Berlin
Was wird aus dem Flughafen Tempelhof? Derzeit wird lebhaft diskutiert, was mit dem 386 Hektar großen Flughafengelände künftig geschehen soll.
23. Okt 2008
Was wird aus dem Flughafen Tempelhof? Über Monate dominierte der Flughafen die stadtpolitischen Diskussionen in Berlin. Nach dem Ende April 2008 gescheiterten Volksentscheid für einen Erhalt des Flugbetriebs flaute die Debatte zunächst ab. Doch mit einer im September durchgeführten ersten Öffentlichkeitsbeteiligung zur Flächennutzungsplanänderung und der näher rückenden Einstellung des Flugbetriebs am 30. Oktober wird nun lebhaft diskutiert, was mit dem 386 ha großen Flughafengelände künftig geschehen soll.
Bereits der Berliner Flächennutzungsplan (FNP) von 1994 sah auf Flächen des Flughafens Tempelhof nach dessen Schließung eine großflächige bauliche Nutzung vor. Nur Restflächen in der Mitte wurden als Grünfläche dargestellt. Diese formell bis heute gültige Planung ignorierte sowohl die gravierenden Freiflächendefizite in der Berliner Innenstadt wie auch die Funktion des Flughafengeländes als gesamtstädtisch bedeutende Klimaausgleichszone.
Bereits kurz vor dem am 27. April erfolgten Bürgerentscheid hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein Änderungsverfahren für den Berliner Flächennutzungsplan im Bereich des Flughafens Tempelhof eingeleitet. Im September wurde der Änderungsplan im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung erstmals zur Diskussion gestellt. Alle Bürger und Institutionen jeder Art bekamen
die Gelegenheit, sich zu dem Planentwurf zu äußern.
Der Änderungsplan sieht in Anlehnung an einen städtebaulichen Entwurf in der Mitte des Flughafengeländes eine zusammenhängende ca. 220 ha große Grünfläche vor. Das entspricht in etwa der Fläche des Großen Tiergartens in Berlin-Mitte. Baugebiete sind im Bereich des Flughafengebäudes und am östlichen Rand entlang des Tempelhofer Damms („Gemischte Baufläche“), entlang der Stadtautobahn im Süden („gewerbliche Baufläche“), am Columbiadamm und parallel zur Oderstraße vorgesehen („Wohnbauflächen“). Darüber hinaus sind – wie bereits im gültigen FNP – zwei neue S-Bahnhöfe auf der Ringbahn vorgesehen, bisher bezeichnet als „Komturstraße“ und „Oderstraße“.
Für die künftige Umsetzung der Planungen wurden die Durchführung einer Internationalen Bauausstellung und einer internationalen Gartenschau ins Gespräch gebracht.
Mit dem vorgelegten Konzept verdeutlicht der Senat, dass er – weit stärker als bisher – die Chancen nutzen will, die im Erhalt einer großen innerstädtischen Freifläche liegen, was von den Kritikern als „Wiesenmeer-Projekt“ verspottet wird. Da es in Berlin jedoch keinen Bedarf gibt, große neue Bauflächen auszuweisen, während vor allem die dicht bebauten Ortsteile Kreuzberg und Neukölln nördlich und östlich des Flughafengeländes große Freiflächendefizite haben, ist es richtig, die Flächen nur teilweise zu bebauen. Das gilt gerade auch aus Fahrgastsicht, weil nur in den Randbereichen eine gute ÖPNVErschließung vorhanden ist. Daran wird sich angesichts viel wichtigerer innerstädtischer ÖPNV-Projekte in den nächsten Jahrzehnten auch nichts ändern.
Umso unverständlicher ist, dass beim vorgelegten Entwurf für künftige Baugebiete auf dem Flughafengelände die ÖPNV-Erschließung viel zu wenig berücksichtigt wurde – und das, obwohl die Stadt- und Verkehrsplaner des Senats in einem Haus sitzen.
Deshalb hat die IGEB im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Flächennutzungsplan- Änderung folgende Stellungnahme abgegeben:
„Der Berliner Fahrgastverband IGEB e. V. befürwortet das Ziel, große Teile des ehemaligen Flughafengeländes als Parklandschaft zu entwickeln. Bei der Lage und Dimension der Bauflächen bestehen jedoch im Hinblick auf die Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln erhebliche Bedenken, da die ÖV-Erschließung vielfach nicht attraktiv bzw. nicht wirtschaftlich möglich sein wird.
Die vorgelegte Flächennutzungsplanänderung berücksichtigt die ÖV-Erschließung, der gerade innerhalb des Rings eine herausragende Bedeutung zukommt, viel zu wenig. Einerseits werden vorhandene Erschließungsqualitäten nicht genutzt, andererseits werden Bauflächen ausgewiesen, wo eine attraktive ÖV-Erschließung erst geschaffen werden muss oder nie vorhanden sein wird. Zur Vertiefung dieses wichtigen Aspekts hält der Berliner Fahrgastverband Untersuchungen zur ÖV-Erschließung und eine daraus abgeleitete Verbesserung der Bauflächendarstellungen für erforderlich.“
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 5/2008 (November 2008), Seite 8-9