Aktuell

Überarbeitetes BVG-Busnetz

Zum Fahrplanwechsel gab es wieder viele Linienänderungen


IGEB

1. Jul 1995

Zum Fahrplanwechsel am 28. Mai war das öffentliche Interesse hauptsächlich auf die Wiederinbetriebnahme der S-Bahn Lichterfelde Ost - Tegel gerichtet. Weniger spektakulär, aber ebenfalls für tausende von Fahrgästen bedeutend waren die Änderungen im Busliniennetz der BVG. Schwerpunkte der diesjährigen Neuordnung waren die Bezirke Marzahn und Hellersdorf, doch auch in fast allen anderen Bezirken gab es Änderungen, so daß die Fahrgäste von insgesamt über 40 Buslinien betroffen waren. Nach BVG-Angaben war dies die letzte Umsetzungsstufe des neuen Buslinienkonzeptes, so daß zukünftig mehr "Stabilität" im Busliniennetz zu erwarten ist falls nicht neuerliche Mittelkürzungen des Senats Änderungen erzwingen. Unabhängig von den Linienänderungen gab es auch wieder eine Reihe von Angebotsverschlechterungen durch Taktausdünnungen, verkürzte oder wegfallende E-Wagen und reduzierte Betriebszeiten auf einzelnen Linienabschnitten.

Schlüssiges Netz für Marzahn und Hellerdorf

Gut zu tun hatte die BVG­-Werkstatt für Schílderherstellung in der Weddinger Uferstraße, da zum Fahrplanwechsel am 28. Mai eine weitere, nach BVG-Angaben vorerst letzte Neuordnung des Busnetzes erfolgte. Foto: Marc Heller

In Marzahn/Hellersdorf konnten trotz Einstellung der Omnibuslinien 292 und 299 alle bisher angefahrenen Haltestellen erhalten werden, indem alle diesen Bereich berührenden Linien erheblich geändert wurden. Aber das neue Netz hat natürlich einen entscheidenden Geburtsfehler: Im Ergebnis gibt es, den politischen Vorgaben entsprechend, eine deutliche Reduzierung der Verkehrsleistung, und das führt dann für viele Fahrgäste letzten Endes zu einer Angebotsversshlechterung, z.B. durch zusätzliche Umsteigezwänge. Dennoch: Unter der nicht von der BVG zu verantwortenden Sparvorgabe ist ein in sich schlüssiges Netz entwickelt worden, was allerdings die Notwendigkeit zur Nachbesserung nicht ausschließt. So muß z.B. die Erreichbarkeit des Einkaufszentrums bei Eiche aus allen Nord-Hellersdorfer Wohnquartieren hergestellt werden, denn es kann nicht angehen, daß ausgerechnet die die Folgen einer verfehlten Stadtplanung, die solche Zentren zugelassen hat, zu tragen haben. Ferner müssen eine Angebotsverbesserung im Bereich Blumberger Damm und eine Aufhebung der nicht durchdachten verkürzten Wegführung der OL 190 in den Schwachverkehrszeiten erfolgen.

Positiv ist die Verlängerung der OL 194 bis nach Neukölln, Boddinstraße. Damit wird auch eine Direktverbindung zwischen Neukölln und dem S-Bf Ostkreuz hergestellt. Dies ist eine eindeutige Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand, bei dem viele Fahrgäste zusätzlich am S-Bf Treptower Park umsteigen mußten (wo bekanntermaßen ein langer Umsteigeweg zurückzulegen ist) um dann, nach nur einer S-Bahn-Station. am Ostkreuz erneut auf die Ost-West-S-Bahn-­Linien umsteigen zu müssen.

Was will Hohenschönhausen denn nun?

