Nahverkehr
1. Jun 1989
Wenn es nach dem neuen Senat geht, wird trotz der beabsichtigten verkehrspolitischen Wende zugunsten des ÖPNV die Staakener S-Bahn zunächst nicht wieder in Betrieb gehen. Denn die Koalitionsvereinbarung sieht den S-Bahn-Verkehr nur auf dem Abschnitt Westkreuz - Rathaus Spandau (S5) ab 1993/94 vor.
Dabei hat der sozialdemokratische Bezirksbürgermeister von Spandau, Herr Salomon, bereits 1984 richtig erkannt, "daß die Verbindung Staaken - Friedrichstraße einen wichtigen Stellenwert in der Gesamtplanung für die S-Bahn einnehmen sollte." (IGEB, "Auch westwärts liegen Gleise"). Es ist ein Skandal, daß bei der ohnehin erst relativ späten Wiederinbetriebnahme die Anbindung der Spandauer Großsiedlungen durch den Abschnitt Rathaus Spandau - Staaken keine Berücksichtigung findet und so die Spandauer S-Bahn ihrer eigentlichen Funktion als "Vorortschnellbahn" nicht gerecht wird. Denn gerade von den Bewohnem der Staakener Neubaugebiete wird die S5 dringend gebraucht, trotz U7. Denn die U-Bahn liegt fernab der bedeutenden Wohngebiete im Westen des Bezirks, so lange Fahrten im unzuverlässigen Spandauer Busnetz durch verstopfte Straßen nach wie vor zum Alltalg gehören. Zudem verspielt die U7 ihren Vorteil der hohen Reisegeschwindigkeit durch ihren Umweg über Siemensstadt.
Deshalb ergab auch die Verkehrsuntersuchung 1984 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eindeutig die höchste verkehrliche Bedeutung für die S-Bahn Westkreuz - Staaken nach der Ringbahn, was durch die Verkehrsverwaltung 1987 bestätigt wurde. Schließlich profitieren von dieser S-Bahn nicht nur die Anwohner, sondern auch die Berliner Arbeitnehmer, die an einem der überproportional (zur Spandauer Wohnbevölkerung) vorhandenen industriellen Arbeitsplätze tätig sind. Die Bedeutung dieser S-Bahn für das Ausstellungs- und Olympiagelände ist hinlänglich bekannt und wird sich beim evangelischen Kirchentag durch ihr Fehlen wieder bemerkbar machen.
Von politischer Seite wird dem jedoch keine Bedeutung gegeben. Obwohl die Großsiedlungen Falkenhagener Feld und Heerstraße Nord in ihrer Größe und Lage dem Märkischen Viertel vergleichbar sind, wird zunächst im Süden der Stadt mit dem Bau der U9 nach Lankwitz und Wiederinbetriebnahme der S6 nach Lichterfelde Süd doppelt investiert. Diese im Koalitionspapier von AL und SPD vereinbarte Verkehrspolitik stellt einen Mißbrauch des Vertrauens der Spandauer Wähler dar.
Darüber hinaus soll mit der Demontage der S-Bahn-Brücke über die Nauener Straße die Staakener Strecke (wie bereits am Brandwerder Weg) ein weiteres Mal unterbrochen werden. Diese Planung kann nicht akzeptiert werden, solange nicht der sofort anschließende Neubau der Brücke unter Berücksichtigung des hier vorgesehenen Bahnhofs gesichert ist.
Neue Unsicherheiten entstehen mit der Überlegung, die Reaktivierung der S-Bahn-Linie 5 vom Ausbau der Fernbahn Berlin - Hannover abhängig zu machen, obowhl ca. acht Kilometer der 13 Kilometer langen Strecke abseits der Reichsbahn-Strecke auf einer eigenen Trasse liegen. Es sollen "doppelte Arbeiten" vermieden werden, die genauso durch eine planerische Berücksichtigung der Fernbahn bei den S-Bahn-Bauunterlagen (bei einer vorgezogenen Wiederinbetriebnahme) ausgeschlossen werden könnten. Die Staatsbahnen (DB, DR) führen regelmäßig vor, wie parallel zu betriebenen Eisenbahnstrecken zusätzliche Bahnanlagen, beispielsweise für S-Bahnen, angelegt werden, was hier auf Kosten rund 1/4 Million Berliner problematisiert wird.
Zu begrüßen ist lediglich, was der Bausenator durch die Verknüpfung der Projekte Fernschnellbahn und S-Bahn bei baldigem Vertragsabschluß mit der DDR zu erreichen hofft und unserer Forderung (unter Einbeziehung des Streckenteils nach Staaken) entspricht: die Wiederinbetriebnahme der S-Bahn vorzuziehen.
S-Bahn-Initiative Spandau - Staaken
aus SIGNAL 5/1989 (Juni 1989), Seite 11-12