Berlin • Brandenburg

Modernisierte Doppelstockwagen auf der Magistrale

Fahrgasteinsatz beginnt auf RE 1 und RE 11


IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

5. Sep 2012

Im neuen Verkehrsvertrag für die Zeit ab 9. Dezember 2012 sind sie gefordert: Modernisierte Fahrzeuge auf der wichtigsten Regionalexpresslinie Brandenburgs, dem RE 1 Magdeburg—Brandenburg/Havel— Potsdam—Berlin—Frankfurt/Oder und weiter als RE 11 über Eisenhüttenstadt und Guben nach Cottbus. DB Regio, der Gewinner der Ausschreibung, lässt deshalb 15 Zuggarnituren (75 Wagen) ihrer RE160-Wagen im DB Fahrzeuginstandhaltungswerk Wittenberge den Vorgaben gemäß umbauen. Der erste fertig umgebaute Zug wurde am 5. Juli in Wittenberge präsentiert. Seit

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Anfang August 2012 ist er auf dem RE 1 im Fahrgasteinsatz unterwegs. Die Züge werden als „DostoWWX“ bezeichnet (Dosto=Doppelstock, WWX ist die bahninterne Bezeichnung für das Fahrzeuginstandhaltungswerk Wittenberge). Als Triebfahrzeug ist regulär die Baureihe 182 vorgesehen.

Umbau für 24 Mio Euro

Neue Polster, weichere Sitze und Tischchen an jedem Vis-á-vis-Sitz, aber auch 2 cm weniger Kniefreiheit: Die neue Einrichtung der sanierten Doppelstockwagen. Steckdosen befinden sich an jedem Doppelsitz. Foto: Florian Müller
Von außen nur an Details zu unterscheiden von den bisherigen RE160-Wagen, z. B. an der veränderten Schriftart der Anschriften. Foto: Florian Müller
Die Treppen zwischen den Etagen haben sich wenig verändert, im Zwischengeschoss gibt es weitere Sitze. Foto: Florian Müller
Es herrscht weiterhin ein Angebot von Vis-á-vis-Bestuhlung und Reihenbestuhlung vor. Die Fahrgastinfo ist mit LED-Anzeigern über der Treppe und TFT-Monitoren nicht deutlich weiterentwickelt worden. Foto: Florian Müller
Sitzplatzanzahl bei 5-Wagen-Zug (Steuerwagen + Mittelwagen + Servicewagen + Mittelwagen + Mittelwagen [+ Lok]): 607 Fahrgast-Sitze
Erfreulicherweise weiterhin an Bord: Der Snack- und Getränkeautomat im Servicewagen. Foto: Florian Müller
Große Mehrzweckabteile, hier im Mittelwagen, für Kinderwagen, Gepäck und Fahrräder. An den Klappsitzen Ösen für die Fahrradbefestigung. Foto: Florian Müller
Das 1.-Klasse-Abteil im Oberdeck des Servicewagens mit Ledersitzen und Zwei-plus-eins-Bestuhlung. Foto: Florian Müller
Der Servicewagen hat nun neu eine Schieberampe zur Spaltüberbrückung, hier in eingezogenem Zustand. Um die Konstruktion hat sich der Hersteller viele Gedanken gemacht – hoffentlich erfolgreich. Foto: Florian Müller
Die ausgefahrene Schieberampe, hier bei der Präsentation abseits eines Bahnsteigs. Das Türöffnen und Ausfahren der Rampe dauert 5 Sekunden, das Schließen und Einfahren 7 Sekunden. Foto: Florian Müller
Das neue Rollstuhlfahrer-Abteil im Servicewagen. Rechts die beiden Rollstuhlplätze mit Sprechstelle und Hilfe-Anforderungstastern. Das Metallgitter dient der Befestigung der Rollstühle. Dahinter das behindertengerechte WC. Foto: Florian Müller
Das Rollstuhlfahrerabteil in Blickrichtung Einstiegsbereich. Rechts die neuen großen Klappsitze für die Rollstuhlfahrer-Begleitpersonen. Sowohl im Oberdeck wie unten sind an den Seiten flache Gepäckraufen angebracht, geeignet für kleine Gepäckstücke. Foto: Florian Müller
Zum Umbau wurden die bisherigen RE160-Wagen komplett entkernt. Foto: Florian Müller

Im Prinzip sind die „alten“ RE160-Wagen noch auf der Höhe der Zeit. So sind die ältesten dieser Bauart erst etwa 13 Jahre alt und gut gepflegt (Beginn der Auslieferung 1998). Um die Ausschreibung für alle Bewerber gerecht zu gestalten, musste der VBB vorgeben, dass DB Regio nicht mit ihren „Gebrauchtfahrzeugen“ bietet und somit einen kalkulatorischen Vorteil gegenüber anderen Bietern hat, die Neufahrzeuge beschaffen müssten. Die wichtigsten Änderungen betrafen die Zahl der Sitzplätze und das behindertengerechte WC, dass nun nicht mehr im Steuerwagen, sondern in der Mitte des Zuges angeordnet sein muss, damit es beim Halt am Bahnsteig immer im selben Bereich zu finden ist. Somit musste auch DB Regio ihre Wagen für 24 Mio. Euro komplett umbauen, obwohl der Nutzen für die Fahrgäste relativ gering ist. Die Umbaukosten hat die DB in Ihrer Angebotssumme für den Verkehrsvertrag selbstverständlich eingepreist.

