Schienenverkehrswochen 2008

Hier klemmt´s bei der S-Bahn: Bauen, Fahren, Informieren

Bericht vom Fahrgastsprechtag S-Bahn


Jens Fleischmann

22. Okt 2008

Mit über 100 Besuchern war der Fahrgastsprechtag S-Bahn erneut der am besten besuchte. Links im Bild Tobias Heinemann, Sprecher der Geschäftsführung der S-Bahn Berlin GmbH. Foto: Raul Stoll

Mit über 100 Interessierten war der Fahrgastsprechtag S-Bahn am 25. September 2008, durchgeführt im Rahmen der 25. Schienenverkehrs- Wochen, erneut sehr gut besucht. Zum zweiten Mal stellten sich seitens der S-Bahn Berlin GmbH Dr. Tobias Heinemann, Geschäftsführer Marketing und Sprecher der Geschäftsführung, sowie Ullrich Thon, Geschäftsführer Betrieb, den Fragen und der Kritik des Publikums und des einladenden Fahrgastverbands IGEB.

Verkehrsnachfrage, Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit

Eingangs berichteten beide Geschäftsführer zu aktuellen Themen aus dem Unternehmen. Das Jahr 2008 führte bis jetzt zu einer Zunahme der Fahrgastzahlen gegenüber 2007 – trotz der Streiks im vergangenen Jahr. Bis August wurden 254,6 Millionen Fahrgäste befördert (3,7 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2007) und eine Verkehrsleistung von 2,55 Milliarden Personenkilometern erbracht (ebenfalls plus 3,7 Prozent). Zurückzuführen sei dies auf den BVG-Streik im Frühjahr 2008, den Benzinpreisanstieg, die Abo-Kampagne und die weitere Zunahme an Berlin-Touristen.

„Ansage beachten“ – Daueranzeige im S-Bf Spandau. Wenn schon keine korrekte Linienanzeige, so sollte wenigstens übergangsmäßig statisch „S 9/S 75 Richtung Westkreuz, Zoo, Hbf, Friedrichstr, Ostbf“ angezeigt werden. Foto: Florian Müller (September 2008)

Die Pünktlichkeit betrug im gesamten Jahr 2007 im Schnitt 94,94 Prozent und lag damit knapp unter der im Verkehrsvertrag zugesicherten Quote von 95 Prozent. Aus diesem Grund gab es für die S-Bahn Abzüge bei den Bestellgeldern des Berliner Senats. Aktuell liegt die Pünktlichkeit, bei der eine Zugverspätung bis drei Minuten noch als pünktlich angesehen wird, bei 95,63 Prozent. Der Durchschnitt für 2008 liegt bisher allerdings darunter. Ursachen waren u.a. Fahrzeitverluste durch das Herabsetzen der Höchstgeschwindigkeit aller Baureihen und die verstärkte Bautätigkeit sowie die zahlreichen Signal- und Weichenstörungen.

Alle sechs Monate wird im Auftrag der DB Mobility & Logistics AG eine Fahrgastbefragung im gesamten Bundesgebiet durchgeführt, um die Kundenzufriedenheit in den einzelnen Regionen und in allen S-Bahn-Systemen zu ermitteln. Diese INFAS-Studie fand letztmalig im Mai 2008 statt und brachte der S-Bahn Berlin eine Note von 2,3 und damit den zweiten Platz hinter der S-Bahn Rhein-Neckar (Note 2,2) ein. Demnach befanden 68 Prozent der befragten Kunden den Service und die Leistung der S-Bahn Berlin als gut bzw. sehr gut.

Die S-Bahn Berlin beauftragt darüber hinaus jährlich eine eigene Umfrage, die einige Themen umfangreicher als die INFAS-Studie anspricht. Diese PSI-Total-Studie ermittelte dabei eine Durchschnittsnote von 2,16 und rund 80 Prozent zufriedene bzw. sehr zufriedene Kunden.

