Es bleiben Zweifel
16. Jul 2010
Im Dezember 2009 informierte die DB AG die Cottbuser Stadtverwaltung über Pläne zur Verlängerung des Bahnhofstunnels im Hauptbahnhof. Anlass ist die wegen Baufälligkeit absehbare Schließung des Spreewaldbahn- Tunnels, der derzeit den einzigen Zugang zum Bahnhof aus Richtung Norden ermöglicht.
Nach Angaben des Cottbuser Oberbürgermeisters Frank Szymanski will die Deutsche Bahn 100 Millionen Euro investieren. Nachfragen ergaben, dass mit dieser Summe außer der Tunnelverlängerung eine Erhöhung aller Bahnsteige auf 55 cm, die Herstellung von Barrierefreiheit und die Installation von Wetterschutz- Unterständen auf den bisher nicht überdachten Bahnsteigen realisiert werden sollen. Als Bauzeit werden die Jahre 2012 bis 2014 angegeben.
Ohne Frage: Dies sind alles sehr sinnvolle und lange überfällige Maßnahmen. ProTram- Cottbus fragt sich allerdings, ob die geplanten Maßnahmen den Zielvorstellungen vom Cottbuser Bahnhof gerecht werden, wobei nicht bekannt ist, ob eine langfristige Bahnhofskonzeption, zum Beispiel für 2020, überhaupt vorliegt.
Der Cottbuser Hauptbahnhof sollte über folgende Eigenschaften verfügen:
ProTramCottbus schlägt als Alternative zu den Plänen der DB vor, statt der Verlängerung des Bahnhofstunnels einen zweiten Tunnel, im Folgenden als „Stadttunnel“ bezeichnet, in der Nähe der Bahnhofsbrücke zu errichten (siehe Grafik). Mit diesem Tunnel würden die o. g. Bedingungen umfassend erfüllt werden. Er hätte etwa die Länge der geplanten Gesamttunnelverlängerung. Der Abstand zwischen den Gleisen 2/3 sowie 4/5 bliebe bis in Höhe Wernerstraße etwa gleich. Falls also die Bahnsteige nicht verbreitert werden sollen, ist hier keine Veränderung am Gleisbild erforderlich. Lediglich die Sackgleise zwischen den Bahnsteiggleisen wären aufzugeben.
Die folgenden Vorschläge zur Gleisführung gehen davon aus, dass auf die Sackgleise 7 bis 9 verzichtet werden kann: Die Gleise 7 und 8 werden bereits derzeit nicht genutzt, von Gleis 9 erfolgen lediglich zwei tägliche Abfahrten.
Das neue Gleis 10 entsteht durch Verlängerung des nördlichen Sackgleises des südlichen Gleiskörpers in Richtung Westen mit Anbindung durch eine zusätzliche Weiche in das Gleis 6.
Das neue Gleis 11 entsteht durch Verbindung des bisherigen Gleises 7 mit dem südöstlichen Sackgleis des nördlichen Gleiskörpers. Das neue Gleis 12 entsteht durch Verbindung des bisherigen Gleises 9 mit dem bisherigen Gleis 8. Das neue Gleis 11 muss im Bereich des Stadttunnels zusätzlich geringfügig verschoben werden, um eine ausreichende Bahnsteigbreite zu gewährleisten.
ProTramCottbus schlägt vor, die Änderungen in zwei Bauphasen zu realisieren. Die erste Bauphase würde die vorstehend beschriebenen Maßnahmen beinhalten. Hier sind bereits alle Bedingungen für die Barrierefreiheit zu realisieren. Der Fahrgastbetrieb kann in dieser Phase weitgehend ungestört über die vorhandenen Tunnel und Bahnsteige aufrecht erhalten werden. Ausnahme: Sobald das neue Gleis 10 gebaut wird, können die bisherigen Gleise 10 bis 12 nur über den südlichen Zugang zum Spreewaldbahntunnel von der Mittelinsel aus erfolgen (bisher auch über den nördlichen Zugang möglich).
