Eine BUND-Studie zu den Möglichkeiten in Berlin-Rosenthal

Kreuzung Eisenbahn/Straßenbahn – Geht das?

Für die Verlängerung der M1 von Rosenthal Nord bis nach Wittenau sei ein wirtschaftlicher Betrieb möglich. Jedoch müssten dazu Eisenbahngleise gekreuzt werden. Geht das?


Dipl.-Ing. (FH) Gudrun Holtz, Arbeitskreis Mobilität des BUND Berlin

15. Jun 2007

Kreuzung der Straßenbahn mit der Regionalbahnstrecke nach Rathenow in Brandenburg-Görden. Foto: Florian Müller

Für eine Verlängerung der Straßenbahnlinie M 1 von Rosenthal Nord bis zum S- und U-Bahnhof Wittenau sei ein wirtschaftlicher Betrieb möglich, hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am 21. März mitgeteilt. Für diese Verlängerung muss die M 1 die eingleisige, nicht elektrifizierte Strecke der Niederbarnimer Eisenbahn kreuzen. Die Bahnstrecke führt vom Gelände der Firma Stadler nach Schönwalde und wird für Fahrzeugüberführungen und Museumsbahnfahrten genutzt. Der Bahnübergang wird durch auf der Bahn mitfahrende Posten gesichert. Er muss im Zusammenhang mit der M 1-Verlängerung um die Straßenbahntrasse erweitert und neu zugelassen werden. Ist das möglich oder ist eine Unterführung erforderlich?

Gesetzliche Grundlagen

Eine Genehmigung dieser Kreuzung ist möglich

Bahnübergang Wilhelmsruher Damm/Heidekrautbahn. Bei Verlängerung der Straßenbahnlinie M 1 ins Märkische Viertel wird hier das Gleis der NEB gekreuzt. Foto: Florian Müller

Höhengleiche Kreuzungen von Straßen- bzw. Stadtbahnen mit Eisenbahnstrecken sind zwar selten in Deutschland, aber es gibt mindestens 13 davon in folgenden Städten: Augsburg, Brandenburg an der Havel, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Leipzig und Radebeul.

Augsburg: dichter Takt und supersicher

In Augsburg gibt es vier höhengleiche Kreuzungen mit der „Augsburger Localbahn“, einer privaten Industriebahn. Die drei neueren Kreuzungen gehören der Augsburger Localbahn und wurden nach § 12 EBO genehmigt. Dafür musste die Straßenbahn, die während der Hauptverkehrszeiten im 5-Minuten-Takt fährt, mit einer bahnzugelassenen Zugsicherung ausgestattet werden.

Düsseldorf mit Ausnahmeregelung

Die Stadt Düsseldorf plant eine Verlängerung der Straßenbahnlinie 701 vom S-Bahnhof Rath zum Eisstadion. Dabei soll in Verbindung mit einer signalisierten Straßenkreuzung ein Anschlussgleis gekreuzt werden. Das Vorhaben befindet sich derzeit in der Planfeststellung. Die Inbetriebnahme ist für Herbst 2008 vorgesehen. Die Genehmigung dieser dritten Gleiskreuzung der Rheinbahn AG soll durch die zuständige Landesbehörde als Ausnahme erfolgen.

Dresden-Radebeul: unkompliziert und optimiert

Die Lößnitzgrundbahn, eine private Schmalspur- Museumsbahn, kreuzt am Haltepunkt Weißes Roß die Meißner Straße mit der DVBStraßenbahnlinie 4. Dieser Bahnübergang (BÜ) wurde 2006 modernisiert und optimiert: Die Straßenbahn passiert die Kreuzung nun mit stolzen 30 km/h. Eine Zugsicherung für die Straßenbahn wurde – anders als in Augsburg – als nicht erforderlich angesehen.

Brandenburg-Görden

In der Stadt Brandenburg an der Havel, Stadtteil Görden, kreuzt die meterspurige Straßenbahnlinie 1 nach Anton-Saefkow- Allee die eingleisige, nicht elektrifizierte DBRegionalbahnstrecke Brandeburg—Rathenow. Die Straßenbahn fährt zweigleisig auf eigener Trasse in Seitenlage. Die Signalisierung erfolgt durch eine moderne BÜSTRA, eine Kopplung von BÜ und LSA („Ampel“). Die Straßenbahn fährt auf Sicht, es gibt keine Zugsicherung.