Busse 195, 291 und 191 am S-Bf Marzahn. Seit dem 28. Mai müssen fast alle Busfahrgäste in Marzahn und Hellersdorf umlernen. Durch die Linienneuordnung endstand ein schlüssiges Netz, was allerdings wegen der bekannten ÖPNV-Senatspolitik unter dem Geburtsfehler leidet, daß die BVG ihr Angebot insgesamt deutlich reduzieren mußte. Foto: I. Schmidt
Es war einmal: Endstelle Rhenaiastraße im Mai 1995. Wieviel ist schon über die ÖPNV-Anbindung der geplanten Wasserstadt Oberhavel in Spandau diskutiert worden! Aber die Realität hat nichts mit den großen Politikerworten zu tun: Zeitgleich zum Beginn der ersten Baumaßnahmen für die Wasserstadt wurde die BVG gezwungen, die Buslinie 204 aus diesem Gebiet zurückzuziehen. Foto: I. Schmidt
Tegel, Grußdorfstraße. Einige Autoparkplätze sind dem Bezirksamt Reinickendorf wichtiger als die Verknüpfung der wieder in Betrieb genommenen S-Bahn mit den Buslinien 120, 124, 125, 133 und 222. Deshalb müssen umsteigende Fahrgäste 300 m lange Fußwege zurücklegen. Foto: I. Schmidt
Am wiedereröffneten S-Bf Südende auf der Anhalter Bahn könnte die Haltestelle der Omnibuslinie 383 direkt vor dem Bahnhofseingagn liegen. Stattdessen wurde ein Absperrgitter errichtet! Foto: I. Schmidt
Vorplatz des wieder in Betrieb genommenen S-Bf Lichterfelde Ost. Die BVG wollte die Omnibuslinien 110 und 211 an den Bf heranführen und so die Anbindung der angrenzenden Ortsteile an die neuen S-Bahn-Linien verbessern. Doch bis heute müssen die Fahrgäste weiter laufen, weil die Anwohner der Parallestraße die Busdurchfahrt blockiert haben. Sinnvoller wäre aber ohnehin eine Endstelle auf dem Bahnhofsvorplatz statt der großen Kehrschleife zum Oberhofer Platz. Foto: I. Schmidt
Am S-Bf Lichterfelde Ost werden die lieben Fahrgäste kurz und knapp informiert, daß sie zum Oberhofer Weg laufen müssen. Zwar bahnt sich inzwischen eine Lösung an, aber wieviele Monate werden die Berliner Verkehrspolitiker benötigen, bis diese realisiert wird? Foto: I. Schmidt
Positiv: Analog zu den bereits bei der U-Bahn bewährten Fahplanaushängen wurden von der BVG zum diesjährigen Fahrplanwechsel auch die Fahrplanaushänge an den Bushaltestellen im neuen, sehr viel besser lesbaren Layout gestalten. Die Bilder zeigen die bisherige und die neue Fahrplangestaltung. Foto: Marc Heller
Neues Layout Foto: I. Schmidt

Ein Kuriosum hat sich Hohenschönhausen erlaubt. Nachdem der Bezirk jahrelang die Einrichtung einer Querverbindung im Altbaugebiet zwischen Landsberger Allee und Konrad-Wolf­-Straße von der BVG forderte, lehnte er nun die Einrichtung der von der BVG vorgesehenen OL 256 ab, obwohl diese Linie darüber hinaus auch noch eine Direktverbindung zum Bf Lichtenberg und eine Flächenerschließung im bisher nicht vom ÖPNV erschlossenen Bereich rund um den Malchower Weg gebracht hätte. Nach Bürgerprotesten und dem Engagement des neugegründeten Fahrgastbeirates Hohenschönhausen scheint sich der Bezirk jedoch zu besinnen, so daß die Einrichtung der OL 256 hoffentlich schon in Kürze erfolgen kann.

