International

Fahrgastrechte in europäischer Dimension


Berliner Fahrgastverband IGEB

1. Jun 2011

Unter dem Motto „Connecting People“ fand im März die diesjährige Jahrestagung des Europäischen Fahrgastverbands (EPF) in Barcelona statt. In bewährter Manier bot das Programm den Teilnehmern Gelegenheit, sowohl einige Einblicke in das Geschehen vor Ort zu gewinnen als auch Themen von größerer Reichweite zu diskutieren.

Barcelona ist von der Einwohnerzahl mit Berlin vergleichbar, aber in weiten Teilen dichter bebaut. In den Stadterweiterungen der Neuzeit prägt ein engmaschiges, rechtwinkliges Straßenraster mit zahlreichen Einbahnregelungen das Bild und sorgt für besondere Schwierigkeiten im Straßen- und auch Busverkehr. Die hohe Kfz-Dichte ist daher problematisch, selbst wenn in der Stadt das Auto nach dem nichtmotorisierten Verkehr (Fuß, Rad) und dem öffentlichen Verkehr erst den dritten Platz der Wegeanteile einnimmt.

Barcelona hat in der jüngeren Vergangenheit den ÖV und zuletzt auch den Fahrradverkehr stark ausgebaut, wovon sich die Tagungsteilnehmer auf einer Exkursion überzeugen konnten. Nach weitgehender Abschaffung in den 1970er Jahren entstanden 2004 gleich zwei Straßenbahnsysteme neu, die östlich und westlich des Zentrums in die Vororte verkehren. Der weitere Ausbau dieses Verkehrsträgers scheint allerdings zum Stillstand gekommen zu sein, nachdem 2009 bei einem Referendum eine große Mehrheit dafür stimmte, den Straßenzug Diagonal in seiner bisherigen Form zu belassen, so dass die Umgestaltung mit Verbindung der beiden Tramnetze blockiert wurde. Der Metroausbau geht indes weiter, und auch für das Bussystem wurde auf der Tagung ein radikaler Reformvorschlag vorgestellt, der bei Verbesserung der Beförderungsqualität durch Konzentration auf wenige Hauptrouten (im 3-Minuten-Takt!) zwei Drittel der Fahrzeuge einsparen soll. Allerdings wurde dieses Konzept noch nicht dem „Test“ einer öffentlichen Debatte ausgesetzt.

Im „europäischen“ Teil des Programms diskutierten Meglena Kuneva (frühere EUKommissarin für Verbraucherschutz) und Veronica Manfredi (EU-Kommission) zu den Themen Fahrgastrechte, Information, Vertriebssysteme und Rechtsrahmen des Schienenverkehrs (Stichwort: Reform des 1. Eisenbahnpakets). Sie erkannten an, dass die Umsetzung und Bekanntheit der Fahrgastrechte in verschiedenen Ländern noch ebenso verbesserungsbedürftig ist wie die Arbeitsweisen der Durchsetzungsstellen. Zahlreiche Publikumsbeiträge machten deutlich, dass das „Reisen ohne Grenzen“ trotz (oder wegen?) moderner Technik noch zahlreiche Hindernisse für die Fahrgäste bereithält. Die EU-Kommission bereitet hier unter anderem Maßnahmen für eine Integration der Vertriebs- und Informationssysteme vor. Der Handlungsbedarf wurde auch vor Ort deutlich: die spanische Bahn trennt ihren Nah- und Fernverkehr streng voneinander und ist nicht willens oder in der Lage, auf ihrer Homepage Fahrpläne für Umsteigeverbindungen bereitzustellen. (MS)

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 2/2011 (Juni 2011), Seite 23-24