Schienenverkehrswochen 2012
Breite Themenpalette beim Fahrgastsprechtag BVG-Omnibus
26. Okt 2012
Mit dem diesjährigen Sprechtag für die Busfahrgäste der BVG fand am 18. September 2012 erstmals ein Sprechtag in der BVGZentrale in Berlin-Mitte statt. Den Fragen der zahlreich erschienenen Fahrgäste stellten sich der Bereichsleiter Bus Martin Koller und der Abteilungsleiter Betriebsmanagement Helmut Graetz. Moderiert wurde die Veranstaltung vom IGEBAbteilungsleiter Artur Frenzel.
Einführend sprach Martin Koller die finanzielle Problematik der Leistungsvergütungen durch den Aufgabenträger an. Die BVG hat eine Leistungsunterdeckung von 44 Millionen Euro ermittelt. Da der Finanzsenator Nußbaum nicht bereit ist, diese Mittel aufzubringen, erfolgen Verhandlungen mit dem Senat über eine Revision des bestehenden Verkehrsvertrages, die zurzeit ergebnisoffen laufen. Man kann wohl ahnen, dass der Ausgang der Verhandlungen kaum auf ein Mehrangebot hinauslaufen wird, aber eine Minderung wäre nicht hinnehmbar, zumal die Fahrgastzahlen steigen.
Helmut Graetz berichtete in seinem Einführungsvortrag über die anstehenden Änderungen im Busverkehr zum Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2012.
Auf dem X 10 soll der
10-Minuten-Takt werktäglich bis gegen 22 Uhr ausgeweitet werden. Auch am Wochenende wird dann im 10-Minuten-Takt gefahren. Zugleich wird allerdings der 285er angepasst. Jede zweite Fahrt endet bereits an der Andréezeile, so dass nur noch alle 20 Minuten zum Waldfriedhof Dahlem gefahren wird.
Der M 11 endet künftig anstelle des X 11 am U-Bf. Dahlem Dorf. Der X 11 fährt stattdessen ab Wiesenbaude im Zuge der bisherigen Linie 184 zum U-Bf. Krumme Lanke. Der 184er wiederum übernimmt, ähnlich wie früher, ab S-Bf. Lichterfelde Ost die Aufgaben der Omnibuslinie OL 117 nach Teltow, Warthestraße. Auf Wunsch von Havelbus fährt er nicht am S-Bf. Teltow Stadt vorbei, sondern nimmt den direkten Weg durch den Teltower Ortskern.
Die im Berliner Norden zwischen Frohnau und Hauptbahnhof verkehrende OL 120 wird geteilt. Zukünftig fährt der 120er vom Hauptbahnhof bis S+U-Bf. Wittenau und weiter etwa im Zuge des heutigen nördlichen Astes der OL 221 über Wittenauer Straße und Senftenberger Ring zu seiner neuen Endstelle am Wilhelmsruher Damm. Den Frohnauer Ast übernimmt die OL 220. Im Zuge der bisherigen OL 120 fährt der 220er von Frohnau zum S/U-Bf. Wittenau und weiter wie OL 325 über Humboldt-Klinikum bis, man höre und freue sich, U-Bf. Alt-Tegel. Der 325er entfällt somit. Lücken im nördlichen Linienast dieser Linie werden durch Verstärkerfahrten der OL 122 bedient, welcher teilweise mit durchgebunden Wagen der OL 221 bestückt wird, der künftig grundsätzlich an der Märkischen Zeile, also etwa im Zentrum des Märkischen Viertels, endet.
Eine Taktverdichtung erhält der M 45. Statt alle 10 Minuten gibt es künftig eine 6/6/7-Minuten Wagenfolge, was erfreulich ist.
Im Nachtverkehr fährt der N 34 bis Kaserne Hottengrund. Die Linie N 35 bedient die Haltestelle nicht mehr und fährt geradlinig durch den Krampnitzer Weg.
