Aktuell
Anmerkungen zum neuen Regionalfahrplan der DB AG
1. Jun 1995
Seit 1990 brachte jeder neue Jahresfahrplan für den Raum Berlin/Brandenburg eine Vielzahl von Änderungen, gerade auch für den Regionalverkehr der DR bzw. DB AG. Doch die Neuerungen zum Fahrplanwechsel am 28. Mai 1995 sind noch umfangreicher als die vorhergehenden. Zugleich gibt es wiederum eine umfassende Neuordnung zahlreicher Streckentabellen im Kursbuch und die Anderung aller Linienbezeichnungen. Aber auch das neue System kann noch nicht befriedigen.
Vorbei ist es nun mit den "R-Linien", jetzt gibt es bei der Bahn nur noch RE- und RB-Linien (RegionalExpress und RegionalBahn), und zwar nach neuem Nummernschlüssel. So wird z.B. aus der bisherigen R2, zu finden in Kursbuch-Tabelle 204.2, die RB 24, zu finden in Tabelle 206.24. Aber nicht alle RB-Linien bekommen eine eigene Tabelle. Mehrere wurden in die Tabellen der RE-Linien integriert (KBS 200, 203 und 204), wobei man die RE 1 in der Tabelle zur KBS 200 findet - statt 201, die der Berliner vorbehalten bleibt. Das alles ist für die Kunden sehr verwirrend und sollte für die Bahn Anlaß sein, nach Möglichkeiten zu einem leichteren Auffinden der zu suchen. Vielleicht können sich ja S-Bahn und Regionalbahn doch noch dazu entschließen, einen gemeinsamen handlichen und übersichtlichen Taschenfahrplan herauszugeben.
Herausragend unter den neuen Angeboten ist der Lückenschluß Berlin - Spandau - Falkensee auf der Hamburger Bahn, der auch eine Neuordnung des Angebots auf dem westlichen Außenring mit sich bringt.
Über Falkensee verkehren nun die RB 12 Westkreuz - Oranienburg - Templin-Vorstadt im 2-Stunden-Takt (Sa/So im Sommer weiter bis Fährkrug) und die RB 18 Westkreuz - Nauen - Wittenberge im Stundentakt bis Nauen und alle zwei Stunden bis Wittenberge (alle Züge über Berlin-Spandau - Albrechtshof- Brieselang, die Bredower Kurve mit dem Haltepunkt Bredow entfällt - wie auch rund 90 weitere Stationen im Land Brandenburg!).
Über Staaken und Dallgow (auf der Lehrter Bahn) fährt die RB 10 Charlottenburg bzw. Westkreuz - Wustermark, dort mit Anschluß an die RB 13 nach Stendal. Geboten wird ein 2-Stunden-Takt. Die Züge fahren meistens ab Charlottenburg, morgens und abends aber ab Westkreuz, weil dann der ICN zwei Bahnsteigkanten in Charlottenburg belegt. Dies allein ist verwirrend genug, wird aber verschärft durch falsche Darstellungen sowohl in der "Netzspinne Regionalverkehr" der DB AG als auch in der Schnellbahnübersicht der BVG für den VBB.
Auf dem westlichen Außenring entfallen einige Tangentialverbindungen. Zwischen Oranienburg und Ludwigsfelde gibt es keine durchgehenden Züge mehr, jetzt wird nur noch Oranienburg Potsdam-Pirschheide gefahren (RB 19, zu finden unter KBS 206.12). Durchgehende Züge gibt es auch nicht mehr zwischen Oranienburg und Nauen. Nun muß auf dieser Relation in Finkenkrug umgestiegen werden, wobei aber in beiden Richtungen die Anschlüsse gewährleistet sind. Entfallen ist schließlich auch das Angebot Oranienburg Hennigsdorf per Duo-S-Bahn. Dafür fahren die Züge der RB 12, die in Hennigsdorf "Kopfmachen", so daß zusammen mit der RB 19 ein stündliches Angebot von Henningsdorf in die Kreisstadt erhalten bleibt.
Nach dem erfolgreichen Start mit der Regional-Express-Linie l Berlin Hbf - Frankfurt (Oder), wird die RE l nun verlängert, und drei neue RE-Linien kommen hinzu. Im Kursbuch für den Regionalbereich Berlin/Brandenburg wurden die RE-Linien erstmals grün unterlegt und damit ähnlich den Qualitätsprodukten IC und IR hervorgehoben.