Hier stoßen die Einspareffekte, die eine Verkehrsausschreibung mit sich bringen soll, an ihre Grenzen. Der VBB konnte nicht anders handeln, und DB Regio musste sich den Vorgaben fügen.

44 Sitzplätze mehr – dafür kleinerer Sitzabstand

Nichts desto trotz sind beim Umbau wiederum ansehnliche Fahrzeuge herausgekommen, die nun zum größten Teil auf der Höhe der Zeit sind. Am auffälligsten sind die Änderungen an den Sitzen. Pro Fünf-Wagen- Zug sind jetzt 44 Sitzplätze mehr eingebaut als vorher. Insgesamt sind es jetzt 607 Sitze je Zug. Das geht zu Lasten des Sitzabstandes. Sowohl in der Vis-á-vis-Bestuhlung als auch in der Reihenbestuhlung schrumpft die Kniefreiheit für jeden Sitz um ca. 2 cm. Großgewachsene Menschen haben dadurch weniger Platz, was die IGEB bereits auf dem Fahrgastsprechtag im September 2011 kritisiert hatte.

Durch den Wegfall von verwinkelten Ecken zum Kofferabstellen und Entfall des Dienstabteils sowie Wahl eines Sitzmodells mit dünnerer Rückenlehne wurden noch größere Einschränkungen vermieden. Die Velours-Polster sind durch eine bessere Konstruktion jetzt etwas weicher und bequemer. In der 1. Klasse gibt es Lederbezüge.

Neue Innengestaltung

An jedem Doppelsitzplatz gibt es jetzt eine Strom-Steckdose für Laptop oder Mobiltelefon, alle Vis-á-vis-Abteile haben ein Tischchen. Die Anordnung der Sitze zu den Fenstern ist weiterhin „wie zufällig“, so dass es Sitze mit Blick auf die Wand anstatt aus dem Fenster gibt. Die Mehrzweckabteile sind neu gestaltet und bieten mehr Raum für Fahrradmitnahme und Kinderwagen. Offiziell dürfen nun 50 Fahrräder im Zug mitgenommen werden.

Der ganze Zug ist mit einer Videoaufzeichnung des Fahrgastraumes für 72 Stunden ausgerüstet (pro Wagen 12 bzw. 13 Kameras). Die Türen sind mit einer Einklemmerkennung und Einklemmschutz mittels elektrischer Kontaktleiste ausgerüstet. Die Einstiegsbereiche werden mithilfe eines Lichtgitters überwacht, welches auch kleinste Objekte erfasst. An den Türen ist eine automatische Fahrgastzähleinrichtung installiert, die die Zähldaten und den Standort in Echtzeit per Mobilfunk versenden kann.

Die Beleuchtung erfolgt durch LEDs in Leuchtstofflampenbauform. Die Fahrgastinformation präsentiert sich allerdings nach wie vor auf dem technischen Stand von vor fünf Jahren. LEDLaufschrift- Bänder über den Treppen zeigen das Ziel und den nächsten Bahnhof, kleine TFT-Monitore im Fahrgastraum zeigen dasselbe und weitere Übergangsmöglichkeiten. Die Software ist dieselbe wie bisher, Echtzeit-Anschlussinformationen werden auch hier erst in späterer Zeit verfügbar sein. Jeder Wagen hat ein WC ebenso wie eine Klimaanlage.

Von außen sind die weiterhin verkehrsrot lackierten modernisierten Wagen kaum von den bisherigen RE160-Wagen zu unterscheiden. Die Beschriftung der Wagenklasse ist außen in einer veränderten Schriftart angebracht, das ist neben der nun bernsteinfarbenen LCD-Zielanzeige (anstatt grün) schon das auffälligste.

Neue Spaltüberbrückung

Der Servicewagen führt nun im Einstiegsgeschoss neben dem behindertengerechten WC ein großzügiges Behindertenabteil mit zwei Rollstuhlplätzen und Begleiterplätzen. An den Türen des Servicewagens gibt es automatische Schiebetritte zur Bahnsteigspaltüberbrückung, damit Rollstuhlfahrer bequem in den Wagen hineinrollen können. Um Störungen des Schiebetritts durch Vereisung im Winter zu begegnen sind die Tritte beheizbar.

Im Oberdeck ist die 1. Klasse untergebracht. Positiv ist die Beibehaltung des Kaffee- und Snackautomaten im Servicewagen, der in der Ausschreibung nicht zwingend gefordert war, für die Fahrgäste aber ein deutliches Komfortmerkmal darstellt. Die ODEG will in ihren neuen Doppelstockzügen „Kiss“ auf dem RE 2 und RE 4 einen solchen Service nicht anbieten.

Weitere Umbauwagen geplant

Die Wagen für den RE 1/RE 11 sollen bis Frühjahr 2013 komplett ausgeliefert sein. In ähnlicher Art sollen weitere 10 Wagen für das Netz Elbe-Elster (RE 18 Dresden—Cottbus) sowie mit etwas anderer Ausstattung weitere 106 Doppelstockwagen für das Nord-Süd- Netz (RE 3 Elsterwerda—Berlin—Stralsund) und RE 5 (Rostock—Berlin—Falkenberg bzw. Lutherstadt Wittenberg) bis 2014 umgebaut werden. (fm)

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 4/2012 (September 2012), Seite 8-10