Berlin • Brandenburg
Fast täglich gibt es auf der S 7 Ahrensfelde—Potsdam Verspätungen und zum Teil verkürzte Fahrten. Der Betrieb auf dieser Linie ist sehr instabil. Ebenso ist die S 5 Strausberg—Spandau sehr verspätungsanfällig, so dass abends der Umsteigeanschluss in Mahlsdorf allzu oft nicht klappt.
2. Mär 2012
Alltag: Die S 7 ist wieder mal 3 Minuten verspätet, der Anschluss zur S 1 in Wannsee klappt deshalb nicht. Oder die S 7 endet wegen kräftiger Verspätung bereits in Wannsee, Weiterfahrt nach Potsdam mit dem nächsten Zug. Tausende Fahrgäste zwischen Berlin und Potsdam wissen ein Lied davon zu singen. Fast täglich erreichen den
Fahrgastverband IGEB Beschwerden von S-Bahn-Fahrgästen zu diesem Thema. Seit Dezember 2011 hat die Klageflut nochmals deutlich zugenommen, da der parallele RE 1 nicht mehr zwischen Berlin-Zoo und Potsdam Hbf verkehrt.
Ebenso beschweren sich häufig Fahrgäste, dass abends die S 5 verspätet von der Stadtbahn in Mahlsdorf ankommt, so dass der Anschlusszug nach Strausberg nicht mehr erreicht wird. Das ist für Fahrgäste nach Strausberg Nord besonders ärgerlich, die dann 40 Minuten warten müssen.
Die Probleme sind dringlich anzugehen. Woran liegt es? Was kann man tun?
Die S 7 ist durch die Eingleisigkeit zwischen Wannsee und Griebnitzsee sehr störanfällig. Die Fahrzeit beträgt bei 80 km/h genau 5,0 Minuten, so dass im 10-Minuten-Takt kein Verspätungspuffer vorhanden ist. Ein von der Stadtbahn kommender verspäteter S 7-Zug gibt den eingleisigen Abschnitt damit erst verspätet frei, und der Gegenzug kann seine Fahrt in Griebnitzsee ebenfalls erst verspätet in den eingleisigen Abschnitt fortsetzen. Damit ist auch der nächste Zug Richtung Griebnitzsee wieder verspätet. Ein Abbau der Verspätung ist praktisch nicht möglich.
Dementsprechend verkehrt die S 7 häufig wenig fahrplantreu und wird bei sehr verspäteten Fahrten bereits in Grunewald oder Wannsee gekehrt.
Abends ist die S 5 planmäßig in Mahlsdorf gebrochen, um nicht mit 8-Wagen-Zügen bis nach Strausberg hinausfahren zu müssen. Die Gründe sind nachvollziehbar: überdimensionierte Zuglänge, Wagenkilometerund Energieeinsparung, Vandalismusgefahr, geringere gefühlte soziale Sicherheit. In Mahlsdorf besteht üblicherweise Anschluss an einen 4-Wagen-Zug nach Strausberg bzw. alle 40 Minuten nach Strausberg Nord. Da der Abschnitt auf weiten Teilen eingleisig ist, pflanzt sich die Verspätung von der Stadtbahn auf die Gegenrichtung fort. Ein pünktlicher Betrieb ist hier von großer Bedeutung.
Auf der Stadtbahn bestehen außerhalb der Hauptverkehrszeit (HVZ), also Mo-Fr 9-15 Uhr und 23-1 Uhr sowie Sa+So ganztägig, alle 20 Minuten fahrplanmäßige Lücken von 8 Minuten (Richtung Osten) bzw. 7 Minuten (Richtung Westen). Diese großen Lücken machen das System instabil, da durch die große Fahrgastnachfrage erhöhte Verspätungsgefahr besteht. Für den Fahrgast ist eine etwa gleichmäßige Vertaktung der sich auf der Stadtbahn überlagernden Linien wünschenswert, um lange Wartezeiten zu vermeiden.
Diese drei Probleme hängen zusammen. Es gibt mehrere Ansätze, sie zu entschärfen.
