Der Bahnhofsvorsteher informiert

Thalys – verwirrende Tarife


Berliner Fahrgastverband IGEB

2. Mai 2012

Thalys-Züge in Bruxelles-Midi. Die belgische Hauptstadt ist Sitz der Bahngesellschaft „ Thalys International“. Foto: BfVst
1. Klasse im Thalys. Auf bestimmten Strecken sind einzelne Tarifangebote in der 1. Klasse günstiger als in der 2. Klasse. Foto: BfVst

Die Bahngesellschaft „Thalys International“ ist ein Anbieter von Fernverkehr zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden mit dem Hochgeschwindigkeitszug Thalys. Seit 1996 besteht diese Kooperation zuletzt aus französischer SNCF, belgischer SNCB und Deutscher Bahn (DB AG). Am 2. Februar 2012 gab die DB AG aber bekannt, dass sie sich aus der Kooperation zurückziehen und ihren Anteil von 10 Prozent abgeben wird. Zurzeit halten die Franzosen 62 und die Belgier 28 Prozent. Die Anerkennung von regulären DB-Fahrscheinen wurde daraufhin aufgekündigt, und zum 11. März änderte Thalys die Tarife umfassend. Nachfolgend werden wir die Modalitäten bei den für Deutschland relevanten internationalen Verbindungen Ruhrgebiet/Köln— Brüssel—Paris und bei der Nutzung des Thalys innerhalb Deutschlands betrachten.

1. Vom Rhein an den Charleroi-Canal und die Seine – Thalys international

Der Thalys ist ein reservierungspflichtiger Globalpreiszug. Mit der Verwendung vom Betreiber festgelegter Tarifcodes wird bei der Buchung der Reservierung gleich ein bestimmter Fahrpreis zugeteilt. Die Reservierung ist also gleichzeitig die Fahrkarte, die in den meisten Fällen nur für den gebuchten Zug gilt. Eine reguläre flexible internationale Fahrkarte, wie sie z. B. beim ICE nach Brüssel üblich ist, wird (auch mit Extra-Reservierung) im Thalys nicht anerkannt. Die Ausnahme von der Regel: Wer eine Rundreise durch Frankreich bzw. Teile Europas macht und dabei eines der internationalen Passangebote nutzt, der braucht nur einen Aufpreis zahlen (Reservierung mit Zuschlag). Pässe sind Pauschalangebote der Europäischen Bahnen, bei denen man in einer festgelegten Zeitspanne

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die gewünschten Reisetage frei auswählen kann, auf dem Beleg selbst einträgt und an den Tagen kreuz und quer durch das Gebiet fahren kann, für das der Pass gilt. Ein Beispiel: der InterRail-Global- Pass für alle beteiligten Länder (außer dem eigenen Heimatland). Für reservierungspflichtige Züge fallen dann nur die Reservierungsaufpreise und ggf. Zuschläge an.

Bei den Globalpreistarifen gibt es eine verwirrende Vielzahl an Preisen. Das resultiert aus verschiedenen Angeboten mit unterschiedlichen Konditionen und teilweise mehreren Preisstufen pro Angebot. Einige wurden am 10. März 2012 eingestellt, andere ab 11. März mit abgewandelten Konditionen neu aufgenommen. Eine Vielzahl vergleichbarer Reisepreise sind dabei teurer, einzelne – sogar streckenabhängig – günstiger geworden.

Beim Anschlusstarif „Connexion“ nach Brüssel für Reisende zum EuroStar nach London fiel die günstige der zwei Preisstufen (ab Köln z. B. 2. Klasse für 19 Euro) komplett weg. Heute kostet das Angebot 42 Euro!

Allgemein lässt die Thalys-Preispolitik jedoch an Verständlichkeit zu wünschen übrig. So kann es bei einzelnen Angeboten vorkommen, dass streckenabhängig der 1.-Klasse-Preis für das gleiche Angebot in der gleichen Tarifstufe annähernd gleich hoch oder sogar etwas günstiger als der 2.-Klasse- Preis ist. So kostet das Angebot „Semi-Flex“ mit einer ganz bestimmten Tarifstufe zwischen Düsseldorf und Paris 92 Euro in der 2. Klasse und 87 Euro in der 1. Klasse (Stand – ohne Scherz – 1. April 2012).

Geduld zahlt sich aus
Es lohnt sich also, etwas Zeit zu veranschlagen und von einem versierten Verkäufer alles „durchtesten“ zu lassen. Doch selbst für diese ist die Thalys-Tarifvielfalt eine micht alltägliche Herausforderung. Allein die Kinder haben in Abhängigkeit von den Angeboten für die Erwachsenen schon 25 verschiedene Codierungen. Haben Sie also bitte Verständnis, wenn es am Fahrkartenschalter mal wieder länger dauert …

Genauso differenziert wie die Preise sind die zu berücksichtigenden zugehörigen Tarifbestimmungen. Diese definieren, wer unter welchen Voraussetzungen ein bestimmtes Angebot buchen, umbuchen oder stornieren darf. Für das günstige Angebot „No-Flex“ beispielsweise für Köln—Paris 2. Klasse gibt es vier verschiedene Preisstufen, die unterschiedliche Buchungsschlussfristen haben. Die günstigste Stufe (35 Euro) muss spätestens 30 Tage vor dem Reisetag gebucht werden, die zweite Stufe (45 Euro) 10 Tage, die dritte Stufe (59 Euro) 5 Tage und die höchste Stufe (69 Euro) 2 Tage zuvor. Auch gibt es altersabhängige Senior- und Junior-Tarife, die bis zu 50 Prozent günstiger sein können, als der meistverfügbare höchste „Semi-Flex“-Tarif (119 Euro).

