Berlin
Volksbegehren für ein „Gesetz zur Beendigung des Chaos bei der Berliner S-Bahn“ gestartet
17. Aug 2011
Zehntausende Berliner und Brandenburger Fahrgäste sind täglich von den einstigen Fehlentscheidungen des DB-Konzerns und der ehemaligen S-Bahn-Geschäftsführer betroffen. Noch immer gilt ein „Notfahrplan“, der der deutschen Hauptstadt weniger und oft kürzere Züge beschert, als Berlin und Brandenburg bestellt haben. Deshalb sammelt jetzt der im März 2011 gegründete „Berliner S-Bahn-Tisch“, eine Initiative von 17 Organisationen, Unterschriften im Rahmen eines Volksbegehrens für ein „Gesetz zur Beendigung des Chaos bei der Berliner S-Bahn“. Der DBV-Landesverband begrüßt das Engagement für die Berliner S-Bahn, hat sich aber dennoch entschieden, sich an der Initiative nicht zu beteiligen und die Unterschriftensammlung nicht zu unterstützen.
Es ist verständlich, wenn engagierte Bürger sich des Themas annehmen und sich Gedanken machen, wie das Problem gelöst werden kann. Ist es aber wahrscheinlich, dass durch die Verabschiedung eines Gesetzes das Chaos wirklich beendet wird? Zweifel sind angebracht. Denn die Forderungen des S-Bahn-Tisches klingen in ihrer Gesamtheit wie ein „früher war alles besser“ und nach Rückkehr zur Staatsbahn. Einige der Forderungen können auch vom DBV unterschrieben werden. In erster Linie handelt es sich um die Offenlegung der Verkehrsverträge, die immer noch wie ein Staatsgeheimnis behandelt werden. Ebenso wird die Forderung nach Personalpräsenz auf den Bahnhöfen vom DBV grundsätzlich unterstützt.
Irritierend ist, dass der Berliner S-Bahn- Tisch durch eine große Gewerkschaft nicht unwesentlich geprägt wird. Die Eisenbahn- Verkehrsgewerkschaft EVG ist mit drei regionalen Gliederungen als Unterstützer vertreten: Ortsverwaltung Berlin, Bezirksvorstand Nord-Ost und Vertrauensleute bei der S-Bahn. An sich nichts Verwerfliches, sind Gewerkschaften doch ein unverzichtbarer Teil der demokratischen Landschaft. Im Falle des S-Bahn-Tisches zielen die Forderungen des Volksbegehrens jedoch auch gegen die Gewerkschaft. Denn die ist mit mehreren Vertretern im Aufsichtsrat der DB Mobility Logistics und DB Regio vertreten. Sie haben damit direkten Einfluss auf die Geschäftspolitik des Gesamtunternehmens gegenüber den Töchtern und damit auch auf die Geschäftspolitik gegenüber der S-Bahn Berlin GmbH. Was haben die Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsräten der DB-Holding und der DB-Töchter getan (und was tun sie), um die „Zerschlagung“ und das Kaputtsparen der S-Bahn Berlin GmbH zu verhindern?
Im Aufsichtsrat der DB Mobility Logistics AG sind mit Sitz und Stimme vertreten:
Aufgabe des Aufsichtsrates ist es, die jeweilige Geschäftsführung zu kontrollieren. Im Falle der S-Bahn Berlin hat es frühzeitig vor dem Chaos warnende Stimmen gegeben. Sie sind alle ungehört geblieben. Wo waren die in die Aufsichtsräte entsandten Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter, als der Personalabbau in dem Unternehmen beschlossen, als hunderte fahrfähiger Wagen verschrottet, Werkstätten geschlossen und die Gewinnabführung erhöht wurde?
Statt der Rückkehr zu einem Eisenbahn- Staatsunternehmen (was nach EU-Recht unmöglich ist), befürwortet der DBV-Landesverband die Stärkung der Verantwortlichkeiten der Landespolitik. Die Vorgänge bei der S-Bahn Berlin GmbH haben gezeigt, dass die zwischen dem Verkehrsunternehmen (als Ersteller der Verkehrsleistungen) und dem Verkehrsverbund (für die beiden Länder Berlin und Brandenburg als Besteller auftretend) abgeschlossenen Verträge nicht wirksam genug sind. Kein Unternehmen, egal wie es heißt und zu welchem Konzern es gehört, darf es sich leisten, dauerhaft und wissentlich gegen geschlossene Verträge zu verstoßen. Hier müssen noch strengere Malusregelungen greifen, die dem verletzenden Unternehmen „richtig wehtun“. Durch Veröffentlichung der zukünftigen Verkehrsverträge ist eine öffentliche Transparenz herzustellen, die auch eine breite Diskussion erlaubt.
Früher war nicht alles besser, die Probleme waren andere. Deshalb müssen heute auch die Lösungen andere sein.
DBV Berlin-Brandenburg
aus SIGNAL 3/2011 (August 2011), Seite 11