Nahverkehr

Personalbesetzung auf U-Bahnhöfen

Ein Brief an den Berliner Fahrgastverband


Dr. Klaus Lipinsky
BVG-Unternehmensbereichsleiter U-Bahn

1. Jun 1995

Durch die Zugfahrerselbstabfertigung auf der U4 wurde es uns möglich, einen Probebetrieb mit mobilen Bahnhofsbetreuern auf dieser Linie einzuführen. Die auf der U4 zur Verfügung stehende Infrastruktur hat uns in die Lage versetzt, ohne Reduzierung der Serviceleistung einen solchen Pilotversuch zu starten. Für die Fahrgastinforma­tion stehen auf jedem Bahnhof Inforufsäulen zur Verfügung. An diesen Säulen können Informationswünsche und Notrufe abgesetzt werden. Die eingehenden Anfragen werden von unserem Mitarbeiter am Inforufarbeitsplatz im Stellwerk Nollendorfplatz bearbeitet. Als zusätzliche Sicherheit sind auf diesen Bahnhöfen Videokameras installiert. Die Monitore werden von dem Mitarbeiter am Inforufarbeitsplatz beobachtet.

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[IGEB] Nachts auf einsamen Bahnhöfen auf den Zug warten - ein Problem das schon heute viele Menschen - und vor allem Frauen - von der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel abhält. Daß dies mehr ein Problem des subjektiven Sicherheitsgefühles als der objektiven Statistik ist, wissen wir - nur ändert es nichts an dem Problem. Regelmäßige Abendfahrgäste wissen, daß gerade dieses Gefühl der Sicherheit viel damit zu tun hat, daß man als Fahrgast weiß, daß es im Notfall immer noch jemanden gibt, der wenigstens Hilfe holen könnte. Und wir dachten, dies wäre auch der BVG be beabsichtigt sie doch z.Z. gerade den kundenorientierten "Bahnhofsmnager" als Nachfolger des Zugabfertigers einzuführen. Zu den Aufgaben des Bahnhofsmanagers sollen neben der information der Fahrgäste auch die Überwachung der Sauberkeit und des Zustandes der technischen und baulichen Anlagen sowie eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei gehören. Damit würde ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan: Die bisherigen Zugabfertiger wären zukünftig auf dem Bahnsteig präsent, und neben den eigentlichen Serviceleistungen könnten sie den Fahrgästen vor allem in den Abendstunden auch ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.

Umso un verständlicher ist die wenn auch probeweise und (zunächst?) nur auf die kurze U4 beschränkte - Einführung von personalfreien Bahnhöfen. Die BVG geht hier ein fragwürdiges Experiment ein und entspricht damit auch nicht mehr den Vorgaben eines nach wie gültigen Senatsbeschlusses, der die BVG zur Beibehaltung von mit Personal besetzten Bahnhöfen verpflichtet. Die Benutzung der Berliner U-Bahn ist zur Zeit (mit kleinen Einschränkungen) auch in den Abendstunden objektiv und subjektiv vergleichsweise unproblematisch. Es wäre katastrophal, wenn ausgerechnet die BVG durch die Einführung personalfreier U-Bahnhöfe dies zu Lasten aller Beteiligter und zu ihrem eigenen Schaden ändern würde.

Dr. Klaus Lipinsky
BVG-Unternehmensbereichsleiter U-Bahn

aus SIGNAL 3-04/1995 (Juni 1995), Seite 15