Planung
IGEB kritisiert mangelhafte ÖPNV-Erschließung
1. Apr 1995
Vom 16.1. bis zum 12.2.95 lag der Bebauungsplan-Entwurf II-201 "Lehrter Bahnhof" zur frühzeitigen Bürgerbeteiligung aus. Mit dem Plan sollen die planungsrechtlichen Grundlagen für die städtebauliche Entwicklung im Umfeld des zentralen Berliner Fernbahnhofs geschaffen werden. Für den Bahnhofsbau selbst und die gesamten Tunnelanlagen soll das benötigte Planungsrecht bekanntlich über ein gesondenes Planfeststellungsverfahren erlangt werden, dessen Abschluß für den Herbst 1995 geplant ist.
Der Bebauungsplan-Entwurf folgt den Ergebnissen des im Dezember 1994 entschiedenen städtebaulichen Wettbewerbs, aus dem der Architekt Prof. Oswald M. Ungers (Köln) als Sieger hervorging. Südlich der Invalidenstraße sollen neben dem riesigen Bahnhofsgebäude (Entwurf Gerkan, Marg und Partner - siehe SIGNAL 3/93 ) ein dicht bebautes Büro- und Geschäftsviertel sowie eine Umbauung des Humboldthafens entstehen. Erschlossen werden soll alles über üppig dimensionierte Straßenflächen, wozu z.B. auch eine erheblich verbreiterte lnvalidenstraße mit einer Vielzahl von Abbiegespuren gehört.
Im Kontrast zu den überdimensionalen, stadtunverträglichen Straßenplanungen wurden im Bebauungsplanentwurf die Belange des ÖPNV (Bus und vor allem Tram) wieder einmal völlig unzureichend berücksichtigt. Deshalb hat der Berliner Fahrgastverband IGEB ungeachtet seiner kritischen Haltung zu den Tunnelplanungen im Rahmen der Bürgerbeteiligung zum B-Plan-Entfolgende Stellungnahme abgegeben:
"Wesentliche Voraussetzung für eine gute Erreichbarkeit des Lehrter Zentralbahnhofs ist eine optimale Verknüpfung mit dem zu erweiternden Tramnetz, zumal die Realisierung der geplanten U-Bahn-Linie 5 (und insbesondere ihre Weiterführung nach Moabit) vor dem Hintergrund der aktuellen und zukünftigen Haushaltssituation sehr fraglich scheint. Die als Grundlage des B-Plan-Entwurfes vorgesehenen Streckenführungen und Haltestellenlagen sind für die Straßenbahn jedoch völlig unbefriedigend.
So läßt der u.a. wegen der Umbauung des Humboldthafens extrem Schmale Straßenquerschnitt auf der Ostseite des Bahnhofsgebäudes nur völlig unbefriedigende Lösungen für die Haltestellenlagen von Bus- und Tramlinien wie auch für eine reibungslose verkehrliche Abwicklung zu.
Problematisch sind insbesondere aber auch die kurvenreichen Streckenführungen, die z.B. eine aus dem Ostabschnitt der Invalidenstraße kommende und nach Moabit weiterfahrende Tramlinie um nicht weniger als vier (Variante A) bzw. B) enge Kurven zwingt, obwohl eine geradlinige Wegführung über die Invalidenstraße (mit Haltestelle an der Bahnhofs-NordSeite) möglich wäre.
Nachteilig wäre auch die Anbindung der vom Reichstag kommenden Tramlinie. Die einzige für diese Linie vorgesehene Haltestelle würde sehr ungünstig zum Bahnhofsgebäude liegen. Auch die Weiterfúhmng der vom Reichstag kommenden Tramlinien würde eine sehr problematische Streckenführung aufweisen, da in Richtung Moabit fünf und in Richtung Invalidenstraße (Ost) vier enge Kurven durchfahren werden müßten, obwohl auch hier jeweils sehr viel geradlinigere Wegführungen möglich wären.
Als Alternative schlagen wir eine Tramanbindung in Form einer vollständigen Umfahrung des Bahnhofs vor. Unter Berücksichtigung der städebaulichen Vorgaben wird damit eine akzeptable Lösung für den ÖPNV durch günstigere Haltestellenlagen und geradlinige Wegführungen ermöglicht. Berücksichtigt ist dabei sowohl für die Strecke aus dem Ostabschnitt der Invalidenstraße wie auch für die vom Reichstag kommende Strecke eine Verlängerung nach Moabit sowie gleichzeitig das Enden von Linien aus beiden Relationen am Lehrter Bahnhof. Die Blockkantenlänge von ca. l50 m erlaubt dabei die Berücksichtigung einer Abstellanlage auf der Südseite des Bahnhofsgebäudes im Bereich der hier vorgesehenen, ca. 50 m breiten Straßenverkehrsfläche.
Da alle wesentlichen planerischen Entscheidungen zur Straßenbahn ohnehin durch das Verfahren vorgegeben werden, halten wir es geboten, die Straßenbahntrassen im Geltungsbereich durch den B-Plan festzusetzen, so daß ein seperates Planfeststellungsverfahren dafür entfallen kann."
IGEB
aus SIGNAL 2/1995 (April 1995), Seite 14-15