Weiterhin Zick-Zack-Fahrten durch Kreuzberg

In Kreuzberg erfolgte eine erfreuliche Beschleunigung der OL 140 durch eine begradigte Linienführung. Der von der OL 140 nicht mehr bediente Bereich um die Graefestraße wird nun durch die verlängerte OL 248 bedient, die damit die schwer durchschaubare Linienführung in diesem Kreuzberger Bereich "geerbt" hat. Nicht nachvollziehbar bleibt insbesondere die entsprechend der Netzgeometrie nicht notwendige Heranführung der OL 248 an den U-Bf Südstern. Wegen der Zick-­Zack-Fahrt durch verkehrlich z.T. ungeeignete Straßenabschnitte (insbesondere im Platzbereich Körte-/Fichtestraße) erhöht sich die Fahrzeit von der Grimm-/Ecke Urbanstraße bis zum Hermannplatz auf satte 10 Minuten, ohne daß damit entscheidende Vorteile hinsichtlich der Flächenerschließung oder der Netzverknüpfung gewonnen werden. Viel sinnvoller wäre eine Wegführung über Urbanstraße, Graefestraße, Hasenheide zum Hermannplatz wodurch die OL 248 insgesamt sehr viel attraktiver werden würde. Das Endstellenproblem am Herrnannplatz ist seit der Verlegung des Taxi-Halteplatzes ohnehin gelöst.

Ärgerlich ist das abendliche Zurückziehen der OL 141 zum Herrnannplatz, weil durch den Wegfall der notwendigen Überdeckverbindung vom Kottbusser Damm zur Sonnenallee den Fahrgästen gerade während der erweiterten Taktzeiten ein zusätzlicher Umsteigezwang mit weiten Wegen am Hennannplatz zugemutet wird.

Busse 195, 291 und 191 am S-Bf Marzahn. Seit dem 28. Mai müssen fast alle Busfahrgäste in Marzahn und Hellersdorf umlernen. Durch die Linienneuordnung entstand ein schlüssiges Netz, was allerdings wegen der bekannten Senatspolitik unter dem Geburtsfehier leidet, daß die BVG ihr Angebot insge Es vl/ar einmal: Endstelle Rhenaniastraße im Mai 1995. Wieviel ist schon über die OPNV­Anbindung der geplanten "Wasserstadt Oberhavel" in Spandau dis kutiert worden! Aber die Realität hat nichts mit den großen Politikerworten zu tun: Zeitgleich zum Beginn der ersten Baumaßnahmen für die Wasserstadt wurde samt deutlich reduzieren mußte

Im Südosten der Stadt wurde die OL 163 mit der bisherigen OL 363 vereinigt. Was für den Fahrgast von relativ geringer Bedeutung ist (die mei sten Fahrgäste verlassen sicher weiterhin den Bus am Knoten Grünau) bringt der BVG betriebliche Vorteile. Schön aber wäre es gewesen, würde diese Linie nicht wie bisher im Neubaugebiet Altglienicke enden, sondern zum nur zwei Haltestellen weiter liegenden Bahnhof Schönefeld fahren. Dann wäre es nach der neuesten Änderung zwar eine Ringlinie, die aber in beiden Richtungen betrieben - vielen Fahrgästen eine sinnvolle Alternative bei der zur Zeit oft mit Umsteigevorgängen und entsprechenden Wartezeiten gespickten Verbindung zum Knotenpunkt Bf Schöneweide bringen würde.

Wittenau: Kein Anschluß zum neuen Hallenbad

In Wittenau wurden die Linienführungen zwischen den OL 322 und 421 vertauscht, was zu einer nachhaltigen Verschlechterung im Bereich Hermsdorfer Straße/Jean-Jaurès-Straße führte, jetzt nur noch im Berufsverkehf befahren werden. Im Zusammenhang mit der Übernahme und Öffnung der ehemals französischen Infrastruktureinrichtungen in der Cité Foch, darunter das für den ganzen Bezirk Reinickendorf bedeutende Hallenbad, muß dieser Linientausch sofort wieder rückgängig gemacht werden. Neu eingerichtet wurde die OL 321 vom Kurt-Schumacher-Platz in das Märkische Viertel, die eine Schleife durch den Senftenberger Ring fährt und ohne Endstelle wieder zum Kurt­Schumacher­Platz zurückfährt.

