Schleswig-Holstein

Ausschreibungen, Infrastrukturausbau und Stadtbahn Kiel

Interview mit Jost de Jager Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein


Deutscher Bahnkunden-Verband

1. Jun 2010

DBV: Herr Minister, werden Sie an den europaweiten Ausschreibungsverfahren für den SPNV-Betrieb in den Teilnetzen festhalten?

Jost de Jager, CDU, ab April 2005 Staatssekretär und seit Oktober 2009 Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein. Foto: Pressestelle

Minister de Jager: Ja! Die bisherigen Ausschreibungsverfahren in Schleswig-Holstein haben zu einer deutlich verbesserten Qualität für die Fahrgäste und zu hohen Einsparungen von jährlich 34 Millionen Euro für das Land geführt. Dieses Erfolgskonzept werden wir fortsetzen.

Wann wird es die nächsten Ausschreibungen geben?

Die letzte Ausschreibung, das Netz Ost zwischen Lübeck und Hamburg mit dem sogenannten Lübecker Stern (Lübeck—Puttgarden, Lübeck—Kiel, Lübeck— Lüneburg) ist seit Dezember 2009

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in Betrieb. Der Vertrag ist für das Land deutlich kostengünstiger und es kommt zu Verbesserungen des Angebots - beispielsweise ein Halbstundentakt zwischen Hamburg und Lübeck sowie Lübeck und Kiel. Darüber hinaus haben wir momentan drei laufende sowie in Vorbereitung befindliche Ausschreibungsverfahren:

Werden Sie die Ausschreibungskriterien am jetzigen Angebot und der jetzigen Nachfrage orientieren, oder wird angestrebt, durch bessere Angebote, z. B. mehr Plätze in der HVZ oder dichterer Fahrplan, den Verkehrsanteil im SPNV deutlich zu steigern? Auf welchen Strecken sehen Sie für Angebotsausweitungen einen Bedarf?

Bisherige Ausschreibungen haben bereits zu deutlichen Verbesserungen des Verkehrsangebotes sowie der Qualität geführt. Auch während der Vertragslaufzeiten sind wir stetig bemüht, zusammen mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen neue Entwicklungen mit aufzugreifen. Aber auch hier merken wir zunehmend, dass weitere Verbesserungen abhängig sind von den engen finanziellen Rahmenbedingungen, den Trassen- und Stationspreisen und den steigenden laufenden Kosten, etwa den Energiepreisen.

Schon heute haben wir Engpässe in den Ballungsräumen des Landes besonders im Hamburger Umland. Hier gibt es auf der Achse Elmshorn—Hamburg und der Achse Bad Oldesloe—Hamburg erheblichen Bedarf, auch die Achse nach Kaltenkirchen wollen wir stärken. Aber auch im Großraum Kiel wollen wir das Angebot noch verbessern.

Wird es in den kommenden Jahren die Möglichkeit geben, neben der Hinterlandanbindung für eine Fehmarnbeltquerung wichtige Infrastrukturvorhaben wie 2. Ausbaustufe Lübeck—Kiel, weitere Engpassbeseitigung Niebüll—Westerland, Engpassbeseitigung Kiel-Hassee—Kiel Hbf, Ausbau Bahnhof Elmshorn oder Reaktivierung der Strecke Kiel—Schönberger Strand zu realisieren? Wie viel Geld aus welchen Töpfen steht gegebenenfalls für die genannten Projekte in welchen Jahren zur Verfügung?

Im Landesweiten Nahverkehrsplan [Hinweis des DBV: LNVP, zu finden auf der Internetseite des Ministeriums] haben wir die genannten Maßnahmen im Einzelnen aufgeführt und Prioritäten beschrieben. Grundsätzlich sollen die Maßnahmen bedarfsgerecht umgesetzt werden. Allerdings sind wir als Land abhängig von Bundesmitteln, die für die Finanzierung von solchen Maßnahmen unerlässlich sind. Mit dem Bund verhandeln die Länder deshalb nicht nur die Fortschreibung der Regionalisierungsmittel sozusagen für den laufenden Betrieb, sondern auch die Bereitstellung von ausreichenden Infrastrukturmitteln im Haushalt des Bundesverkehrsministeriums.

Welche Prioritäten für den Infrastrukturausbau gibt es in den kommenden Jahren?

Grundsätzlich richtet sich die Priorität nach dem Nutzen für den Fahrgast. Das heißt: Für Schleswig-Holstein haben wir die Realisierung des Achsenkonzeptes ganz nach oben gesetzt. Auch im Zusammenhang mit dem Bau der festen Fehmarnbeltquerung benötigen wir eine leistungsfähigere Infrastruktur im Hamburger Umland. Modernisiert wird zurzeit die Strecke zwischen Kiel und Lübeck, den beiden größten Städten des Landes. An der Westküste bauen wir zusammen mit der Bahn die Stellwerktechnik und den Bahnhof Heide aus.

Wie werden Sie die Stadt Kiel und die angrenzenden Landkreise bei der Einführung eines Stadt-Regionalbahn-Systems unterstützen?

Ich nehme die große Skepsis, die besonders aus der Wirtschaft diesem Projekt gegenüber besteht, sehr deutlich wahr. Dennoch fördert das Land mit einem Zuschuss weitere Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit des Projektes. Es ist nun aber Aufgabe der kommunalen Seite zu entscheiden, ob es zur Realisierung der Stadt-Regionalbahn kommt.

Deutscher Bahnkunden-Verband

aus SIGNAL 2/2010 (Mai 2010), Seite 23