Die Anzahl der Daisy-Haltestellenanzeiger wird zu den vorhandenen 99 Anlagen um weitere 200 ergänzt. Der Ausbau ist im Gange. Bei geplanten Umleitungstrecken werden diese in den Anzeigern berücksichtigt, und bei kurzfristigen Störungen ist eine manuelle Eingabe durch die Leitstelle möglich. In der Praxis klappt das jedoch oft nicht, da der Disponent in der Leitstelle bei Störungen mit der Umleitungsdisposition beschäftigt ist und die Kundeninformation erst danach ansteht. So geschieht allzu oft, dass „Daisy“ ausgerechnet in diesen Fällen eine falsche Information gibt.
Aber Besserung ist geplant. Neben dem Entstörungsmanagement in der Leitstelle soll es auch ein parallel arbeitendes Fahrgastinformationsmanagement geben. Vermutlich wird das 2014 im Zuge des Umzuges und der Vereinigung der Bus- und Straßenbahn- Leitstelle im Betriebshof Lichtenberg eingerichtet.
Mit dem VBB wird daran gearbeitet, auch Echtzeitdaten von Umlandverkehrsbetrieben (Havelbus, OHV usw.) auf den Daisy- Anzeigern darzustellen, was bislang nicht möglich ist.
In der anschließenden Publikumsfragerunde wurde die Problematik der Missachtung von Busspuren durch andere Verkehrsteilnehmer, die sich daraus ergebenden Fahrzeitverlängerungen, Unpünktlichkeit und Kolonnenbildung von Bussen kritisch angesprochen. Ein weiterer Kritikpunkt war die steigende Tendenz zu Verfrühungen.
In der Antwort zeigte sich die Begrenztheit der Möglichkeiten der BVG, die Probleme bei den Busspuren zu lösen. Ohne die Hilfe der Ordnungskräfte (Polizei, Ordnungsamt, Verkehrslenkung usw.) ist keine Verbesserung möglich. Die BVG setzt zwar ständig 20 Busspurbetreuer ein. Diese stellen Falschparker fest, müssen aber erst Rücksprache mit der Polizei halten, bevor eine Freiräumung durch Abschleppen erfolgen darf. Das alles dauert viel zu lange, und entsprechend gering ist der Erfolg. Eine radikale Freiräumung vor dem zeitlichen Beginn der Sonderfahrspur, wie sie in anderen Städten praktiziert wird, ist in Berlin natürlich nicht möglich, denn auf ÖPNV-Förderung wird spätestens dann verzichtet, wenn es auch nur einen Autofahrer treffen könnte. Immerhin prüft man die rechtlichen Möglichkeiten derartiger Maßnahmen nun auch in Berlin.
Auf die steigende Anzahl von verfrühten Fahrten, die von der BVG bestätigt wurden, will sie BVG mit Aufklärungsarbeit und einem Zusatzplatz in der Leitstelle reagieren. Wird ein Platz reichen?
Auch der Vordereinstieg mit Fahrscheinkontrolle spielte wie jedes Jahr eine Rolle bei den Fahrgastfragen. Interessanterweise monierte der Fragesteller nicht die Kontrolle der Fahrscheine, sondern die in der Praxis häufig auftretende Nichtkontrolle. Er fühlte sich vom demonstrativ wegschauenden Fahrer ignoriert. Aus der Antwort von Helmut Graetz sprach eine gewisse Ratlosigkeit. Er wies auf die Fülle der gültigen Fahrscheine und elektronischen Fahrtberechtigungen hin, die eine Überprüfung während des Einstieges praktisch nicht zulassen. Auch eine zunehmende Gewaltbereitschaft bestimmter Personengruppen führt zur Nichtkontrolle der Fahrscheine. Grundsätzlich besteht die Kontrollpflicht jedoch weiterhin, und die Zahl der Fahrscheinkontrollen im Bus durch Kontrolleure sei verstärkt worden.