Die Verteilung der Kontingente über alle Zugverbindungen ist recht unterschiedlich. So sind zum Beispiel morgens und abends montags bis freitags mehr Geschäftsreisende unterwegs, weshalb die günstigen Tarife für die Privatreisenden in diesen Zeiten entsprechend rarer sind. Als Faustregel kann man davon ausgehen: je günstiger die Preisstufe, desto geringer ihre Verfügbarkeit.

Haben Sie dennoch ein günstiges Angebot bekommen, lassen Sie sich auf alle Fälle die Voraussetzungen für Kauf, Umtausch und Storno noch einmal ausführlich erklären, um sicher zu sein, dass Sie die Voraussetzungen erfüllen. Beachten sie dabei auch, wie flexibel Sie bleiben wollen.

Flexibilität wird bei Thalys eher klein geschrieben. Die Globalpreise gelten nur für den gebuchten Zug. Einzige Ausnahme ist für „normale“ Reisende der „Flex“-Tarif, der ausschließlich in der 1. Klasse erhältlich ist und mit dem man auch den nächsten früheren bzw. späteren Zug – jedoch ohne Sitzplatz- & Cateringanspruch – nutzen kann. Besser gestellt sind nur Geschäftskunden des Corporate-Programms.

Zwar kann man bei vielen Angeboten einmal kostenlos umtauschen, bei einigen aber auch nicht und bei wenigen unbegrenzt – natürlich nur solange noch Plätze frei sind. Hierbei gibt es Fristen: entweder bis 1 Tag vor dem Abfahrtstag (bei Gruppen sogar nur bis 21 Tage vor der Abfahrt) oder bis 1 Stunde nach der planmäßigen Abfahrt des Zuges.

Ähnlich sieht es bei den Storno-Bedingungen aus. So kann man angebotsabhängig bis 1 Stunde nach Abfahrt 50 bis 100 Prozent des Fahrpreises zurückbekommen, nach Ablauf der Frist 50 bis 0 Prozent. Es gibt aber auch Angebote (z. B. No-Flex), bei denen es grundsätzlich keine Erstattung gibt.

Toute-Gare-Belge (TGB) und die tarifliche Gleichstellung von Bahnhöfen
Das „Toute-Gare-Belge“ („Alle belgischen Bahnhöfe“) ist ein spezielles Ergänzungsangebot, bei dem man für einen geringfügig höheren Fahrpreis (tarif- und streckenabhängig 7 bis 10 Euro) seine Reise nach dem Erreichen der Thalys-Ausstiegsbahnhöfe in Brüssel oder Liège zu allen belgischen Bahnhöfen mit anderen Zügen fortsetzen kann, ohne dafür eine Extrafahrkarte kaufen zu müssen. Auch gilt dies für Reservierungen aus Belgien heraus für Zugverbindungen von allen belgischen Bahnhöfen zum Abfahrtsbahnhof des gebuchten Thalys.

Nicht erforderlich ist das Ergänzungsangebot zu Bahnhöfen in Brüssel und in Liège. Hier greift eine sogenannte tarifliche Gleichstellung. Kommt man zum Beispiel mit seinem Thalys in Brüssel-Midi an, so kann man mit anderen Zügen nach Brüssel Central, Nord, Schumann und Bahnhof Luxemburg weiterfahren – ohne TGB-Tarif oder Extra- Fahrkarte. Solche Gleichstellungen gibt es auch in Rotterdam, Den Haag, Amsterdam, Utrecht und Antwerpen. Das TGB ist nicht zu allen Angeboten erhältlich und kann auch nicht nachträglich erworben werden.

Mobilitätseingeschränkte Reisende
Im normalen DB-Fernverkehr in Deutschland haben schwerbehinderte Menschen die Möglichkeit, bei amtlich nachgewiesenem Erfordernis eine kostenlose Begleitperson mitzunehmen. Bei Thalys ist das nicht so. Dafür gibt es aber für Blinde und für Rollstuhlfahrer und je einen Begleiter günstige Tarife. Sie reisen für einen Festpreis pro Person von 19 Euro nach Brüssel oder 35 Euro nach Paris. Schwerbehinderte, die nicht Rollstuhlfahrer oder Blinde sind, sowie deren Begleiter haben keine gesonderte Vergünstigung.