Die RE 1 verkehrt bis zum Abschluß der Stadtbahnsanierung auf zwei getrennten Abschnitten, zum einen von Brandenburg Hbf bis Berlin Zoologischer Garten, zum anderen von Berlin Hbf über Frankfurt (Oder) hinaus bis Cottbus. Gefahren wird jeweils im Stundentakt, alle zwei Stunden gibt es Durchläufe von Brandenburg bis Magdeburg Hbf. Die Fahrzeit von Zoologischer Garten bis Brandenburg mit Halten in Berlin- Charlottenburg, Berlin-Wannsee und Potsdam Stadt beträgt nur 44 Minuten und soll mit Elektrotraktion ab 17.12.1995 auf 38 Minuten verkürzt werden. Wer schon heute die beiden Äste der RE l durchgehend befahren will, kann dies unter Einbeziehung der S-Bahn tun. Die Fahrpläne sind optimal aufeinander abgestimmt und für die durchgehende Relation im Kursbuch zu finden. Erfreulich ist auch die Erweiterung der Betriebszeit der RE-Züge auf dem Ostabschnitt. Wer bisher den letzten RE-Zug um 20.38 ab Berlin Hbf verpaßt hatte, mußte das nicht vertaktete R-Bahn-Angebot nutzen. Nun verkehrt der RE bis 22.04 ab Berlin im Stundentakt nach Frankfurt (Oder). Von Frankfurt nach Berlin ist die Verbesserung noch markanter: RE-Stundentakt bis 22.07 statt 19.38 Uhr.
Neu eingerichtet wird die RE 2 von Berlin-Lichtenberg über Lübbenau nach Cottbus. Die Züge verkehrenn alle zwei Stunden und beginnen bzw. enden abwechselnd in Neubrandenburg und Stralsund. Durch Überlagerung mit dem InterRegio gibt es nun auf der kürzesten Strecke von Berlin zur Bundesgartenschau-Stadt Cottbus einen Stundentakt. Ärgerlich ist dabei, daß ein Teil der RE- und alle IR-Züge nicht in Berlin-Schöneweide halten. Während der DB-Regionalverkehr dies mit Bauarbeiten entschuldigen kann, hat der Fernverkehr die Bedeutung dieses Bahnhofes für die Bevölkerung im gesamten Süden Berlins anscheinend noch nicht verstanden. Überlagert wird das Angebot auf der Gölitzer Bahn weiterhin durch die Regionalbahn. Aber wärend die bisherige R 16 nur alle zwei Stunden verkehrte und in Lübbenau endete, fährt die Nachfolgelinie RB 14 weiter bis nach Senftenberg - und das im Stundentakt!
Auch mit der neuen RE 3 gelangt man von Berlin-Lichtenberg nach Cottbus, allerdings mit einem Umweg über Jütebog - Falkenberg (Elster) - Ruhland; weil diese Linie vor allem zur Erschließung des südlichen Brandenburg eingerichtet wurde - und des Nordostens, denn die Fahrt beginnt in Schwedt (Oder).
Auch die vierte RE-Linie beginnt bzw. endet in Cottbus. Die Züge fahren im 2-Stunden-Takt von Potsdam-Pirschheide über die Dresdener Bahn und halten u.a. in Wünsdorf, das als "Außenstelle" der Landesregierung in Potsdam ausgebaut werden soll. In Blankenfelde (Kr Zossen) besteht Anschluß an das Berliner S-Bahn-Netz. Am Wochenende gibt es beim RE 4 allerdings nur einzelne Züge ohne Takt.
Bemerkenswert ist neben der o.g. Ausweitung des RB-Angebotes auf der Görlitzer Bahn auch der Stundentakt auf der RB 36 Königs Wusterhausen - Beeskow - Grunow (Niederlausitz) Frankfurt (Oder). Bisher fuhr hier die R 26 bis Beeskow stündlich, bis Grunow alle zwei Stunden, und dort mußte dann umgestiegen werden. Doch die Freude über den neuen Fahrplan ist in Grunow nicht ungetrübt. So schränkt die DB AG das Angebot zwischen Grunow und Cottbus (jetzt RB 40) drastisch ein. Es bleiben nur Montag bis Freitag vier (!) Zugpaare mit einer Fahrplanlücke von sechs bzw. sieben Stunden! Was soll ein derart unattraktives Angebot? Das ist so, als ob ein Bäcker nur Brötchen für Frühaufsteher backt, alles andere streicht und den Laden um 9 Uhr dicht macht - wobei er von den Brötchen allein nicht überleben dürfte. Und nicht anders wird es dieser Bahnstrecke gehen. In "bewährter" Bundesbahnmanier wird hier die nächste Stillegung vorbereitet.
