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Der Fahrplan aus dem Netz: Online-Fahrpläne im Test


IGEB Fahrgastbelange

16. Jul 2010

Im „VBB Fahrplanbuch online“ wird jede einzelne Fahrt aufgeführt. Es gibt keine Zusammenfassung bei einheitlichen Taktzeiten. Das bläht die Fahrplandarstellung unnötig auf. Richtig programmiert könnte der Ausdruck um viele Seiten kürzer sein und wäre damit auch wesentlich einfacher zu lesen. vbbonline.de

Ob Bahn oder Bus, zu jedem Haltepunkt gehört auch ein Fahrplanaushang. Idealerweise ist der auf die betreffende Haltestelle zugeschnitten, enthält also nicht alle Abfahrten an allen Stationen, sondern nur die örtlichen. Solche Fahrplanaushänge sind zu unterscheiden von den Linienfahrplänen, bei denen sich komplette Fahrten einer Linie nachvollziehen lassen. Linienfahrpläne erhält man unter anderem im Kursbuch.

Beide kann der Fahrgast gut gebrauchen: den Haltestellenaushang für seine Heimatstation und die Kursbuchtabellen für Linien, die er häufig nutzt. Eine der ersten Anlaufstellen, um dies zu bekommen, ist sicherlich das Internet. Hier geht der Informationssuchende berechtigterweise davon aus, die entsprechenden Pläne herunterladen zu können.

Doch ganz so einfach ist dies nicht. Denn die Websitegestalter der Verkehrsunternehmen haben dem einige Hindernisse in den Weg gestellt.

Weiß man nicht so genau, welches Verkehrsunternehmen die gewünschte Linie betreibt, sucht man sicherlich zuerst auf der Seite des Verkehrsverbundes. Der Menüpunkt „Fahrplan“ ist schnell gefunden. Aber die Bezeichnungen sind etwas missverständlich. Hinter „VBB-Fahrplan – linienweise“ verbirgt sich der Haltestellenaushang. Die Existenz eines weiteren Punktes „VBB-Fahrplanbuch Online“ und die daneben stehenden Bilder können das aber ausgleichen.

Der VBB-Haltestellenaushang sieht nicht ganz so aus, wie man ihn von der Haltestelle kennt, nähert sich aber gestalterisch dem BVG-Fahrplan an, auch wenn die Perlschnur und die damit verbundenen Durchfahrzeiten fehlen. Das liegt wohl daran, dass die Dokumente bei jeder Anfrage erst für jeden Benutzer individuell erstellt werden, je nachdem, welche Einstellungen getroffen wurden.

Das funktioniert bei einfachen Linien ganz gut. Jedoch ergibt sich bei den meisten Linien im Berliner Raum eine enorme Fußnotenorgie im Plan, so dass dieser häufig kaum noch lesbar ist. Die Fußnoten schöpfen das Alphabet gut aus, wobei aber im Test keine einzige Fußnote auf aktuelle Baumaßnahmen hingewiesen hat, beispielsweise bei den 18 Fußnoten der Tramlinie M 1. Selbst der Fahrplan für die S-Bahn-Linie S 5 kommt nicht ohne elf Fußnoten aus.

Die Fußnotenorgie bei der BVG macht den Fahrplan praktisch unlesbar. Dabei sind noch nicht einmal aktuelle Baustellen enthalten. BVG.de

Das VBB-Fahrplanbuch Online wird ebenfalls bei jeder Anfrage neu dynamisch erstellt. Auch das funktioniert für die Dorfbuslinie ganz gut. Doch bei der geringsten Eigenheit einer Linie wird das Programm unbenutzbar. So kommt der aktuelle Fahrplan für die Berliner Straßenbahnlinie M 1 auf sage und schreibe 152 Seiten! Ein Buch für sich.

Das liegt vor allem an der dynamischen Erstellung. Das Programm betrachtet alle Fahrten, die im aktuellen Fahrplanjahr noch vor uns liegen, und quetscht diese dann in ein und dieselbe Tabelle. Eine Unterteilung in einzelne Fahrplanperioden könnte die Seitenzahl bereits erheblich vermindern. Aber selbst dann sind es immer noch zu viele Seiten.

