International
26. Okt 2012
Europa zusammenwachsen zu lassen – das ist das erklärte Ziel der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T). Doch trotz aller seit den 1990er Jahren unternommenen kostspieligen Anstrengungen klaffen die Lücken im europäischen Verkehrsnetz noch immer ausgerechnet an den nationalen Grenzen. Hinzu kommt: Während bei den klimaschädlichen Verkehrsträgern, dem Straßen- oder Flugverkehr, wichtige Fortschritte erreicht wurden, geht es bei der umweltfreundlichen Schiene nicht voran. Schuld daran ist neben nationalen Egoismen auch die Fixierung auf gigantomanische Großprojekte. Diese nutzen zwar den Banken und der nationalen Bauindustrie, verschlingen jedoch enorme Summen, ohne wirklich zum Zusammenwachsen Europas beizutragen.
Die laufende Revision der Leitlinien für
die TEN-T sowie die Arbeit an den dazugehörigen Haushaltslinien („Connecting Europe Facility“) bietet die Gelegenheit, hier endlich umzusteuern. Am 6. September 2012 begann im Ausschuss die Debatte über die Leitlinien; am 17. September folgte die Aussprache bezüglich der Haushaltsdimension. Die Berichtsentwürfe stellen eine solide Grundlage dar, müssen jedoch an entscheidenden Stellen ergänzt werden: Die Ko-Finanzierungsrate für grenzüberschreitende Abschnitte muss erhöht, die Liste der Großprojekte massiv zusammengestrichen und die Berücksichtigung von Umweltaspekten und die Schaffung von Arbeitsplätzten in den Mittelpunkt gerückt werden. Als Schattenberichterstatter der Grünen werde ich mich für diese Ziele mit Nachdruck einsetzen!
Ein besonders eklatantes Beispiel für die fehlgeleitete Planung habe ich bereits im Ausschuss angesprochen: Die Kommission schlägt vor, einen Baltisch-Adriatischen Korridor zu schaffen, der den Bau der extrem teuren Semmering- und Koralm-Tunnel umfasst, anstatt die bestehende Trasse über die Pannonische Tiefebene auszubauen – siehe auch nachstehende Parlamentarische Anfrage.
Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang das Buch von Hubertus Godeysen, „ÖBB Österreichs Bundes Bahnen: Schwarze Löcher – rote Zahlen. Wie Österreichs Zukunft durchbohrt wird“, 2012.
Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament
aus SIGNAL 5/2012 (November 2012), Seite 22