Zugzielanzeiger auf der S 1, links Julius-Leber-Brücke, rechts Zehlendorf. Die Gegenüberstellung zeigt, dass den Fahrgästen in Zehlendorf nicht nur vorenthalten wird, wohin der nächste Zug fährt, sondern auch wann er kommt, wie lang er ist und welcher Zug folgt. Auch der Verweis der S-Bahn GmbH, dass das Ziel vom Triebfahrzeugführer angesagt werde, befriedigt nicht, weil damit Hörgeschädigte und viele Ausländer ausgegrenzt werden. Entsprechend häufig wurde die S-Bahn beim Fahrgastsprechtag für den Rückbau der Fahrgastinformation kritisiert. Hinzu kam, dass kurz zuvor beim Regionalverkehrssprechtag der Vertreter von DB Station & Service jede Verantwortung für diese Entwicklung auf den S-Bahnhöfen von sich wies – das sei allein Sache der S-Bahn GmbH. Fotos: Marc Heller

Ob diese guten Werte auch in den nächsten Befragungen im kommenden November erreicht werden, ist allerdings zweifelhaft, zeichnete sich die S-Bahn in den letzten Monaten doch eher durch Unpünktlichkeit, Infrastrukturmängel mit umfangreichen und über mehrere Tage bzw. Wochen anhaltenden Einschränkungen (z.B. Griebnitzsee und Lichtenberg) und mangelnder Kundeninformation aus.

Herr Heinemann bestätigte den Eindruck vieler Fahrgäste, dass es abschnittsweise in den S-Bahn-Zügen regelmäßig sehr voll wird. Allerdings sieht er keinen Handlungsbedarf für längere oder zusätzliche Züge. Auf dem Ring sei die Auslastung schwerpunktmäßig hoch (vor allem Treptower Park—Neukölln), auf anderen Ringabschnitten aber eher gering (z. B. Jungfernheide—Westend). Somit gleiche sich die Auslastung auf dem gesamten Ring aus. Das Angebot sei „marktgerecht“. Diese Argumentation stieß auf Unverständnis, einige widersprachen und bekamen Applaus.

Bauschwerpunkte 2009

Bauschwerpunkte bleiben auch im Jahr 2009 der Bahnhof Ostkreuz und die Görlitzer Bahn. Vorgesehen sind hier die Inbetriebnahmen des neu erbauten Regionalverkehrsbahnsteigs am Ostkreuz (Ring) Ende August 2009, der für fünf Jahre der S-Bahn dienen wird, sowie der neuen S-Bahnsteige in Baumschulenweg und Adlershof. Darüber hinaus werden die elektronischen Stellwerke (ESTW) in Schöneweide und Zeuthen in Betrieb genommen, die Zugbildungsanlage (ZBA) Schöneweide erneuert und die Brücke über den Britzer Zweigkanal (bei Baumschulenweg) neu gebaut. Fortgesetzt werden ebenso der Neubau der Anbindung an den künftigen Großflughafen Berlin-Brandenburg International mit dem Bahnhof unter dem Terminal sowie die Erneuerung des Bahnhofs Schöneweide.

Außerhalb dieser Schwerpunkte stehen die Erneuerung der Spandauer-Damm- Brücke (Bahnhof Westend), Falkenberger Brücke (Bahnhof Hohenschönhausen) und der Eisenbahnbrücke Krottnaurer Straße (zwischen Schlachtensee und Nikolassee) an. Der Regionalbahnhof Erkner wird erneuert und der Bahnhof Karow erhält einen neuen Nordzugang. Die Streckenerneuerung Grunewald—Westkreuz wird zu vier bis fünf Wochen Vollsperrung führen. Am Bahnhof Lichtenberg werden Gleise und Weichen saniert. Ohne Einschränkungen für Fahrgäste werden die Zugbildungsanlagen Friedrichsfelde (ehemaliges Betriebswerk) und Tempelhof erneuert bzw. neu gebaut. Dabei wird die noch vorhandene ehemalige Triebwagenhalle in Tempelhof abgerissen.

