Aktuell
Aber Fernverkehr Deutschland—Polen am Tiefpunkt
3. Jul 2012
Seit dem 6. Juni 2012 bietet die Deutsche Bahn in Kooperation mit der polnischen PKP Intercity die seit längerem angekündigte, täglich verkehrende Direktverbindung Berlin— Poznań (Posen)—Bydgoszcz (Bromberg)— Gdańsk (Danzig)—Gdynia (Gdingen) an. Anlass für den Start gerade an diesem Tag abseits aller anderen Fahrplanwechsel war die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine, die am 8. Juni begann.
Unverständlich: Obwohl dieses Zugpaar – ähnlich wie der Berlin-Warszawa-Express – in Berlin eingesetzt wird bzw. hier endet, gibt es leider keinen Halt im Bahnhof Berlin Zoologischer Garten, obwohl die Züge den Bahnhof auf ihrem Weg von und zur Abstellanlage in Grunewald durchfahren.
Neben der 1. und 2. Wagenklasse steht den Fahrgästen auch ein Restaurantwagen zur Verfügung. Das neue Zugpaar ist reservierungspflichtig, bei gleichzeitigem Fahrkartenkauf fallen dafür jedoch keine zusätzlichen Kosten an.
Die Feier anlässlich der Premierenfahrt mit viel Prominenz (zu den Gästen zählten Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, Polens Verkehrsminister Sławomir Nowak, der DB-Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube und der Vorstandsvorsitzende der PKP Intercity Janusz Malinowski) kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zusammenarbeit im grenzüberschreitenden Verkehr keineswegs so erfolgreich ist, wie es in der aus diesem Anlass veröffentlichten Pressemitteilung dargestellt wurde.
Verschwiegen wurde, dass das täglich verkehrende Zugpaar EC 178/179 im Abschnitt Berlin—Szczecin (Stettin) ebenfalls seit dem 6. Juni 2012 ersatzlos entfallen ist bzw. auf den Laufweg Berlin—Prag reduziert wurde. Mit dem InterRegio „Mare Balticum“ hat es dagegen bis
zum Fahrplanwechsel am 28. Mai 2000 bereits die u. a. touristisch interessante Verbindung Berlin—Szczecin—Koszalin (Köslin)—Gdańsk—Olsztyn (Allenstein) bzw. in den Sommermonaten durchgehend ab/bis Ełk (Lyck) gegeben.
Die Liste der Angebotsreduzierungen lässt sich leider noch fortsetzen: Die zum Fahrplanwechsel im Dezember 2008 eröffnete Nachtzugverbindung D 448/449 „Stanislaw Moniuszko“ Berlin-Lichtenberg—Warszawa Wschodnia über die Ostbahnstrecke (Küstrin) wurde bereits zum Fahrplanwechsel im Dezember 2009 wieder eingestellt, einschließlich der Kurswagenverbindungen u. a. ab/bis Kraków (Krakau), Gdynia und Kaliningrad (Königsberg). Das direkte Nachtzugpaar D 448/449 Berlin—Kraków war bereits mit dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember 2004 aus dem Fahrplan verschwunden.
Als akut gefährdet muss auch die Euro- City-Verbindung (EC 248/249) Hamburg— Berlin—Wrocław (Breslau)—Kraków eingestuft werden; hier ist es den beiden Bahnverwaltungen bis heute nicht gelungen, die im Vergleich zu Pkw und Fernbus unattraktiv langen Fahrzeiten deutlich zu reduzieren, geschweige das Zugangebot auszuweiten.
Nicht zuletzt trägt aber auch die Politik ganz wesentlich zu dieser unbefriedigenden Situation bei, indem beim Ausbau der Infrastruktur stets dem Straßenverkehr Priorität eingeräumt wird. Von einer erfolgreiche Zusammenarbeit im grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehr Deutschland—Polen kann derzeit jedenfalls nicht gesprochen werden.
Berliner Fahrgastverband IGEB
aus SIGNAL 3/2012 (Juli 2012), Seite 4