Tegel und Lichterfelde Ost: Kein Anschluß zur S-Bahn

Die Anbindung der Tegeler Buslinien an den S-Bf Tegel kann wohl als Beleg für den Stellenwert des ÖPNV im Bezirksamt Reinickendorf gewertet werden. Die bereits in SIGNAL 8/94 vorausgesagte Situation ist wie erwartet eingetreten: Die Umsteigesituation zwischen der wieder in Betrieb genommenen und den unverändert verkehrenden OL 120, 124, 125, 133 und 222 ist untragbar. Aber dem Bezirksamt ist der weite Umsteigeweg offenbar völlig egal. Weder das Befahren der Grußdorfstraße wurde der BVG ermöglicht, noch wurden die Haltestellen in der Buddestraße wenigstens etwas näher Richtung S-Bahnhof verschoben oder etwa für die OL 133 eine zusätzliche Haltestelle in der Berliner Straße eingerichtet. Wegen all dieser Mißstände wollen BVG und S-Bahn Berlin GmbH nun gemeinsam auf den Bezirk einwirken. Einen Stand hätte die BVG allerdings selbst vermeiden können: Die einzige schon jetzt an den S-Bf Tegel herangeführte Buslinie, die auf dem umgebauten Bahnhofsvorplatz endende Linie 224, ist im BVG-Liniennetz hier nicht eingetragen worden.

Auch in Lichterfelde Ost müssen die Fahrgäste laufen. Die von der BVG anläßlich der S-Bahn-Wiederinbetriebnahme vorgesehene Heranführung der Buslinien 110 und 211 zum S-Bf Lichterfelde Ost konnte bisher nicht realisiert worden, weil beide Buslinien in einer Schleifenfahrt zur Endstelle am Oberhofer Platz durch eine schmale Wohnstraße geführt werden sollten. Die sich jetzt anbahnende Lösung. die OL 11O zum südlichen Bahnhofsvorplatz und die OL 211 über den Jungfemstieg zum nördlichen platz zu führen, ist zwar aus Fahrgastsicht nicht optimal, aber immerhin besser als gar keine Verknüpfung. Bleibt nur noch die Hoffnung darauf, daß die dafür erforderlichen kleinen Umbauarbeiten kurzfristig umgesetzt werden.

Noch ein weiteres Umsteigeproblem bleibt in Steglitz zu lösen. Am Südende muß die Haltestelle der OL 383 unmittelbar vor den Bahnhofseingang verlegt werden. Das von "Verkehrs­experten" aufgestellte Absperrgitter ist völlig überflüssig.

Baubeginn für die Wasserstadt, aber ohne ÖPNV

Viel diskutiert und fast ebenso viel versprochen wurde zur Anbindung der künftigen Wasserstadt Oberhavel an das ÖPNV-Netz. Aber fast zeitgleich zum Baubeginn für die im Bezirk Spandau gelegene Wasserstadt mußte die BVG jetzt die Omnibuslinie die bisher im Berufsverkehr bis Rhenaniastraße fuhr, zurückziehen, weil die Endhaltestelle nicht mehr zur Verfügung steht. Die Fahrgäste müssen nun halt den Kilometer bis zur Endstelle am Lüdenscheider Weg laufen...

Fazit

Hätten nicht Berliner Bezirkspolitiker (z.T. wegen angeblich gravierender Nachteile für den Autoverkehr - wie z.B. in Tegel) an mehreren Stellen die von der BVG vorgesehenen Verbesserungen des Busliniennetzes verhindert, könnte das neue Busliniennetz insgesamt positiv bewertet werden. Das Hauptproblem sind und bleiben aber die rücksichtslosen und einseitigen Mittelkürzungen des Berliner Senats, die seit 1991 zu einer kontinuierlichen Verschlechterung des Angebotes durch immer weitere Taktausdünnungen, verkürzte Betriebszeiten und durch nur noch zeitweilig bediente Linien bzw. Linienabschnitte führen.

IGEB

aus SIGNAL 5/1995 (Juli 1995), Seite 4-7