Zusätzlich wird der Schienenschleifzug über das ganze Jahr vor allem auf Stadt- und Ringbahn zum Einsatz kommen und zu abendlichen Sperrpausen führen.

S 21

Nach offiziellen Aussagen soll mit dem Bau der S 21 im Jahr 2009 begonnen werden, zunächst mit der Verbindung Wedding—Hbf (Ostkurve), dann mit Westhafen—Hbf (Westkurve) und später Hbf—Potsdamer Platz. Der Nutzen-Kosten-Untersuchung des Münchener Ingenieurbüros Intraplan lag das folgende Betriebskonzept zugrunde, das zuvor mit dem Land Berlin abgestimmt worden war:

Fahrgastinformations- und Zugabfertigungssystem

Die Inbetriebnahme der dynamischen Fahrzielanzeiger mit Anzeige der Abfahrtszeiten in Echtzeit verzögert sich weiter. Während das System auf der Ringbahn einigermaßen, aber noch nicht ausreichend stabil läuft, zeigen die Anzeiger auf der Stadtbahn nur die planmäßige und nicht die tatsächliche Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Zuges an, sofern sie überhaupt etwas (dynamisch) anzeigen. Die S-Bahn hofft, die Probleme zusammen mit den Herstellern noch in diesem Herbst in den Griff zu bekommen. Die ärgerlichen statischen Anzeigen im dynamischen Anzeiger (z. B. Savignyplatz und Jannowitzbrücke) begründet die S-Bahn mit einer fehlenden Anbindung an den Zentralrechner. So fehlt z. B. ein Datenkabel von Savignyplatz nach Charlottenburg, von wo der Anzeiger manuell gesteuert werden könnte. Für das Verlegen des Kabels sei DB Netz zuständig.

Auch die Zugabfertigung durch den Triebfahrzeugführer (ZAT) über Monitore verläuft nicht nach Plan. Neben technischen Problemen gibt es keine Nutzungserlaubnis durch das Eisenbahn-Bundesamt. Derzeit ist auch nicht ersichtlich, wann ZAT komplett in Betrieb geht.

Während alle Stadt- und Ringbahnhöfe sowie wichtige Umsteigebahnhöfe außerhalb des Rings die neuen Fahrzielanzeiger bekamen bzw. bekommen, wurden auf zahlreichen Bahnhöfen Blechschilder angebracht, die lediglich die Richtung der Züge angibt. Darunter befinden sich auch Bahnhöfe, die vorher Fallblattanzeiger besaßen. Ärgerlich ist dies besonders dann, wenn auch die örtliche Aufsicht bereits abgezogen wurde. Diese Bahnhöfe sollen nun verbesserte automatische Lautsprecheransagen erhalten, um die Kunden besser über die einfahrenden Züge informieren und sonstige betriebliche Hinweise geben zu können. Eigentlich sollte der Abzug der Aufsichten von solchen Bahnhöfen erst erfolgen, wenn die Kundeninformationssysteme vollständig funktionieren, doch führten „wirtschaftliche Zwänge“ zu dieser sehr kundenunfreundlichen Situation. Die mangelnde Fahrgastinformation war deshalb auch ein Schwerpunkt der Wortmeldungen aus dem Publikum. Besonders der Rückbau der alten funktionierenden Info-Technik und der gleichzeitige Personalabzug von den Stationen wurden mehrfach heftig kritisiert.

Fahrzeuge

Derzeit unterliegen alle drei vorhandenen Baureihen Einschränkungen in der Höchstgeschwindigkeit. Statt 100 bzw. 90 km/h dürfen die Fahrzeuge nur 80 km/h fahren. Um die Höchstgeschwindigkeit wieder erhöhen zu können, werden die Fahrzeuge nach und nach technisch modernisiert. So wird die Sicherungstechnik des Fahrsperrensystems in allen Baureihen ebenso optimiert wie der Gleitschutz und die Besandungsanlage in den Fahrzeugen der neuesten Baureihe 481.

