Planung
Rückblick und Ausblick
1. Apr 1995
Mit viel Engagement war es der DB AG und den beteiligten Firmen gelungen, noch vor Weihnachten 1994 den 1. Umbauabschnitt der Fern- und S-Bahn-Empfangshalle des Bahnhofs Berlin Zoologischer Garten in wesentlichen Teilen abzuschließen. Mehr Bahn-Service, neue Dienstleistungs- und Verkaufseinrichtungen und mehr Übersichtlichkeit sollten in den Bahnhof einziehen. Es galt, den Bahnhof Zoo funktional und gestalterisch zu verbessern und dennoch die denkmalpflegerischen Anforderungen zu wahren. Immerhin ist der Bahnhof derzeit der wichtigste im Berliner Fernverkehrsnetz, und auch künftig wird er eine bedeutende Station im Berliner Eisenbahnnetz sein. Ein zweiter Bauabschnitt soll 95 bis 1997 folgen und zur Eröffnung der neuen Schnellbahnverbindung Hannover Berlin fertig sein. Gleichzeitig will der Berliner Senat aus dem Harden berg-Parkplatz endlich einen wirklichen Bahnhofs- und Stadtplatz machen.
Obwohl das heutige Bahnhofsgebäude des Bahnhofs Zoo erst etwas mehr als 50 Jahre alt ist ( 1934 bis 1940 erfolgte ein weitgehender Abriß und Neubau einschließlich Erweiterung der alten AnIagen), hat es schon vieles durchstehen müssen. Erst in den 50er Jahren wurde der Bahnhof wirklich fertiggestellt, erhielt die Verglasung der Fern- und S-Bahn-Halle. Gleichzeitig entstand der noch heute vorhandene Restaurantvorbau. Als West-Berliner Zustiegsbahnhof zum Interzonenverkehr war die Station zu Mauerzeiten von großer Bedeutung und dennoch unbedeutend im Vergleich zum Verkehrsaufkommen der Vorkriegszeit. Das Innere war ungepflegt und unmodern. Obdachlose, Prostituierte und Drogenabhängige prägten vielfach das Erscheinungsbild des Bahnhofs, der durch das Buch über Christiane F. zu zweifelhafter Bekanntheit gelangte. Forderungen nach einer Modernisierung und Aufwertung des Bahnhofs hatten im Zeichen von Autoversessenheit und Flugzeugeuphorie keine Chance zur Umsetzung. Erst mit dem anstehenden Berlin-Jubiläum 1987 rückte der Bahnhof Zoo wieder stärker ins Blickfeld. Ost und West einigten sich auf eine umfassende Sanierung und Modernisierung einschließlich des Baus von Bahnsteigverlängerungen und -überdachungen- nicht zuletzt auf Grundlage des 1985 von der IGEB entwickelten Konzeptes zur Aufwertung des Bahnhofs Zoo.
Kaum war die Modernisierung fertig, fiel die Mauer, und es begannen völlig neue Planungen für die Zukunft des Eisenbahnverkehrs in der wiedervereinigten Stadt. Ein neuer Umbau wurde erforderlich, um die erwartete Zahl der Reisenden auch in Zukunft bewältigen zu können. Zugleich sollten neue und attraktivere Geschäfte einerseits den Bahnhof als Dienstleistungszentrum aufwerten (was natürlich auch höhere Einnahmen die nunmehr privatisierte Bahn bringt) und andererseits das bisher den Bahnhof dominierende Milieu vertreiben.
Als Fazit nach Fertigstellung des 1. Bauabschnittes ist festzuhalten, daß sich der Umbau grundsätzlich gelohnt hat. Die beschriebenen Ziele scheinen erreicht. Der Bahnhof Zoo wurde zu einem attraktiven Verkehrsknoten und Einkaufsort (mit Ladenöffnungszeiten bis 22 Uhr). Die alte Atmosphäre wurde zumindest in der Empfangshalle weitgehend verdrängt. Der Branchenmix der Geschäfte bietet sowohl für Reisende wie auch für Käufer (insbesondere am Wochenende) ein reichhaltiges Angebot. Der weitgehende Verzicht auf massive Wände zugunsten von Glas schaft Durchblicke und wirkt werbend für die Geschäfte. Dies gilt vor allem im Bereich zwischen der S- und der Fernbahnhalle, früher ein abgeschlossener, abweisender Bereich mit mehr oder weniger geschlossenen Fahrkartenschaltern.
