung“. Die Baureihe 485 wird darüber hinaus „optisch aufgefrischt“. Damit bestätigt sich das Gerücht, die Baureihe 485 werde spätestens 2008 abgestellt, nicht. Offenbar rechnet die S-Bahn Berlin GmbH schon fest mit dem weitergehenden Betrieb im Nord-Süd-Tunnel unter eigener Regie. Im Verkehrsvertrag, der 2017 endet, hat sich die Senatsverwaltung als Bestellerin vorbehalten, das Nord- Süd-S-Bahnsystem möglicherweise schon zu 2013 auszuschreiben.

Neues Zugabfertigungssytem

Die Berliner S-Bahn stellt ihr Zugabfertigungssystem vollständig um. Die Abfertigung erfolgt künftig fast flächendeckend nicht mehr durch Bahnsteigaufsichten, sondern durch den Triebfahrzeugführer selbst. Für dieses als „Zug-Abfertigung Triebfahrzeugführer“ (ZAT) bezeichnete System werden vier Kamerabilder des Bahnsteiges über W-LAN auf einen Monitor im Führerstand gesendet. Ein Spiegelsystem, wie es die Berliner U-Bahn verwendet, kommt nicht zur Anwendung. Als erstes Teilsystem wird im November 2007 der Ring komplett umgestellt werden.

Als Ersatz für die Aufsichten, die von den Bahnsteigen abgezogen werden, erhalten alle Bahnhöfe Informationssäulen, die jeweils mit einem von 21 sogenannten Stammbahnhöfen verbunden sind. Die Mitarbeiter der Stammbahnhöfe, die Stammaufsichten, beobachten das Geschehen auf ihren zugehörigen Bahnhöfen über Monitore und können bei Vorkommnissen eingreifen und die Kunden z. B. durch Bahnsteigbeschallung informieren.

Neues Zugbeeinflussungssystem

Auch das Zugbeeinflussungssystem wird umgestellt. Das seit der Elektrifizierung der Berliner S-Bahn in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts bestehende mechanische System mit Streckenanschlägen wird auf ein magnetisches Balisensystem umgestellt, mit dem auch die Fahrzeuggeschwindigkeit überwacht werden kann. Rund 650 Fahrzeuge müssen hierfür umgerüstet werden, darunter auch zahlreiche Sonderfahrzeuge wie die Panorama-S-Bahn. Die Finanzierung der Umrüstung ist bereits sichergestellt.

Sicherheit

Bemerkenswert war Herrn Heinemanns Ankündigung, dass die S-Bahn nicht vorrangig auf Videoüberwachung setzen will, im Gegensatz zur BVG. Bisher habe kein Verkehrsunternehmen bewiesen, dass es durch Videoüberwachung Kosten spare, so Heinemann. Besonders die Auswertung des Bildmaterials sei sehr aufwändig und personalintensiv und im Nachhinein auch selten erfolgreich.

Stattdessen kündigte er an, mehr Sicherheitskräfte und mobile Servicemitarbeiter einzusetzen. Besonders nach 20 Uhr soll mehr Sicherheitspersonal – in Dienstkleidung und in Zivil – nach einem operativen „Wabenkonzept“ in den Zügen die (subjektive) Sicherheit erhöhen. Ihr Einsatz wird von einer Zentrale gesteuert, die auf die aktuelle Lage schnell reagieren kann.

Fahrgastinformation

Im Zusammenhang mit dem neuen Informationssystem haben die wichtigsten Bahnhöfe, darunter alle Stadt- und Ringbahnhöfe, dynamische Fahrzielanzeiger erhalten bzw. werden diese in naher Zukunft erhalten. Diese können nicht nur die nächsten Züge inklusive Zugstärke, sondern auch aktuelle Informationen als Lauftext anzeigen. Die momentanen häufigen Anzeigeprobleme aufgrund einer Vielzahl von Softwareupdates sollen bis zur vollständigen Inbetriebnahme des neuen Systems auf dem Ring behoben werden. Im Endstadium ist eine Verfügbarkeit von mindestens 99 % angestrebt.

Bahnhöfe, die keine Anzeiger erhalten, werden mit Blechschildern zur Richtungsangabe ausgestattet. Dies trifft vor allem Bahnhöfe an den Außenästen, die planmäßig nur von einer Linie angefahren werden, so dass es in der Regel nur ein Fahrziel gibt.

Zugzielanzeiger an den Seiten der Fahrzeuge sind seitens der S-Bahn Berlin durchaus wünschenswert, aber zurzeit nicht fi- nanzierbar. Etwa zwei Millionen Euro wären für einen solchen Einbau nötig. Vor einiger Zeit wurde versuchsweise ein Fahrzeug mit einer solchen Anzeige versehen. Inzwischen ist diese wieder entfernt worden.