Wenn es mal später wird
Auch für die Thalys-Züge gelten die Europäischen Passagierrechte. Ist man im Besitz einer gültigen Globalpreiskarte für den betroffenen Zug, bekommt man bei mindestens 60 Minuten Verspätung ein Viertel und bei über 120 Minuten die Hälfte des Fahrpreises als Barauszahlung erstattet. Entscheidet sich der Betroffene gegen Bargeld und für einen Gutschein, der binnen eines Jahres für eine andere Thalys-Reise zu verwenden ist, dann zeigt sich Thalys sogar spendabler und verdoppelt den Erstattungbetrag. Außerdem gibt es schon für 30 Minuten Verspätung eine Erstattung in Höhe von 20 Prozent des Fahrpreises als Gutschein.

2. Eine Kurzstrecke in Deutschland – Thalys regional

Den Thalys kann man auch innerhalb von Nordrhein-Westfalen nutzen, ohne in fremde Lande zu reisen. Dabei werden die Relationen Aachen— Köln und Aachen— Düsseldorf— Duisburg—Essen auch nur mit Globalpreisreservierungen zum Flex (1. Klasse), Semi- Flex (2. Klasse) oder Rollstuhl-/ Blinden-/Begleiter- Preis tarifiert!

Aachen—Köln
Hier reichte bisher eine normale DB-Fahrkarte der Produktklasse A (für ICE) aus. Damit ist seit 28. März Schluss. Inhabern von ICE-Zeitkarten, Bahn- Card100 und Abgeordnetensonderfahrkarten wird eine Mitfahrt im Barwagen (Stehplätze) oder im Wagen 28 (2. Klasse) ohne Sitzplatzanspruch gewährt. In den anderen Wagen darf man sich ohne passende Reservierung nicht aufhalten.

Aachen—Essen
Auch hier werden keine regulären DB-Fahrscheine anerkannt. Vor Fahrtantritt muss im Reisezentrum eine Globalpreisreservierung erworben werden. Je nach Strecke und Klasse kostet diese zwischen 10 und 22 Euro. Auf die reine Zugfahrt gesehen ist das mitunter günstiger, als eine Normalpreisfahrkarte für ICE oder Regionalzug (2.-Klasse-Beispiele siehe Tabelle). Ein Vergleich lohnt sich also! Ermäßigungen und Sonderangebote sucht man hier im Thalys jedoch vergebens. Verfügt man über eine Bahncard (25 bzw. 50 Prozent Rabatt auf DB-Preis), dann sind auf kurzen Distanzen die regulären DB-Züge günstiger.

3. Tipps für die Reise Das Gepäck

Wer gern seinen ganzen Hausstand mit auf Reisen nimmt, hat beim Thalys schlechte Karten, denn maximal ein Handgepäckstück, das direkt beim Reisenden verbleibt, sowie zwei weitere Gepäckstücke (handelsübliche Koffer/Taschen) sind pro Reisendem erlaubt. An Stelle eines Koffers kann auch ein Fahrrad kostenfrei mitgenommen werden, wenn es zusammengeklappt in einer Fahrradtasche (maximal 120 × 90 cm) im Gepäckfach am Wagenende verstaut wird. Alle Gepäckstücke müssen – aus Sicherheitsgründen – zwingend mit einem Gepäckanhänger versehen werden, auf dem mindestens der Vor- und Nachname sowie Wagen und Platznummer notiert sind.

Pünktlich sein!
Die Abfertigung des Thalys beginnt bereits zwei Minuten vor Abfahrt des Zuges. Dann werden die Türen geschlossen, und ein Zustieg in den Zug ist nicht mehr möglich.

Vom Thalys in die ganze Welt
Wer gerne auch im Zug mit der weiten Welt verbunden bleiben möchte, hat die Möglichkeit, in den mit entsprechenden Aufklebern versehenen Wagen im Internet zu surfen. In der 1. Klasse ist der Service für alle kostenfrei, in der 2. Klasse nur für Reisende mit dem teuersten Semi-Flex sowie Geschäftskunden. Alle anderen können sich für 6,50 Euro (1 Stunde) oder 13,00 Euro für die gesamte Fahrt im Barwagen den Zugang erkaufen. Die Firmenseiten von Thalys und TGV sind immer frei. Geländeabhängig kann es zu Verbindungsabbrüchen kommen. Nach Thalys-Angaben wirkt man dem aber entgegen, indem man wohl viel Geld in UMTS-Karten und Satellitenverbindungen investiert hat.

Wie weiter am Ziel?
Damit man nicht sinnbildlich im Regen steht, wenn man seinen Zielbahnhof erreicht, kann man beim Zugpersonal ein Taxi bestellen oder für einige Städte eine Fahrkarte für den ÖPNV kaufen. Positiv ist die Anerkennung von Thalys-Fahrkarten mit dem Start oder Ziel in Köln für eine Anschlussfahrt im Stadtgebiet (Preisstufe 1b) sowie zum Flughafen Köln/Bonn. Eine ähnliche Kooperation mit dem Aachener Verkehrsverbund ist bedauerlicherweise aufgekündigt worden.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 2/2012 (Mai 2012), Seite 24-25