Schon jetzt traf es die Strecken Strasburg - Prenzlau - Gramzow, Angermünde - Bad Freienwalde, Beeskow - Lübben und Luckau - Uckro - Herzberg. Als Folge dieser Stillegungen ist eine weitere wahrscheinlich: Lübben - Luckau. Gefährdet ist auch die Strecke Templin - Prenzlau (RB 65). Schon jetzt gibt es Sa/So zwischen Fährkrug und Prenzlau keinen Zugverkehr mehr. Nicht viel besser sieht es bei Müncheberg (Markt) - Buckow' (Märkische Schweiz) aus, wo nur noch zwischen ll und 19 Uhr Zugverkehr stattfindet, ansonsten rollt die "Gummibahn". Aufgrund der Nähe zu Berlin und der Bedeutung für den Ausflugsverkehr bestehen hier allerdings Hoffnungen für einen Erhalt der Bahn.
Noch ein Wort zu den "Markenartikeln" RE und RB: Einst begründete die Bahn die Einführung neuer Zuggaltungen mit der Hervorhebeung eindeutiger Qualitätsmerkmale - der Regional-Express sollte sich von nur sporadisch verkehrenden, mit altem Wagenmaterial ausgestattetetn Eilzügen unterscheiden, analog die Regional-Bahn vom Nahverkehrszug. Nun werden aber auch Eil- und Nahverkehrszüge in RE bzw. RB umgewandelt, die nicht vertaktet sind und teilweise noch ohne modernes Wagenmaterial verkehren. Die Identifikation mit bestimmten Produktmerkmalen wird hier also gefährdet (übrigens auch bei IR und sogar IC, die teilweise wie die alten nur einmal täglich bestimmte Routen bedienen und keinerlei herausgehobenen Service bieten).
Unterdessen wird erwogen, daß Verbundfahrausweise innerhalb des Gebietes der Verkehrsgemeinschaft Berlin/Brandenburg (VBB) im RE nur noch zusammen mit Zuschlagkarten gelten. Im Gespräch sind 2.- für die Einzelfahrt, 17,- für die Wochenkarte und 40,- im Monat. Zumindest zum jetzigen Fahrplanwechsel wurde das nicht realisiert, aber vom Tisch ist das Thema nicht. Zweifellos würde vor allem ein Teil der Stammkunden mit Umweltkarte, die Tag für Tag den RE nutzen, durch Zugschlagkarten vergrault. Abgesehen davon es schwerfallen zu begründen, warum z.B. ein als RE fahrender und fast überall haltender Berufsverkehrszug Stendal - Potsdam Stadt im VNN-Gebiet zuschlagpflichtig sein soll, ein gleich schneller RB aber nicht.
Eine Maßnahme gegen zu viele Reisende im RE wurde allerdings schon jetzt durchgesetzt: Die Fahrradmitnahme ist nur noch von bzw. nach Bahnhöfen außerhalb des Gemeinschaftstarifgebeites der VBB gestattet. Wer also z.B. nach Fürstenwalde sein Fahrrad mitnehmen will, muß statt des RE 1 die S3 und RB 17 nutzen, so daß sich die Reisezeit mehr als verdoppelt. Gravierend ist diese Maßnahme vor dem Hintergrund, daß das Land Berlin als künftiger Besteller beabsichtigt, Regionalbahnen stets an den Endpunkten des S-Bahn-Netzes enden zu lassen, so daß die vom RE ausgeschlossenen Berliner Radfahrer viel Zeit mitbringen müssen. Da die Kornbination Bahn/Rad in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird (und zwar nicht nur im Ausflugsverkehr!), muß die Bahn nach Wegen suchen, die radelnden Kunden angemessen an den Kosten zu beteiligen. ohne sie auszuschließen.
IGEB
aus SIGNAL 3-04/1995 (Juni 1995), Seite 4-6