Berlin: weniger schwierig als anderswo

Eisenbahnen haben einen breiteren Spurkranz sowie einen breiteren Radreifen (Lauffläche) als Straßenbahnen. An einer Kreuzung kann die Eisenbahn die kleineren Lücken für die Straßenbahn problemlos überfahren. Die Straßenbahn „fällt“ allerdings beim Kreuzen in die größeren Lücken für die Eisenbahn. Bei rechtem Winkel der Kreuzung überfahren die Räder die Lücken gleichzeitig, was den Verschleiß erhöht. Bei spitzem Winkel besteht die Gefahr eines Fehllaufes der Straßenbahn in den breiteren „Abzweig“ der Eisenbahn. Die Kreuzung sollte deshalb im Winkel von 50 bis 80 Grad erfolgen.

Der Berliner BÜ in Rosenthal hat diesen optimalen Kreuzungswinkel. Er ist auch insgesamt im Vergleich zu anderen BÜ (z. B. Leipzig, Dortmund) technisch eher einfach, weil die Eisenbahnstrecke nur eingleisig und nicht elektrifiziert ist.

Da die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) keine bundeseigene Bahn ist, ist das Eisenbahn-Bundesamt nicht zuständig. Die Genehmigungsbehörde für sie und für die Straßenbahn ist beim Land Berlin angesiedelt (Technische Aufsichtsbehörde TAB bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung).

Es liegt also praktischerweise alles in einer Hand: beim Senat von Berlin.

Möglichkeiten der Sicherung

Um § 12 EBO zu genügen, kann das Anschlussgleis zur Firma Stadler ab dem BÜ zum Bahnhofsnebengleis erklärt werden. Die derzeitige Endhaltestelle der Museumsbahnfahrten kann von der Südseite des Wilhelmsruher Damms auf die Nordseite verlegt werden. Damit finden über den BÜ nur noch Überführungsfahrten statt. Von der Erweiterung des BÜ um Straßenbahngleise ist nur ausgebildetes Personal betroffen. Für die übrigen Verkehrsteilnehmer ändert sich nichts.

Da die bisherige Postensicherung nach § 11 EBO den technischen Sicherungen gleichgestellt ist, könnte sie beibehalten werden.

Will man die Postensicherung nicht mehr zulassen, müsste der BÜ technisch gesichert werden. Für eine DB-Strecke wären hier Lichtzeichen (rot und gelb), Halbschranken für die Fahrbahn und Schranken für Gehund Radwege erforderlich. Die Einschaltung des BÜ könnte mit einem schlüsselbedienten Einschalttaster geschehen.

Die NEB und die anliegenden Brandenburger Gemeinden wünschen einen Anschluss der Strecke an die Nordbahn über Wilhelmsruh und Schönholz nach Gesundbrunnen. Viel weniger aufwändig wäre es jedoch, die NE 27 von Schönwalde nach Karow bis Gesundbrunnen zu verlängern.

Falls dennoch Neubau und Ertüchtigung der Strecke über Rosenthal erfolgen sollen, könnte der BÜ zur Erhöhung der Reisegeschwindigkeit signalisiert werden. Hier bietet sich die Überwachungsart ÜSOE an.

Technische Sicherung der Straßenbahn?

In Augsburg wurden für die Straßenbahn Zugsicherungsanlagen vorgeschrieben. In Radebeul wurde hingegen trotz höherer Fahrgeschwindigkeit der Straßenbahn eine Zugsicherung für nicht erforderlich gehalten. Die Berliner M 1 fährt seltener als die Straßenbahn in Augsburg und langsamer als die in Radebeul. Daher könnte auf eine Zugsicherung verzichtet werden.

Fazit

Rechtlich ist bei entsprechendem juristischem Wohlwollen eine Zulassung der Gleiskreuzung M 1/NEB in Rosenthal möglich. Bei ingenieurmäßiger Interpretation der Rechtslage sind auch wenig aufwändige, pragmatische Lösungen denkbar. Entscheidend dürfte der politische Wille des Senats sein.

Grundlage dieses Artikels ist eine Studie für den BUND Berlin vom April 2007. Sie ist beim Verkehrsreferat, Tel. (030) 78 79 00-17 für 5 Euro erhältlich. Eine Kurzfassung ohne technische Erläuterungen kann unter www.bundberlin. de heruntergeladen werden.

Dipl.-Ing. (FH) Gudrun Holtz, Arbeitskreis Mobilität des BUND Berlin

aus SIGNAL 3/2007 (Juni/Juli 2007), Seite 18-19