Brandenburg
Kleine Chronik über ein ständiges Hin und Her
26. Okt 2012
Seit über drei Jahren ist strittig, ob der Straßenbahn- Ast von Cottbus Hauptbahnhof zur Jessener Straße erhalten bleiben soll oder nicht. Eine Vorentscheidung fällt im Rahmen der anstehenden Umgestaltung des Vorplatzes am Hauptbahnhof (siehe u. a. SIGNAL 2/2012 ). In dem ständigen Hin und Her zwischen einer Entscheidung zugunsten der Straßenbahn und einer Entscheidung zugunsten einer Umstellung auf Busverkehr sind zuletzt die Chancen der Straßenbahn wieder gestiegen.
Die Cottbuser Stadtverordneten beschließen, dass „die Verwaltung (…) beauftragt wird, den Ersatz der (…) Straßenbahnstrecken Bonnaskenplatz—Schmellwitz-Anger und Hauptbahnhof—Jessener Str. durch Busverkehr vorzubereiten“.
ProTramCottbus (PTC) initiiert ein Bürgerbegehren, das die Untersuchung der Wirtschaftlichkeit mehrerer Neubaustrecken zum Inhalt hat. Die dort enthaltenen Forderungen übernimmt die Stadtverwaltung
und beauftragt die Firma VCDB mit einer entsprechenden Machbarkeitsstudie. Und tatsächlich: Die Studie vom 18.08.2010 weist für die Neubaustrecke zum Carl-Thiem-Klinikum einen Nutzen-Kosten-Faktor von 2,82 mit einem jährlichen Nutzen von 440.000 Euro nach! Damit scheint die Strecke zur Jessener Straße zunächst einmal gesichert, denn über große Teile dieser Trasse führt die Schleife zum Klinikum.
Der Beschluss vom 24.06.2009 enthält auch einen Passus zum Bau einer Tram-Schleife am Hauptbahnhof. Im Mai 2011 wird von der Stadtverwaltung ein dementsprechender Plan vorgestellt. Er enthält auf neuer Trassenführung einen Anschluss an die Strecke zur Jessener Straße, siehe Grafik.
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, dass die Planung der Bahnhofsschleife in zwei Varianten erfolgen soll: Mit Weiche für den Anschluss an den Ast Jessener Straße und ohne Weiche (siehe Grafik).
In der Begründung zum Beschluss wird ausgeführt: „Da aus heutiger Sicht der dauerhafte Bestand der Gleisanlage in der Vetschauer Str./Richtung Jessener Str. nicht gesichert ist, muss die Vorzugsvariante so weiter geplant werden, dass der betreffende Gleisanschluss nur optional Berücksichtigung findet. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass ausschließlich verkehrlich begründete und notwendige Infrastruktur geplant und gebaut wird. Die verkehrliche Bedeutung des Gleisanschlusses ist direkt verbunden mit der Streckennetzerweiterung zum Carl-Thiem-Klinikum. Derzeit ist dieses Vorhaben finanziell nicht realisierbar. Der Gleisanschluss Vetschauer Str./Richtung Jessener Str. wird so geplant, dass er nur im Zusammenhang mit dieser Maßnahme ausgeführt wird. Ohne diesen Gleisanschluss reduzieren sich die Finanzierungsanteile Cottbusverkehr um 577 T€ Netto (ink. Nebenkosten).“
Also: Keine Weiche, der Zweig Jessener Straße ist tot, die Klinikums-Schleife würde bei Realisierung teurer werden.
PTC macht auf allen Ebenen Druck gegen diesen Beschluss: Brief an den OB, Brief an die Stadtverordneten, Stellungnahmen in der Presse. Eigentlich fehlt nur noch ein neues Bürgerbegehren. Nebenbei fragt sich PTC, ob denn ein derartiger Preis für eine Weiche tatsächlich gerechtfertigt sein kann.
Völlig überraschend ist am 26.07.2012 in der Lausitzer Rundschau (LR) zu lesen: „Erst vor einer Woche hatte der Aufsichtsrat des städtischen Verkehrsbetriebes sich für den Erhalt der Strecke ausgesprochen. Beim geplanten Umbau des Bahnhofsvorplatzes zum Verkehrsknoten muss deshalb nun auch eine neue Weiche eingebaut werden.“ Haben die Proteste von PTC gewirkt? Es scheint so!
Laut Lausitzer Rundschau vom 13.09.2012 hat nun inzwischen der Umweltausschuss der Stadtverordnetenversammlung den neuen alten Plänen zugestimmt. Die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung steht noch aus. Cottbusverkehr veröffentlicht erste Pläne für die Linienführung ab 2015. Danach soll die Linie 1 von Neu-Schmellwitz (bisher Linie 4) zur Jessener Straße verkehren. Die Linien 2 und 3 bleiben unverändert.
Wohl kaum, denn der Zweig nach Schmellwitz- Anger ist nach den neuen Plänen abgeklemmt. Zwar muss man dieser Linie tatsächlich mangelhafte Nutzung bescheinigen (Fahrgastzahlen im Fahrzeug zwischen den Haltestellen an Werktagen im Jahr 2009: Bonnaskenplatz – 1200 – Beuchstr. – 900 – Nordfriedhof – 600 – Am Nordrand – 400 – Schmellwitz Anger) aber niemand hat bisher nachgewiesen, dass die Umstellung auf Busverkehr tatsächlich zu Einsparungen führt. Und genau einen derartigen Nachweis fordert PTC seit 2009 – bisher ohne Erfolg.
2009 hatte die Stadtverwaltung hierzu eine völlig unzureichende Rechnung herausgegeben. Danach bezog sie sich stets auf ein Straßenbahnkonzept vom Dezember 2010, das aber PTC trotz mehrfacher Anforderung noch nie in der Hand hatte. Was ist an einem derartigen Konzept eigentlich so geheim? Außerdem kam von der Stadtverwaltung stets der Zusatz, dass man die Wirtschaftlichkeit einer Strecke nicht losgelöst betrachten könne. Warum eigentlich nicht? Auch hier ist ein gesundes Misstrauen sicherlich angebracht. Ferner ist festzustellen, dass ein Beschluss zur Umstellung des Astes nach Schmellwitz-Anger auf Busverkehr seitens der Stadtverordneten noch aussteht.
PTC ist darüber hinaus der Meinung, dass vor einem derartigen Beschluss eine weitere Erhebung der Fahrgastzahlen durchgeführt werden sollte, sobald die Linie wieder als Tram verkehrt (vermutlich ab 2013). Möglicherweise haben sich die Schmellwitzer zwischenzeitlich ja doch überlegt, dass man ein bestimmtes Verkehrsmittel nur dann fordern kann, wenn auch eine entsprechende Auslastung erreicht wird.
Fahrgastbeirat? Still ruht der See. Seit April 2012 fand keine Beratung mehr statt. Und die zuvor durchgeführten Beratungen kann man wohl eher als „verwaltungslastige Veranstaltungen“ charakterisieren. Wolfgang Bialas, CDU-Stadtverordneter, scheint Recht gehabt zu haben, als er laut Lausitzer Rundschau vom 21.07.2009 zur Gründung des Fahrgastbeirats feststellte: „Typisch Cottbus, (…) die Leitung beansprucht der Oberbürgermeister für sich – getreu dem Motto ,Cottbus bin ich‘“. (Dieter Schuster)
ProTram Cottbus
aus SIGNAL 5/2012 (November 2012), Seite 16-17