Die S 75 sollte täglich ganztägig im 10-Minuten-Takt als 6. Zuggruppe auf der Stadtbahn verkehren. Zurzeit bedienen die S 75-Verstärker in der HVZ die Relation Wartenberg—Westkreuz, außerhalb der HVZ und am Wochenende nur Wartenberg— Ostbahnhof. Die damit entstehende Takt-Lücke zwischen Ostbahnhof und Westkreuz ist die o. g. Fahrplanlücke auf der Stadtbahn. Durch den 10-Minuten-Takt der S 75 wird diese Lücke „gestopft“. Die der S 75 nachfolgenden Züge (Richtung Westen die S 7 nach Potsdam, Richtung Osten die S 5 nach Strausberg, jeweils in der Fahrt auf den eingleisigen Abschnitt zu) haben dann weniger Fahrgäste und werden damit stabiler. Die Züge verkehren überlagert in einem gleichmäßigeren Takt, der nicht größer als 5 Minuten ist.
Damit steigt die Wahrscheinlichkeit einer pünktlichen Betriebsdurchführung auf dem sensiblen eingleisigen Abschnitt Wannsee—Griebnitzsee deutlich. Gleiches gilt für die S 5 mit den Eingleisigkeiten Richtung Strausberg.
Diese Maßnahme ist ohne bauliche Veränderungen umsetzbar. Mit zunehmender Verfügbarkeit der Fahrzeuge ab März 2012 und von Fahrpersonalen ab voraussichtlich April 2012 könnte das realisiert werden. Die S 75-Verstärker als 6. Zuggruppe auf der Stadtbahn sind in der Bestellung des Landes Berlin bereits enthalten, werden wegen der Krisensituation aber seit langem nicht gefahren.
Durch Anpassung der Signale an dem eingleisigen Abschnitt Wannsee—Griebnitzsee können ca. 30 Sekunden gespart werden, so dass der Abschnitt nicht 5,0 Minuten sondern nur 4,5 Minuten pro Fahrt blockiert ist (bei 80 km/h Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs). Kleine Verspätungen können so abgebaut werden. Es ist kein zeitraubendes Planfeststellungsverfahren nötig, und seitens der Besteller ist keine Mehrleistung zu bezahlen. Diese Maßnahme kann DB Netz im eigenen Hause durchführen.
Die einfachste Maßnahme, eine Erhöhung der Fahrzeughöchstgeschwindigkeit auf die ursprünglichen 100 km/h, ist für die vorhandenen Fahrzeuge der Baureihe (BR) 481/482 nach Aussage des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) ausgeschlossen. BR 485 darf aus technischen Gründen nicht nach Potsdam fahren, von der BR 480 sind zu wenige Fahrzeuge vorhanden, um die S 7 komplett zu bestücken. Erst eine Neubaureihe (Lieferbeginn frühestens 2017) könnte wieder 100 km/h erreichen. Sie wird aber voraussichtlich zunächst nur auf dem Ring eingesetzt werden.
Zwischen dem Ausfahrsignal in Griebnitzsee Richtung Wannsee und dem Beginn der Eingleisigkeit liegen ca. 1000 Meter. Durch einen zusätzlichen Block zwischen dem Ausfahrsignal und dem Deckungssignal der Eingleisigkeit kann der Zug Richtung Wannsee bereits 500 Meter vorrücken, während sich der Gegenzug noch im eingleisigen Abschnitt befindet.
Ebenso verhält es sich mit der Gegenrichtung Wannsee—Griebnitzsee. Zwischen dem Ausfahrsignal in Wannsee Richtung Griebnitzsee und dem Beginn der Eingleisigkeit liegen ca. 700 Meter. Durch einen zusätzlichen Block zwischen dem Ausfahrsignal und dem Deckungssignal der Eingleisigkeit kann der Zug Richtung Griebnitzsee bereits 200 Meter vorrücken, während sich der Gegenzug noch im eingleisigen Abschnitt befindet.
Besonders wirkungsvoll, aber auch aufwändig und teuer wäre die Ausweitung der Zweigleisigkeit zwischen Wannsee und Griebnitzsee. Dazu kann das bestehende Prüfgleis parallel zur Strecke mitgenutzt werden. Das bestehende Streckengleis neben dem Bw liegt auf dem Planum des westlichen Gleises. Am Ende des Prüfgleises schwenkt das Streckengleis auf dessen östliche Seite, überquert den Teltowkanal auf einer eingleisigen Brücke vom Anfang der 1990er Jahre und wird ca. 1000 Meter vor dem Bahnhof Griebnitzsee wieder zweigleisig. Diese sparsame Infrastruktur rührt von dem schnellen Wiederaufbau direkt nach dem Mauerfall, als eine „provisorische“ Lösung bevorzugt wurde.