Angesichts dieser Situation muss erneut gefragt werden, warum daraus nicht die einzig naheliegende Schlussfolgerung gezogen wird: Beendigung des Zwangs zum Vordereinstieg und der Kontrollpflicht für das Fahrpersonal, stattdessen Stichproben durch tarifkundige Kontrolleure – wie bei U-Bahn und Straßenbahn üblich. Die Fahrgäste und das BVG-Fahrpersonal würden entlastet und wären – jedenfalls überwiegend – dankbar. Außerdem würde es bekanntlich Kosten durch Beschleunigung sparen.
Fragen gab es außerdem zum Erscheinungstermin des nächsten Fahrplanbuches und des Berlin-Atlas‘. Die letzte Ausgabe erschien im Mai 2011. Inzwischen wurde vieles verändert. Das Problem ist auch der BVG bewusst. Eigentlich sollten im Juni 2012 zur Eröffnung des neuen Flughafens auch neue Druckwerke vorliegen. Mit neuen Terminen ist man nun vorsichtig. Die Einsicht, dass aber unabhängig von einem neuen Flughafeneröffnungstermin eine gültige Fahrplanausgabe in Druckform vorhanden sein muss, ist auch bei der BVG vorhanden. Zuständig sei allerdings der VBB. Für die IGEB ist klar, dass die vorhandenen elektronischen Auskunftsmöglichkeiten kein gedrucktes Kursbuch ersetzen können, weder beim Angebot der BVG noch anderer Verkehrsunternehmen.
Kritik gab es an den eingesetzten Low- Entry-Bussen, deren Sitzplatzbereich im Heckteil nur über Stufen erreichbar ist. Auch die geringe Sitzplatzhöhe einiger als für Behinderte ausgewiesener Sitze im vorderen Busteil wurde kritisiert. Martin Koller erklärte, die niedrigen Sitze seinen für kleinwüchsige Personen gedacht, auch sei die Sitzplatzausstattung aller Fahrzeuge generell mit den Vertretern von Mobilitätsverbänden abgestimmt worden. Helmut Graetz fügte hinzu, gerade die Low-Entry-Fahrzeuge würden von anderen Fahrgastgruppen bevorzugt, da sie über einen größeren Sitzplatzanteil gegenüber anderen Niederflur-Eindeckern verfügen. Zukünftig sollen jedoch wieder reine Niederflurbusse beschafft werden.
Aus Kostengründen wurde die Nutzung der in allen Bussen eingebauten Kneeling- Funktion, also das Absenken des Wagenkastens an Haltestellen zum bequemeren Ein- und Ausstieg der Fahrgäste, verändert. Es gibt zwar technische Unterschiede einzelner Bustypen, aber bislang senkten sich alle Bustypen an den Haltestellen ab. Das kostete pro Jahr ca. zwei Millionen Euro durch 0,4 Liter zusätzlichen Kraftstoffverbrauch sowie eine stärkere Kompressor-Belastung mit häufigeren Reparaturen. Deshalb gibt es jetzt ein Bedarfs-Kneeling. Abgesenkt wird der Wagenkasten nur dann, wenn der Busfahrer optisch eine Notwendigkeit zum Absenken erkennt oder die innen und außen angebrachte Servicetaste durch einen Fahrgast betätigt wird.
Das hört sich gut an, funktioniert in der Praxis aber nicht. Es wurden Beschwerden geäußert, dass der Wagenkasten trotz Anforderungswunsch vom Fahrer nicht abgesenkt wurde. Bus-Chef Koller versprach, dieses Problem im Auge zu behalten und im Nichterfolgsfall Abhilfe zu schaffen. Eine Lösung kann nach IGEB-Auffassung nur die Rückkehr zum Regel-Kneeling an allen Haltestellen sein.
Ein weiterer Kostenfaktor mit sehr unterschiedlich empfundenem Erfolg sind die Klimaanlagen. Diese werden von der BVG aber, im Gegensatz zum Regel-Kneeling, nicht in Frage gestellt.
IGEB Stadtverkehr
aus SIGNAL 5/2012 (November 2012), Seite 6-7