Leider sind die Umgestaltungsmaßnahmen auch mit einigen Nachteilen verbunden, die unter der Überschrift "Einkaufswelt vor Bahnhofsfunktion" zusammengefaßt werden können. Die Nachteile werden nicht durch den jetzigen Zwischenstand der Baumaßnahmen, sondern die grundsätzliche Konzeption verursacht. Wer zur Gepäckaufgabe will, muß schon intimster Kenner des Bahnhofs sein. Den Weg von der S-Bahn zur Fernbahnhalle sieht man vor lauter Kommerz erst auf den zweiten Blick. Die Längsdurchwegungen des Bahnhofs wurden auf ein angesichts envarteter Verkehrszuwächse unverträgliches Minimum reduziert. Die lnformationsschilder im Deckenbereich sind zu klein, z.T. werden sie durch die neuen Lampen verdeckt. Bezeichnend für das Mißverhältnis zwischen den Funktionen Verreisen und Verkaufen ist, daß der direkte Zugang von der Empfangshalle zur U-Bahn wie auch die Fahrkartenausgabe für die drei Monate nach Abschluß der 1. Baustufe immer noch nicht fertig sind. Eine Nahverkehrsinformation gibt es im Bahnhof überhaupt nicht, denn die BVG sitzt noch immer in ihrer Bude auf der Mittelinsel des Hardenbergplatzes. Weggefallen ist der direkte Ausgang von der S-Bahn-Halle zur Hardenbergstraße und dcr dortigen Bushaltestelle. Als Reaktion auf diese Mängel sind zumindest schnelle Nachbesserungen im Inforrnationssystem für die Reisenden unerläßlich! Im 2. Bauabschnitt sollten die Reisenden dann wieder Vorrang vor den Einkäufem bekommen.
Zwei andere Kritikpunkte betreffen weniger die Funktion als vielmehr die Gestaltung der Empfangshallen. Bei der Umgestaltung in den 80er Jahren war -leider nicht besonders geglückt- der Versuch gemacht worden, die strenge, aber auch klare Architektur der 30er Jahre mit modernen, spielerischen Elementen (Fußbodenfliesung) zu verbinden. Beim Umbau von 1994 ist nun die ursprüngliche Architektur noch unsensibler verändert worden, z.B. durch die Verkleidung der Pfeiler mit geschliffenem Marmor, durch die Stahlelemente der Fensterfronten, die grellen bunten Farben der Werbung und schließlich das Hineinragen von Ladennutzungen in die Fernbahnhalle. Die einst einheitliche Gestaltung löst sich bis zur Beliebigkeit auf.
Hervorzuheben ist ein besonders schmerzlicher Verlust: Im Vorfeld der Renovierung war von der Bahn zugesagt worden, die traditionsreiche Heinrich-Heine-Buchhandlung zu erhalten. Nunmehr entsteht jedoch an ihrer Stelle u.a. eine Apotheke. Für den Geist gibt es im Bahnhof Zoo jetzt nur noch fast-food in Form eines Presse-Shops - ein unverständlicher Wortbruch und ein kulturpolitischer Skandal.
Nach dem Umbau des Bahnhofgebäudes soll das - ist erklärte Absicht von DB AG, Berliner Senat und Bezirksamt Charlottenburg - endlich auch der Hardenbergplatz gestalterisch und funktional verbessert werden. Hier liegt noch Vieles im Argen. Bereits vor 10 Jahren, als der Platz das letzte Mal umgestaltet wurde, hatte die IGEB eine Reihe von Anforderungen formuliert (vgl. IGEB-Konzept von 1985, S. 44 ff). die heute unverändert aktuell sind. Die wichtigsten natürlich planerisch noch zu konkretisierenden Punkte waren und sind:
Eine weitere, besonders wichtige Forderung ist diejenige nach mehr Öffentlichkeit und Qualität in der Planung dieses so wichtigen Platzes. Hierfür ist ein gut vorbereitetes Wettbewerbsverfahren, daß auch die Interessen der Anlieger und der ÖPNV-Benutzer angemessen berücksichtigt, erforderlich. Interessenverbände wie PRO BAHN, IGEB und FUSS e.V. sind frühzeitig zu beteiligen, damit es nicht noch einmal zu einer so falschen Konzeption kommt, wie sie in der heutigen Gestalt vorzufinden ist. Mögliche wahltaktische Schnellschüsse, die im Hinblick auf die Berliner Wahlen im Oktober drohen, kann und darf Berlin sich nicht leisten.
IGEB
aus SIGNAL 2/1995 (April 1995), Seite 11-12