Mit dem Beginn der zweiten Bauphase erfolgt der Zugang zu den Bahnsteigen ausschließlich über den Stadttunnel und der Spreewaldbahntunnel kann geschlossen werden. In dieser Phase werden der Anschluss der neuen Bahnsteige zum Bahnhofstunnel sowie die Verlängerung dieses Tunnels bis zu den neuen Gleisen 11/12 realisiert. Zu prüfen wäre hier, ob der Ausbau des Bahnhofstunnels zwingend auch die Bedingungen für Barrierefreiheit erfüllen muss, da Barrierefreiheit bereits über den Stadttunnel gewährleistet ist.
Sollte die Planungsgruppe der DB erkennen, dass Barrierefreiheit nur durch Verbreiterung der Bahnsteige realisiert werden kann, müssten umfangreichere Änderungen am Gleisbild vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang könnte auch der Stadttunnel noch weiter in Richtung Brücke verschoben werden, wodurch der Zugang zur Tram sich weiter verbessern würde.
In der Grafik ist auch die Verlagerung der jetzigen Tram-Haltestelle südlich der Kreuzung Stadtring/Thiemstraße auf die Nordseite dieser Kreuzung sichtbar. Diese Verlagerung wird im Interesse kürzerer Wege zum Bahnhof vorgeschlagen.
In der Beratung der Arbeitsgruppe „Bahnhofsumfeld“ des Fahrgastbeirats vom 18. Mai 2010, an der als Vertreterin der DB auch die Managerin des Bahnhofs Cottbus, Frau Stuhr, teilnahm, hat ProTramCottbus beide Varianten nochmals vorgestellt. Die Reaktion seitens der DB war sehr ernüchternd: „An den bestehenden Plänen ist nicht zu rütteln.“ Einziger möglicher Diskussionspunkt sei die Verlagerung des Nordausgangs der Tunnelverlängerung.
Der Deutsche Bahnkundenverband erhielt auf Rückfrage allerdings eine andere Antwort: Gisbert Gahler vom Regionalbüro Kommunikation Berlin der DB AG teilte am 1. Juni 2010 per E-Mail mit: „Die Planung zum Vorhaben soll nächstes Jahr beginnen“. Somit besteht also noch die Möglichkeit, die Planung zu beeinflussen.
ProTramCottbus meint, dass bei Realisierung der aktuellen Vorhaben sowohl der Deutschen Bahn als auch der Stadt Cottbus ein schlechter Dienst erwiesen wird. Schließlich werden so die Probleme „Bessere Anbindung an den ÖPNV“, „Zweiteilung des Bahnhofs“ und „Sinnvoller Nordausgang“ nicht gelöst – von Visionen hinsichtlich einer möglichen Erweiterung des Güterbahnhofs mal ganz zu schweigen.
Schlimmer noch: Angesichts der geplanten Investitionssumme ist wohl davon auszugehen, dass die genannten Probleme quasi zementiert werden und die Cottbuser mit ihnen auch in den nächsten Jahrzehnten leben müssen!
Wahrscheinlich ist die geplante Investitionssumme für alle Maßnahmen nicht ausreichend. Deshalb sollten DB und Stadtverwaltung auf eine schrittweise Annäherung an den „Zielbahnhof 2020“ setzen. So ist es durchaus denkbar, dass bei Realisierung der Alternative 1 erst nur der neue Tunnel gebaut wird, mit allen Bedingungen für die Barrierefreiheit. Der Spreewaldtunnel könnte in der Übergangszeit im Bereich des Zugangs zu den Gleisen 11/12 wie bisher weiter betrieben werden bei Sperrung der übrigen Tunnel-Bereiche. Und wenn dann das Füllhorn mal wieder überläuft (oder im Rahmen eines weiteren Konjunkturprogramms), geht es an die Rekonstruktion des jetzigen Tunnels.
Obwohl die Kosten für den Bau der Wendeschleife bei Realisierung der Vorschläge von ProTramCottbus eingespart werden können, reicht die jetzt geplante Investitionssumme wahrscheinlich nicht für alle Maßnahmen. Deshalb sollten DB und Stadtverwaltung Cottbus auf eine schrittweise Annäherung an den „Zielbahnhof 2020“ setzen. Deshalb wird vorstehend auch von einer ersten und einer zweiten Bauphase gesprochen.
Initiative ProTramCottbus
aus SIGNAL 3/2010 (Juli 2010), Seite 19-20