Ein Beispiel: Bei der Erstellung eines Fahrplans für die Straßenbahnline M 4 scheitert das Programm in der Standardeinstellung komplett. Es bricht den Erstellungsvorgang nach etwa 10 Minuten ab mit der Meldung, dass der Fahrplan leider nicht erstellt werden konnte. Selbst bei Beschränkung des Fahrplanzeitraums auf eine einzige Woche sind es für diese Linie noch 42 Seiten.

Ein weiteres Beispiel: Der vergleichsweise einfache Fahrplan der S 5 ist nach allen erdenklichen Einstellungsmöglichkeiten nicht unter 39 Seiten zu bekommen. Zum Vergleich: beim pdf-Download auf der S-Bahn- Website sind es 8 Seiten. Das ist bedeutend übersichtlicher.

Auch das Auslassen von Fahrten bei gleichbleibendem Takt funktioniert nicht wie erwartet. Findet man im klassischen Kursbuch zwischen zwei Fahrten die Angabe „alle 10 Minuten“, so wird hier mit einem komplizierten Klammerungsverfahren gearbeitet. Traurig, denn eine ordentliche Taktdarstellung sollte so ein Programm eigentlich problemlos beherrschen, da das auch nicht besonders schwierig zu programmieren ist.

Zusammenfassend kann man wohl behaupten, dass das Fahrplanbuch Online vom VBB in der jetzigen Version nicht zu gebrauchen ist. Dabei wäre die Lösung so einfach – und sie hat bereits im Jahr 2000 funktioniert.

Damals konnte man beispielsweise auf der Internetseite der BVG noch jeden Linienfahrplan so, wie er im Kursbuch stand, als PDF-Datei herunterladen. Auf den Seiten der BVG hat man sich davon jedoch mit der Neugestaltung der Website 2006 verabschiedet. Die Fahrpläne würden zu viel Speicherplatz verbrauchen, hieß es, sollten jedoch später wieder angeboten werden. Doch auch heute, vier Jahre später, werden nur der dynamische Haltestellenaushang und ein Link zum Fahrplanbuch Online des VBB angeboten.

Mit diesem Mangel steht die BVG aber fast allein da. Denn fast jedes andere Verkehrsunternehmen im VBB-Gebiet, vom kleinen Busunternehmer bis zur großen Deutschen Bahn, bietet PDF-Fahrpläne zum Download für die von ihm betriebenen Linien an – nur eben nicht die BVG. Auch ViP Potsdam und Havelbus stellen ihre Linienfahrpläne auf ihre Internetseite: sehr übersichtlich, leicht zu finden, immer aktuell und sogar mit speziellen Baufahrplänen.

Die BVG ist damit, was die Fahrplanverfügbarkeit im Internet betrifft, das genaue Gegenteil zur S-Bahn Berlin GmbH. Durch die Krise kurzzeitig abgerutscht – mal fehlten Stationsaushänge, mal Linienfahrpläne – bietet die S-Bahn nun wieder das von früher gewohnte umfangreiche Informationsangebot. Zwar sind die Linienfahrpläne derzeit noch etwas schwierig zu finden, dennoch steht fest: Damit ist die Berliner S-Bahn derzeit das einzige Verkehrsunternehmen im gesamten Verbundgebiet, das sowohl die Linienfahrpläne als auch die Haltestellenaushänge für jede einzelne Station – sogar nach Richtungen getrennt – zum Herunterladen bereitstellt. Das ist beispielhaft.

Es genügt eben nicht, wenn ein Verkehrsunternehmen umfangreiche Systeme zur Berechnung von einzelnen Fahrtrouten zur Verfügung stellt und sonstige Abfahrtsinformationen nur noch dynamisch unübersichtlich erstellen lässt. Der klassische Fahrplan gehört genauso zum Pflichtangebot! (hm)

Verkehrsbetriebe im VBB mit Fahrplan-Download auf eigener Website

OHNE Fahrplan-Download

IGEB Fahrgastbelange

aus SIGNAL 3/2010 (Juli 2010), Seite 12-13