Nahverkehr

Dank der EG-Wirtschaftsförderung

In Treptow kommen die Fußgänger unter die Erde


IGEB

1. Jun 1995

Berlin atmet auf, Treptow jubelt: Nachdem einige Wochen zuvor bereits der für 3 Mio DM renovierte Fußgängertunnel am Treptower Park unter der Elsenstraße wiedereröffnet wurde, haben Staatssekretär Bielka aus der Senatsbauverwaltung und Treptows Bezirksbürgermei­ster Brückner Ende März die für 13 Mio DM (! !) renovierte Fußgängerunterführung unter der Grünauer Straße am S-Bf Schöneweide wiedereröffnet. Kaum zu glauben, aber wahr: 90% dieser Summe waren Fördermittel der EG aus dem Topf zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Da ist die Frage schon erlaubt, inwieweit denn mit der Anlage dieses Fußgängertunnels die Arbeitsbedingungen und das Investitionsklima für die Wirtschaft verbessert wurden, zumal eine stinknormale Fußgängerampel, die in den letzten Jahren hier ihren Dienst getan hat, auch zukünftig ihre Aufgabe (behindertengerecht!) hätte erfüllen können.

So verschwendet der Berliner Senat Fördergelder: Für einen sinnlosen Fußgängertunnel unter der Grünauer Straße wurden 13 Mio DM verbaut 90% davon waren Fördermittel aus dem zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, aus dem sich andere Städte ÖPNV-Projekte fördern lassen. Foto: I. Schmidt
Gleich nach der feierlichen Eröffnung des Fußgängertunnels wurde die bisherige Fußgängerampel demontiert. Kurz danach wurden Absperrgitter montiert, damit kein Fußgänger es wage, die Straße ebenerdig zu kreuzen. Nicht alle Bauprojekte in Treptow sind zeitlich so gut koordiniert. Foto: I. Schmidt

Aber diese Ampel wurde nach Eröffnung der Unterführung natürlich sogleich abgebaut, und aufwendige Gitter verhindern jetzt, daß sich auch nur ein Fußgänger oder Rollstuhlfahrer noch über die Fahrbahn traut. Die Verkehrplanungsphilo­sophie der 60er feiert ein großes Revival: Fußgänger gehören unter die Erde! Dem Sozialdemokraten Bielka ist das Sicherheitsgefühl derer, die nicht nur tagsüber, sondern auch nachts diesen Tunnel benutzen müssen, offensichtlich egal. Er sieht in dem neuen Fußgängertunnel unter Sicherheitsgesichtspunkten sogar Vorteile. Und auch Rollstuhlfahrer oder Fußgänger mit Kinderwagen werden in ihrem Bewegungsdrang nicht behindert: Schließlich hat der Tunnel an beiden Enden Fahrstühle und sollten die mal nicht funktioneren, kommt gleich die Wartungsfirma. So viel Geduld muß man als Nichtautofahrer schon mal aufbringen können, damit die Räder rollen können.

Hingewiesen werden muß aber auch auf die finanzielle Seite des Unternehmens: Es ist einfach unwahr, wenn so getan wird, als würden durch solche (unsinnigen) Projekte zusätzliche EG-Gelder nach Berlin gelenkt werden. Denn die EG-Fördergelder hätten natürlich auch für Projekte ausgegeben werden und damit tatsächlich zur Verbesserung der regionalen struktur beitragen können.

Also, liebe Herren Haase, Nagel oder Bielka: Wenn Sie mal wieder keine Idee für eine sinnvolle Verwendung der zur Verfügung stehenden EG-­Gelder zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur haben, rufen Sie doch mal beim Fahrgastverband an. Der hätte mit Sicherheit einen Vorschlag, wie man 13 Mio DM sinnvoll investieren kann: ZB. in einen kompletten Straßenbahn-Neubaukilometer in Treptow als ertsen Beitrag zur attraktiven Erschließung des neuen Technologiezentrums in Adlershof.

IGEB

aus SIGNAL 3-04/1995 (Juni 1995), Seite 16