Brandenburg

Ein Jahr Komplettsperrung

Königs Wusterhausen—Lübbenau auf der Strecke Berlin—Görlitz wird für 160 km/h ausgebaut


Deutscher Bahnkunden-Verband

16. Jul 2010

Bahnhof Bestensee an der Strecke Berlin—Cottbus am 3. Mai 2010. Ein Sonderzug brachte die Gäste aus Potsdam und Berlin zum feierlichen Spatenstich für den Ausbau des Streckenabschnitts Königs Wusterhausen—Lübbenau. Der Wermutstropfen: Trotz EU-Osterweiterung und der internationalen Bedeutung der Strecke ist noch immer unklar, ob bzw. wann der Ausbau des Abschnitts Cottbus—Görlitz bis zur deutsch-polnischen Grenze folgen wird. Foto: Christian Schultz

Nachdem das Land Brandenburg von Bund und Bahn jahrelang hingehalten wurde, erfolgte am 3. Mai 2010 im Bahnhof Bestensee endlich der feierliche Spatenstich für den Ausbau des rund 60 km langen zweigleisigen Abschnitts Königs Wusterhausen—Lübbenau der Ausbaustrecke Berlin—Cottbus. Damit begann zugleich eine Komplettsperrung der Strecke bis Ende April 2011. Während der Ausbau dieses Streckenabschnitts dank der Vorfinanzierung der Planung durch das Land Brandenburg und dank der Investitionsmittel aus den Konjunkturprogrammen des Bundes gesichert ist, bleibt die Realisierung des Abschnitts Cottbus— Görlitz ungewiss.

Rund 130 Millionen Euro fließen in den Ausbau des Streckenabschnitts Königs Wusterhausen—Lübbenau, auf dem anschließend eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h möglich ist. Der Umfang der Bauarbeiten umfasst

Ein Erfolg des Landes Brandenburg

An der Vorfinanzierung der Planungskosten für den Ausbau hatte der damalige Brandenburger Verkehrsminister und heutige Bürgermeister der Stadt Cottbus, Frank Szymanski, maßgeblichen Anteil. Ohne diese Maßnahme wäre eine derart kurzfristige Realisierung über die Konjunkturprogramme – dieses ein Verdienst vor allem von Szymanskis Nachfolger Reinhold Dellmann – nicht realisierbar gewesen. Die Inanspruchnahme der Konjunkturmittel, welche bis Ende 2011 verbaut sein müssen, bedingt allerdings auch die Komplettsperrung. Beim „Bauen unter dem rollenden Rad“ wäre das nicht zu schaffen gewesen.

Leider ist diese Bahnstrecke die einzige in Brandenburg, deren Infrastrukturqualität mittels der Konjunkturprogramme umfassend verbessert wird.

Die Streckensperrung hat natürlich weitreichende Auswirkungen auf das Zugangebot. Die Regionalexpresslinie RE 2 beginnt und endet in Königs Wusterhausen, die Regionalbahnlinie RB 14 bereits in Berlin- Schönefeld Flughafen. Im Süden werden der Abschnitt Lübbenau—Cottbus (RE 2) und die Strecke Lübbenau—Senftenberg(—Hoyerswerda) bedient (RB 14). Zwischen Berlin Hbf und Cottbus verkehrt eine zweistündliche RE 2-Umleiterlinie mit Zwischenhalten lediglich in Berlin Potsdamer Platz, Berlin Südkreuz und Calau. Zur Hauptverkehrszeit erfolgt die Verdichtung des Zugangebots. Für die Bedienung der durch die Streckensperrung betroffenen Stationen wurden insgesamt fünf verschiedene Buslinien als Ersatzverkehre eingerichtet (siehe nachfolgenden Artikel auf Seite 18). Auch die beiden Fernzugpaare EC 340/341 „Wawel“ und IC 2131/2132 werden zwischen Berlin und Cottbus über Calau umgeleitet.

Bereits 2008 konnte der – allerdings lediglich eingleisige – Ausbau des Abschnitts Lübbenau—Cottbus abgeschlossen werden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt hier bereits 160 km/h.

Im Zeitraum von Ende April 2011 bis zum 29. Mai 2011 werden dann die Fernbahngleise im Abschnitt Königs Wusterhausen— Berlin-Grünau gesperrt. Auch hier muss u. a. eine Moorstelle beseitigt werden. Ab Ende Mai 2011 ist die Strecke Berlin—Cottbus dann wieder durchgehend befahrbar, ab Dezember 2011 schließlich auch mit 160 km/h. Die Fahrzeit des RE 2 zwischen Berlin-Ostbahnhof und Cottbus wird dann spürbar von 90 auf rund 70 Minuten reduziert.

