Nahverkehr

Kurfürstendamm: Senatsverwaltung ignoriert Alternativ-Vorschläge


IGEB

1. Jul 1989

Die Diskussion um die Einführung von Busspuren auf dem Kurfürstendamm und der Tauentzienstraße hat nach der Vorstellung des IGEB-Konzeptes im Mai (s. SIGNAL 5/89 ) eine rege Fortführung gefunden. Verschiedene Organisationen traten mit eigenen Vorschlägen zur Realisierung von Ku’damm-Busspuren an die Öffentlichkeit.

So fordert der gewerkschaftsnahe Automobilclub von Europa (ACE) ebenfalls Busspuren auf dem linken Fahrstreifen, die allerdings entgegen der Fahrtrichtung des übrigen Verkehrs angelegt werden sollen, womit ein permanentes Freihalten der Busspur gewährleistet wäre und auch die Haltestelleninseln im Mittelstreifen großzügiger angelegt werden könnten. Die vorgeschlagenen Linksabbiegeverbote für den Individualverkehr würden jedoch eine merkliche zusätzliche Verkehrsbelastung in den Nebenstraßen durch den dann entstehenden "Um-den-Block-Verkehr" bedeuten, was dort alle Ansätze zur Verkehrsberuhigung verhindern würde. Problematisch erscheinen hierbei auch die Überquerungsmöglichkeiten für Fußgänger: Nicht nur ortsunkundige Touristen würden sich hier einem deutlich erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt sehen, da auf beiden Fahrbahnen Fahrzeuge aus beiden Fahrtrichtungen zu beachten wären.

Bus 19 auf dem Kurfürstendamm. Mit den Busspuren am rechten Fahrbandrand macht der Senat aus dem Bummelboulevard eine leistungsfähige Durchgangsstraße, die zum Rasen verleitet. Foto: M. Horth

Die Arbeitsgemeinschaft City, die sich noch vor kurzem gegen Busspuren aussprach, und die Alternative Liste Charlottenburg wollen dagegen die bisherige mittlere Fahrspur für den Busverkehr reservieren. Der linke Fahrstreifen verbliebe danach für den Individualverkehr, der rechte Fahrstreifen soll gleichzeitig zum Be- und Entladen, zum Halten von Taxen und auch für den (fließenden!) Radverkehr dienen. Unklar bleibt hier die Aufteilung der Fahrstreifen vor den Ampeln und inwieweit das Halten in zweiter Spur (in diesem Falle dann also auf der Busspur) verhindert werden kann.

Am weitesten geht der Vorschlag des Verkehrsclubs Deutschlands (VCD) und der Fahrgastinitiative Berlin (FIB): Sie fordern die Sperrung von Ku’damm und Tauentzienstraße zwischen Wittenbergplatz und Olivaer Platz für den motorisrerten Individualverkehr, da parallel die Kant- und die Lietzenburger Straße für den Verkehr zur Verfügung stünden. Je Fahrtrichtung soll der Fahrbahnquerschnitt hier auf jeweils nur einen Fahr- und einen Ladestreifen reduziert werden. Auf dem oberen Ku’damm zwischen Olivaer Platz und Rathenauplatz dagegen soll die Busspur ähnlich dem Konzept der AL Charlottenburg auf den mittleren Fahrstreifen gelegt werden. An Kreuzungen würden jedoch 2 Fahrspuren für den Individualverkehr zur Verfügung gestellt werden.

Senatskonzept nicht sinnvoll

So sehr sich die hier skizzierten Konzepte für die Beschleunigung des BVG-Verkehrs auf dem Kurfürstendamm auch unterscheiden, so wird doch deutlich, daß niemand das Verwaltungskonzept mit konventionellen Busspuren am rechten Fahrbahnrand für den Ku’damm als geeignet ansieht.

Erstens ist fraglich, ob es funktioniert. Denn der Gefahr, daß rechts abbiegende Pkw‘s entgegen den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung die Busspuren blockieren, kann auch durch vereinzelte Abbiegeverbote nicht grundsätzlich entgengewirkt werden. Und die auf dem Ku’damm sehr zahlreich zum Ein- und vor allem Aussteigen (bezahlen, Gepäck ausladen) haltenden Taxis und Reisebusse könnten bewirken, daß die BVG-Busse permanent in die mittlere und möglicherweise verstopfte Fahrspur wechseln müssen.

Zweitens sind vom Senatskonzept gravierende stadträumliche Folgen zu erwarten. Aus der bisher wegen Haltens in der zweiten Spur faktisch nur einen freie Fahrspur werden zukünftig drei Fahrspuren, davon zwei für den Individualverkehr. Dies wird das Geschwindigkeitsniveau auf dem Ku’damm insgesamt deutlich erhöhen und die Aufenthaltsqualität deutlich vermindern. Die Überquerungsmöglichkeiten für Fußgänger werden nur noch an Ampelanlagen gegeben sein, der Charakter des Bummelboulevards wird endgültig verloren gehen. Ungeklärt ist auch noch, ob tatsächlich - wie der Abgeordnete Michael Cramer (AL) befürchtet - die auf dem Bürgersteig stehenden Bäume gelichtet oder einzelne sogar ganz gefällt werden müssen. Und schließlich würde vermutlich dann auch auf dem Ku’damm das Parken auf dem Bürgersteig zur Regel werden.

Was will der Senat erreichen ?

Es ist zu befürchten, daß der motorisierte Individualverkehr auf dem Ku’damm durch die vom Verkehrssenator konzipierte Lösung eher noch begünstigt wird und der Bummelboulevard-Charakter dabei gänzlich verloren geht, auch weil für die schwächsten Verkehrsteilnehmer, die Fußgänger, die Situation eher schlechter wird. Daß sich der Verkehrssenator trotz der zahlreichen Bedenken und trotz der zahlreichen anderen Vorschläge dennoch auch auf dem Ku’damm für Busspuren am rechten Fahrbahnrand entschieden hat, stellt seiner Senatsverwaltung ein Armutszeugms aus und läßt den Verdacht aufkommen, ob am exponierten Beispiel Kurfürstendamm nicht gerade die Untauglichkeit von Busspuren zur Beschleunigunlg des ÖPNV nachgewiesen werden soll.

IGEB

aus SIGNAL 6/1989 (Juli 1989), Seite 13