Das Prüfgleis im Bw-Gelände ist für den Bw-Betrieb unverzichtbar und kann hier nicht zum zweiten Streckengleis umfunktioniert werden. Aber südlich des Bw-Geländes kann das Prüfgleis auf ca. 1100 m Länge als Streckengleis dienen. Vom Ende des Prüfgleises bis zur neu zu errichtenden Teltowkanalbrücke sind 500 Meter Gleis neu zu bauen und entsprechend an das die Lage wechselnde bestehende Gleis anzuschließen bzw. umzubauen. Die Teltowkanalbrücke ist für einen zweiten Gleistrog neu zu errichten. Dabei ist abhängig von den ungeklärten Ausbauplänen des Teltowkanals (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17) die Länge der neuen Brücke zu beachten. Daran schließen sich ca. 200 Meter Gleisneubau bis zur vorhandenen Zweigleisigkeit an.
Somit verbleibt ein eingleisiger Abschnitt neben dem Bw mit ca. 1600 Metern Länge, der sogar einen 5-Minuten-Takt erlauben würde.
Der Vollständigkeit halber ist natürlich auch die komplette Zweigleisigkeit zwischen Wannsee und Griebnitzsee als Endzustand vorstellbar.
Ursprünglich ging das S-Bahn-Gleis Richtung Wannsee südlich des S-Bw Wannsee entlang, wurde aber nach dem Krieg abgebaut. Ein Wiederaufbau in dieser Lage wäre elegant, allerdings ist die Profilfreiheit neben dem (neuen) Bw-Hallengebäudes zu prüfen. Der Streckenbaus südlich des Bw entspricht Vorschlag 3a.
Sollte sich die S 5 nicht durch andere Maßnahmen stabilisieren lassen, so dass der Umsteigeanschluss in Mahlsdorf nicht gewährleistet werden kann, so ist dauerhaft auf das Brechen in Mahlsdorf zu verzichten. Es ist nicht zumutbar, dass den Fahrgästen durch den verpassten Anschluss 40 Minuten Wartezeit nach Strausberg Nord entstehen.
Die in letzter Zeit von DB Netz propagierten Baumaßnahmen zum zweigleisigen Ausbau des Streckenabschnitts Potsdam Hauptbahnhof—Babelsberg sind der beschriebenen Problemlösung wenig dienlich. Der die Pünktlichkeit bestimmende Abschnitt ist die lange eingleisige Strecke Wannsee—Griebnitzsee und nicht Potsdam Hauptbahnhof—Babelsberg. Letztere Zweigleisigkeit ist baulich relativ einfach herzustellen, da die Trasse bereits dafür vorbereitet ist (z. B. vorhandene Brückenbauten und Trassenfreihaltung). Betrieblich könnte dies eine Fahrtzeitersparnis bzw. Pufferzeitersparnis in Babelsberg von etwa einer Minute bedeuten.
Die Baumaßnahme ist sicher grundsätzlich zu begrüßen, die stabilisierende Wirkung bleibt aber auf den Abschnitt Potsdam Hauptbahnhof—Babelsberg beschränkt und ändert nichts an der unzureichenden Stabilität auf der Stadtbahn.
Unter Abwägung der Wirksamkeit und der Umsetzbarkeit bietet sich mittelfristig der Vorschlag 1 (S 75 füllt Stadtbahnlücke und stabilisiert S 5 und S 7) an, sobald sich die aktuell vorherrschenden Probleme mit dem Fahrzeug- und Fahrermangel etwas entspannt haben.
Die Lösung des Problems drängt, und eine bauliche Maßnahme ist nicht kurzfristig umsetzbar. Deshalb kann nur so der Betrieb schnell vstabilisiert werden, um den verärgerten Fahrgästen nach Potsdam und Strausberg eine Linderung zu verschaffen. (fm)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
aus SIGNAL 1/2012 (März 2012), Seite 17-18