Ende 2007 erhält der Flughafen Schönefeld einen S-Bahn-Verkaufspavillon. Der Vorschlag eines Fahrgastes, vor allem bei veränderter Betriebsführung Richtung Flughafen Schönefeld englischsprachiges Personal einzusetzen, wurde als gute Anregung mitgenommen.

Massive Kritik übten Fahrgäste an der momentanen Bau-Betriebsführung zwischen Treptower Park, Schöneweide und Neukölln. Als Antwort kam hier leider nur der Hinweis auf die Notwendigkeit der Bauarbeiten auf der Görlitzer Bahn.

Ein Fahrgast schlug vor, an den Bahnsteigkanten zusätzlich Schilder mit „Richtung Westen“, „Richtung Süden“ oder „Richtung Innenstadt“ anzubringen, um die Orientierung zu erhöhen – ähnlich wie in London. Das hält die S-Bahn GmbH aber für nicht erforderlich.

Kundenbeirat S-Bahn Berlin

Im Oktober soll ein Kundenbeirat S-Bahn Berlin gegründet werden. Über 200 Interessierte hatten sich auf einen entsprechenden Aufruf beworben. Der Beirat, bestehend aus 20 ehrenamtlichen Mitgliedern, soll die Perspektive des Kunden stärker in die unternehmerischen Entscheidungen der S-Bahn Berlin einbinden und unter anderem zu einer Steigerung der Kundenfreundlichkeit führen. Das Gremium soll sich mindestens halbjährlich treffen. Verbände und Institutionen sind dort nicht vorgesehen.

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Bildschirm eines betriebsbereiten S-Bahn Fahrkartenautomaten auf dem S-Bahnsteig Beusselstraße. Standort unter dem Bahnsteigdach, Ausrichtung nach Norden, bedeckter Himmel. Die Blendwirkung auf dem Bildschirm ist enorm, es ist kaum eine Anzeige zu erkennen. Ab 2011 will die S-Bahn eine neue Automatengeneration einführen.
Foto: F. Müller

Fahrkartenautomaten

Seit Jahren wird auf den S-Bahn-Sprechtagen kritisiert, dass das Bedienfeld der Fahrkartenautomaten bei Tageslicht nicht lesbar ist. Die S-Bahn GmbH will nun versuchen, die Lesbarkeit zu verbessern, indem einige Automaten ein neues Display oder einer veränderten Standort erhalten. Ab 2011 ist die Einführung einer neuen Automatengeneration vorgesehen.

Der Kauf von Eintrittskarten großer Messen, wie zuletzt der Internationalen Funkausstellung IFA, am Automaten soll fortgesetzt und weitere Touristeninformationen integriert werden. Offen blieb die Frage eines Besuchers, warum an den S-Bahn-Automaten nur gleitende Monatskarten erhältlich sind.

Netzausbau

Zum Thema Erweiterung des S-Bahn-Netzes hielten sich die S-Bahn-Manager zurück. Wenn eine Strecke gebaut und bestellt werde, fahre die S-Bahn natürlich gern überall, wo eine passende Stromschiene hängt. Zur S 21 äußerte Herr Heinemann, dass nur eine durchgebundene Strecke vom Nordring über Hauptbahnhof bis zum Potsdamer Platz sinnvoll sei. Ein kurzer Stich nur bis Hauptbahnhof sei verkehrlich und betrieblich nicht sinnvoll. Im Bau sind derzeit nur die 8 km lange S-Bahn-Verlängerung zum neuen Flughafenterminal BBI, die 2011 fertiggestellt sein soll, und der S-Bahnhof Kolonnenstraße, dessen Inbetriebnahme für das Frühjahr 2008 geplant ist. Als nächste große Bau-/Sanierungsmaßnahmen stehen Ostkreuz, Görlitzer Bahn und Nordbahn an.

Fahrplan

Der auf Anfang Juli vorgezogene Ferienfahrplan mit erheblich reduziertem Angebot (s. SIGNAL 4/2007, S. 10) wurde erfreulicherweise zum Ende der Sommerferien Ende August aufgehoben, so dass die Züge jetzt wieder nach dem Regelfahrplan verkehren. Das war bis August keinesfalls sicher. Hintergrund für die Kürzungen waren ungewöhnlich viele Triebfahrzeugführer-Krankmeldungen nach der Einführung einer neuen Dienstplanstruktur.

Zum 9. Dezember, wenn der neue DBFahrplan in Kraft tritt, sind keine strukturellen Änderungen im Angebot der S-Bahn geplant – auch keine Kürzungen.

Jens Fleischmann

aus SIGNAL 5/2007 (Oktober/November 2007), Seite 8-10