Aktuell
2. Mär 2012
U-Bahn-Züge haben im Gegensatz zu Autos oder auch Bussen eine wesentlich längere Lebensdauer. Das ist gut und nachhaltig, doch es führt auch zu Problemen. So sorgt die rasante technische Entwicklung dafür, dass Teile nicht mehr aktuellen Standards entsprechen. Das trifft auch auf die Fahrgastinformation zu. Beispielsweise ist es heutzutage üblich, dass die nächsten Stationen angesagt und angezeigt werden. Die BVG-U-Bahnen, die älter als 20 Jahre sind, besitzen jedoch keine Stationsanzeige.
Im Unternehmensbereich hat man sich nun Gedanken darüber gemacht, wie die Fahrgastinformation zukünftig technisch umgesetzt werden könnte. Dazu wurde ein Zug der modernsten Baureihe H versuchsweise mit vielen Komponenten ausgestattet – erst einmal um zu sehen, was derzeit technisch möglich ist, und dann, um die Komponenten im Alltag zu erproben.
Die erste Änderung fällt gleich bei Einfahrt des Zuges auf. Die Front-Zugzielanzeiger, die bisher aus einem von hinten beleuchteten Rollband bestanden, wurden gegen moderne LED-Technik ausgetauscht. Die Anzeige ist sehr viel heller und auch bei Sonneneinstrahlung ausgesprochen gut zu erkennen. Die Liniennummer wird als das bekannte Liniensignet dargestellt und ist mit der
üblichen Kennfarbe hinterlegt.
Die LED-Frontanzeigen stellen in jeder Hinsicht eine Verbesserung gegenüber den derzeitigen Rollbändern dar, da jetzt auch jedes erdenkliche Ziel angezeigt werden kann. Davon müsste dann allerdings auch Gebrauch gemacht werden.
Auf der türlosen rechten Seite der Fahrerraumrückwand wurde ein neuer langgezogener Monitor hinter der Scheibe angebracht. Auf ihm wird die aktuell gefahrene Linie von oben nach unten als Perlschnur dargestellt. Die bereits angefahrenen Stationen sind grau hinterlegt, an der aktuellen Station befindet sich ein Pfeil, der in Fahrtrichtung zeigt. Der restliche Linienverlauf bis zum Fahrziel des Zuges wird in der Kennfarbe der Linie angezeigt. Bei verkürzten Fahrten ist bisher nicht erkennbar, dass die Linie eigentlich noch weiter führt und diese Fahrt vorher endet.
Links vom Linienband sind zudem Umsteigemöglichkeiten zu anderen Verkehrsmitteln (ohne Liniennummern) angegeben; rechts neben dem Stationsnamen ist erkennbar, ob ein Aufzug oder eine Rampe vorhanden ist. Defekte Aufzüge können derzeit noch nicht angezeigt werden.
Rechts vom Wagenübergang befindet sich ein weiterer Stretch-Monitor, welcher einen vergrößerten Ausschnitt der Perlschnur mit der vorhergehenden, der aktuellen und den nächsten vier Stationen anzeigt. Die Darstellung ist gegenüber den Monitoren an der Fahrerraumrückwand um 90 Grad gedreht und deutlich vergrößert. Zum Zeitpunkt der IGEB-Besichtigung wurde der Perlschnurausschnitt leider nur einheitlich auf allen Monitoren gleich von rechts nach links angezeigt. Die fahrtrichtungsselektive Anzeige soll aber möglich sein und auch umgesetzt werden.
Jeweils auf der anderen Seite des Wagenübergangs zeigt ein Monitor nach außen, so dass nun jeder Wagen eine seitliche Außenanzeige besitzt. Auf diesem werden derzeit Linie, Fahrziel und die nächsten Stationen analog zum Infomonitor (bisher Berliner Fenster) angezeigt. Perspektivisch will man dort auffällig auf abweichende Betriebssituationen, Pendelverkehr oder Baustellen hinweisen.
Netzbedingt ist diese Anzeige im Berliner Kleinprofilnetz wesentlich wichtiger, da dort nicht komplett linienrein gefahren wird und somit auch kurzfristig andere Linienverläufe möglich sind, beispielsweise eine U12.
Die kleinen Doppelmonitore, die derzeit Werbung des Berliner Fensters zeigen, wurden durch die aus den FLEXITY-Straßenbahnen bekannten Stretch-Monitore ersetzt. Diese zeigen Linie und Fahrziel an, auf der linken Seite die nächsten Stationen mit Umsteigebeziehungen und auf der rechten Seite ein verändertes Berliner-Fenster- Programm, das jetzt mit der Hälfte des ursprünglichen Platzes auskommen muss. Das hat für die Betreiber jedoch Vorteile, denn die Platzierung direkt neben der Fahrgastinformation ist wesentlich prominenter als auf Extra-Monitoren.
Bei der Ausstattung hat man komplett auf Standardprodukte gesetzt, was sich nicht nur positiv auf die Beschaffungskosten auswirkt, sondern auch auf den Wartungsaufwand. Die Geräte sind alle einzeln ansprechbar, da man diese mit einem Standardnetzwerk miteinander verbunden hat. Damit sind alle Komponenten einzeln austauschbar, und das ganze System lässt sich beliebig erweitern.
Der Probezug zeigt eine Vielzahl interessanter moderner Fahrgastinformationsmöglichkeiten, die allesamt positiv überzeugen. Bei der Art der Darstellung gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten, was bei einem Probezug aber nachvollziehbar ist. Von besonders vielen Seiten wurde der Wunsch deutlich gemacht, die bisherigen horizontalen seitlichen Klebeperlschnüre durch eine entsprechend breite digitale Anzeige zu ersetzen. Diese sollte dann den kompletten Linienweg darstellen und Richtung, aktuelle Station und bisher zurückgelegten Linienweg entsprechend der Perlschnur an der Fahrerraumrückwand oder der Verlaufsanzeige an den Wagenübergängen anzeigen.
Insgesamt stellt der Versuchszug aber bereits in der jetzigen Zusammenstellung eine sehr gute Art der modernen Fahrgastinformation dar und sollte unbedingt in ähnlicher Form auf die Flotte, insbesondere die älteren für eine längere Laufzeit ertüchtigten Fahrzeuge, ausgeweitet werden. Die zeitgemäßen Informationseinrichtungen sind außerordentlich zu begrüßen.
Zugleich setzt die BVG mit diesem Zug Maßstäbe für die Entwicklung und Beschaffung der ab 2017 benötigten neuen Züge für die Berliner S-Bahn.
Falls Schwierigkeiten bei der Finanzierung auftreten, so sollten für die Umsetzung dieser wesentlichen Verbesserungen in der Fahrgastinformation auch Mittel aus den einbehaltenen S-Bahn-Geldern herangezogen werden können.
Mit der modernen Anzeigetechnik, die komplett auf aktuelle Betriebssituationen reagieren kann, muss allerdings die derzeitige Beschilderungspolitik der BVG noch einmal überdacht und überarbeitet werden. Die ist derzeit nämlich eher auf starre Informationsmittel aus den 1990er Jahren zugeschnitten. (hm), (ge)
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 1/2012 (März 2012), Seite 4-5