Ausbau Cottbus—Görlitz „vergessen“?

Bahnhof Groß Köris an der Strecke Berlin—Cottbus. Über die Konjunkturprogramme werden auch die Stationen zwischen Königs Wusterhausen und Lübbenau modernisiert und mit verbesserter Reisendeninformation ausgestattet. Foto: Christian Schultz

Völlig ungewiss ist dagegen, wann sowohl der zweigleisige Ausbau des 30 km langen Abschnitts Lübbenau—Cottbus als auch der Ausbau mit Elektrifizierung des 93 km langen Abschnitts Cottbus—Görlitz erfolgen werden. Diese Teilprojekte sind zwar angesichts der EU-Osterweiterung in den Vordringlichen Bedarf im aktuellen Bundesverkehrswegeplan eingestuft, aber noch immer fehlen die notwendigen Finanzierungsvereinbarungen. Das gilt auch für die 53 km lange Ausbaustrecke Hoyerswerda— Horka—Grenze Deutschland/Polen, die ebenfalls zweigleisig und elektrifiziert werden soll.

Beim Personen- und mehr noch beim Güterverkehr sind durch diese Projekte aufgrund der höheren Streckenkapazität und der Verkürzung der Transportzeiten Verkehrsverlagerungen von der Straße auf die Schiene zu erwarten. Deshalb müssten diese Ausbauprojekte angesichts der großen Verkehrs- und Umweltbelastungen des Lkw-Verkehrs eigentlich einen hohen verkehrspolitischen Stellenwert haben.

EuroCity-Verbindungen endlich beschleunigen!

Nicht zuletzt ist der weitere Ausbau notwendig, um einerseits die Stadt Görlitz ohne zeitaufwändige, teure Lokwechsel wieder in das Fernverkehrssystem einzubinden und andererseits das Fernverkehrsangebot in der Relation Berlin—Cottbus—Wrocław (Breslau) ausbauen bzw. deutlich beschleunigen zu können.

Dass die Züge sehr viel schneller sein könnten, zeigt ein Blick auf den Fahrplan vom Mai 1939. Für die Strecke Berlin-Zoologischer Garten—Breslau Hbf benötigten die Fernschnelltriebwagen damals 2 Stunden 55 Minuten. Demgegenüber ist der EC 340 „Wawel“ (Hamburg-Altona—Kraków Głowny) zwischen Berlin Hbf und Wrocław Głowny 5 Stunden 37 Minuten unterwegs. Aktuell sind es durch die Umleitung noch sechs Minuten mehr. Zugleich beträgt die Fahrzeit von BerlinLinienBus auf dieser Strecke ab Berlin ZOB nur 4 Stunden 50 Minuten. Es verwundert daher nicht, dass der Fortbestand des Zugpaares EC 340/341 in der heutigen Form gefährdet ist. Deshalb besteht dringender Handlungsbedarf!

Bei Führung der EuroCity-Züge in der Relation Berlin—Wrocław über Horka— Węgliniec könnten die überlangen Fahrzeiten bereits kurzfristig deutlich reduziert bzw. mit zeitnaher Realisierung benannter Infrastrukturmaßnahmen kontinuierlich weiter verbessert werden. Bei Führung über Görlitz würde zudem zusätzliches Reisendenpotenzial erschlossen. Das gilt auch für die direkte Anbindung des Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI).

Unverständlich ist, dass in dieser Relation die Chancen für erhebliche qualitative Verbesserungen im Reise- und Güterverkehr nicht oder nur eingeschränkt umgesetzt werden. Die gesamten Investitionskosten betragen für die Ausbaustrecke Berlin—Görlitz ca. 238 Millionen Euro, für die Ausbaustrecke Hoyerswerda—Horka—Grenze D/PL rund 163 Millionen Euro. Damit erreichen die Kosten bei weitem nicht das Niveau eines fragwürdigen Prestigeprojekts wie „Stuttgart 21“, für dessen Umsetzung knapp 5 Milliarden Euro eingeplant sind bzw. die Finanzierungsvereinbarung bereits abgeschlossen wurde. Und der Nutzen für die Bahnkunden ist bei „Stuttgart 21“ leider nur gering.

Deutscher Bahnkunden-Verband

aus SIGNAL 3/2010 (Juli 2010), Seite 17-18