Bei einigen Fahrzeugen der Baureihe 485 wurden Risse in den Bodenblechen festgestellt. Diese Fahrzeuge werden ab Oktober einer Sanierung unterzogen. Bis die zu sanierenden Wagen wieder einsatzfähig sind, ist der Fahrzeugpark noch knapper als regulär.

Im Kampf gegen den Vandalismus werden neue Beschichtungsverfahren erprobt, die Eddingschmierereien an den Fahrzeugflächen verhindern sollen. Das Bekleben mit dunklen Scheibenfolien, wie es die BVG derzeit an ihren Straßenbahnfahrzeugen durchführt, ist bei der S-Bahn kein Thema, da durch die Folien der Innenraum zu sehr abgedunkelt werden würde.

Auch wenn die älteren Baureihen 480 und 485 eine Modernisierung erhalten sollen, um sie bis 2017 weiter betreiben zu können, beginnt die S-Bahn bereits jetzt mit der Erstellung eines Lastenheftes für neue Fahrzeuge. Grund ist die doch hohe Anzahl von rund 120 benötigten Neufahrzeugen. Die Ausschreibung soll ab Beginn des nächsten Jahrzehnts erfolgen.

Aber nicht nur die älteren Fahrzeuge sollen ertüchtigt werden. Auch die Baureihe 481 soll einem Redesign unterzogen werden, wozu ein Prototyp in zwei Jahren vorgestellt werden soll. Ob die Baureihe dabei eine Klimaanlage erhält, wie von einigen Fahrgästen vorgeschlagen, ist bisher nicht entschieden. Die benötigte Energie einer Klimaanlage ist sehr hoch und somit nicht nur im Hinblick auf den Klimaschutz kritisch zu betrachten. Das stehe dem Selbstverständnis der S-Bahn als klimafreundliches Verkehrsmittel entgegen.

Erste Umbauten in den Fahrzeugen finden allerdings schon jetzt statt. So wurden und werden in insgesamt zehn Zügen probeweise die ehemaligen Erste-Klasse-Abteile und die Mehrzweckabteile umgebaut, um mehr Fahrrädern und Kinderwagen Platz zu schaffen. Dies geht allerdings zu Lasten von Sitzplätzen. Hierzu findet eine Fahrgastbefragung statt.

Fahrkartenautomaten und -vertrieb

Aktuell verfügt die S-Bahn Berlin über 452 Automaten, die sehr gut angenommen werden. Im Jahr 2007 nutzten 2,2 Millionen Kunden die Automaten, zogen dabei 26,6 Millionen Tickets und gaben im Schnitt 3,32 Euro pro Ticket aus. Dabei waren 84 Prozent aller verkauften Tickets Einzelfahrausweise und Kurzstreckentickets. Die Verfügbarkeit der Automaten liegt bei 98 Prozent.

Das Sortiment wurde zwischenzeitlich erweitert. Auf Kundenwunsch wurde das Berliner Sozialticket hinzugefügt. Des Weiteren sind Tickets zu ausgewählten Messen und Veranstaltungen am Automaten erhältlich.

Für 2010 steht die Beschaffung von ca. 500 Automaten einer neuen Generation an, die nicht nur schneller sein, sondern auch besser lesbare Displays erhalten sollen. Die Menüführung soll dabei mit der BVG abgestimmt und vereinheitlicht werden.

Rund ein Viertel aller verkauften Tickets erfolgt über Abonnements. Um diese Zahl weiter zu erhöhen, soll die Beantragung eines Abos einfacher werden. Noch dieses Jahr sollen über die Homepage der S-Bahn Abonnements beantragt werden können. Damit folgt die S-Bahn dem guten Beispiel der BVG, bei der dies bereits möglich ist. Des Weiteren können Abokunden künftig ihre Stammdaten bei Notwendigkeit online ändern. Auch um Schüler soll verstärkt geworben werden. So sind Schüler-Abo-Kampagnen geplant.

Weiteres

Jens Fleischmann

aus SIGNAL 5/2008 (November 2008), Seite 14-16