Schienenverkehrswochen 2007
Die Fragestunde für Straßenbahnfahrgäste im Betriebshof Lichtenberg brachte einige interessante und aufschlussreiche Details zutage...
25. Dez 2007
Während der Schienenverkehrswochen ragte der Fahrgastsprechtag Straßenbahn am 17. September aus der Fülle der Angebote heraus, denn die BVG präsentierte vor Beginn des Gesprächs ihren Betriebshof Lichtenberg. Interessierte konnten einen Blick hinter die Kulissen werfen und die Netzleitstelle, den Fahrsimulator oder die Werkstatt besichtigen. Für die fachkundigen Führungen sei dem BVG-Unternehmensbereich Straßenbahn an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt.
In der anschließenden Fragestunde mit Straßenbahn-Direktor Klaus-Dietrich Matschke, Betriebsleiter Bernd Lohse und Angebotsplaner Jürgen Sember trat dann leider etwas Ernüchterung ein, denn auch die Straßenbahn wird einem harten Sparkurs unterworfen. So wurde auf vielen Köpenicker Linien der Wageneinsatz reduziert, was zu verschiedenen Tageszeiten zu Überfüllungen führt. Als Begründung wurde der niedrige Durchschnittswert der Auslastung angegeben. Selbst der Einsatz zusätzlichen Personals im Schülerverkehr für Extrakurse wird in Kauf genommen, um das Prinzip „nur Kurzzüge“ durchhalten zu können. Dabei ist doch gerade die kostensparende Zugbildung einer der großen Systemvorteile der Straßenbahn.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Organisation von Schienenersatzverkehren. Dabei zeigte sich, dass gute Lösungen nicht viel Geld kosten müssen, wenn bei der Planung einer Baumaßnahme von Anfang an mitgedacht wird. Ein Beispiel sind die Haltestellenstandorte des SEV, ein anderes die Abstimmungen mit anderen Verkehrsträgern. Besonders oft sind Brücken über oder unter der Eisenbahn der Anlass für Baustellen. Wenn dann auch noch andere Arbeiten dazukommen, können schon kleine Terminverschiebungen große Auswirkungen haben.
Pflege und Modernisierung des Bestandsnetzes bildeten den Schwerpunkt des BVG-Vortrags. Dass das innerstädtische Kernnetz nach der Grundsanierung eine gute Zukunft hat, ist unbestritten. Anders sieht es leider immer noch für die Stadtrandgebiete im Norden und Süden aus. Das hat nicht nur etwas mit den Prioritäten bei den bisherigen Gleisbauarbeiten zu tun, sondern auch mit den geplanten Bestellungen von 2,40 m breiten Fahrzeugen. Auf den Stadtrandstrecken können die breiteren Wagen nicht verkehren, so dass die GT6-Niederflurfahrzeuge zum Ersatz der Tatrafahrzeuge umgesetzt werden müssen. Aber auch für diese Niederflurwagen sind einige Streckenabschnitte immer noch nicht tauglich; darunter auch solche, die nicht mehr auf der Ertüchtigungsliste stehen, z. B. die Strecke nach Schmöckwitz.
Ebenso unsicher ist die Situation bei den Betriebshöfen im Südosten, die ebenfalls keine GT6 aufnehmen können. Einseitig kaufmännisch denkende Manager, die es auch im BVG-Vorstand geben soll, werden sich wohl kaum von der Notwendigkeit eines neuen Depots für Strecken überzeugen, die sie für verzichtbar halten.
Ein leider in Berlin besonders ausgeprägtes Ärgernis sind der große Vandalismus und die Verschmutzungen, denen die Straßenbahn durch eine Minderheit der Kunden ausgesetzt ist, die aber das Bild des ganzen Verkehrsmittels erheblich trüben. Dass die BVG hier keine umfassende Abhilfe bieten kann, ist verständlich.
Fazit: Die BVG-Straßenbahn ist technisch in einem einwandfreien Zustand, die Mitarbeiter aller Ebenen kennen auch den Alltagsbetrieb und wissen, wo es Probleme gibt. Und in den meisten Fällen sind sie um eine gute Fahrgastinformation bemüht. Der zunehmend härtere Sparkurs hat einerseits zu einer großen Effizienzsteigerung geführt, aber andererseits auch schon spürbar negative Auswirkungen für die Kunden. Ein Betrieb, der weder personell noch materiell Reserven hat, ist selbstverständlich anfälliger gegen jede Störung. Auch die Zusammenarbeit mit der Verkehrspolizei ist noch ausbaufähig, z. B. gegen das Zuparken von Gleisen.
Die größte Herausforderung für die Zukunft ist in Berlin leider noch immer die Verkehrspolitik, deren verbreitete Anti-Straßenbahn- Haltung in fast ganz Europa verständnislos betrachtet wird und die immer wieder Ursache für viele Alltagsprobleme der ältesten und größten deutschen Straßenbahn ist.
Symptomatisch dafür ist das Blockieren von Vorrangschaltungen an Kreuzungen. Trotz Millionenaufwendungen für den Umbau der Ampelanlagen erhält die Straßenbahn nur selten Vorfahrt. Und auch beim Streckenneubau steht die Straßenbahn unverändert in der Warteschleife: 18 Jahre nach dem Mauerfall sind erst zwei Strecken in den einstigen Westteil verlängert worden.
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 6/2007 (Dezember 2007/Januar 2008), Seite 17