Aktuell
1. Okt 1989
Auf dem Südring wird die "gute alte" Berliner S-Bahn ein Erscheinungsbild erhalten, das Berlins weit über das Jahr 2000 hinaus würdig ist. Auf alter Trasse wird sich die S-Bahn neu präsentieren. Am 25. September begann die Grundinstandsetzung. Das bedeutet aber auch weit mehr, als allgemein unter derartigen Bauarbeiten zu verstehen ist. Alles wird aufgearbeitet, überarbeitet, um- und teilweise auch neu gebaut. Dies gebieten schon die heutigen Sicherungsanforderungen. Hinzu kommt ein immer besser auf die Bürger eingestelltes Nahverkehrssystem; mit vergessenen Umsteigemöglichkeiten und Erleichterungen durch Aufzüge und Rolltreppen. Wo immer es möglich ist, wird dabei das alte Erscheinungsbild gerettet, jedoch auf Anforderungen unserer Zeit umgestellt.
Die besondere Förderung des Schnellbahnbaus in Berlin macht deutlich, welche Priorität der Senat dieser Aufgabe im Rahmen des ökologischen Stadtumbaus beimißt. Für 10 Jahre ist dafür ein Investitionsvolumen von knapp 3,4 Milliarden DM vorgesehen. Davon entfallen rund 2,5 Milarden DM auf den S-Bahn-Bau; rund 900 Millionen DM auf den Neubau von U-Bahn-Strecken. Die Grundinstandsetztung des „S-Bahn-Südrings wird auf 585 Millionen DM geschätzt; bei einer Streckenlänge von 17 Kilometern mit 15 Bahnhöfen und 20 Brücken. Die Durchschnittskosten der Grundinstandsetzung betragen demnach rund 34,5 Millionen DM pro Km.
Der Südring wird in drei Abschnitten grundinstandgesetzt und in zwei Etappen (wieder) in Verkehr genommen: Erster Instandsetzung-Abschnitt ist die Strecke von Westend bis Hohenzollerndamm, zweiter Abschnitt ist die Fortsetzung bis Schöneberg (einschließlich einer Gleisverbindung zur Betriebswerkstatt Papestraße), dritter Abschnitt die weitere Fortsetzung bis Sonnenallee. Die Betriebsaufnahme ist zwischen Westend und Schöneberg für Ende 1992, die zweite Betriebsaufnahme über Schöneberg hinaus bis Sonnenallee bis Mitte 1994 vorgesehen. Den Verkehr nicht beeinträchtigende Restarbeiten finden auch noch zu späteren Zeitpunkten statt.
Entsprechend den Entscheidungen des Senats wird die Berliner S-Bahn in nächster Zeit durch die hinzukommende Grundinstandsetzung für die Strecken Nordring (S4), zwischen Westend und Gesundbrunnen mit Baubeginn im Jahre 1990, nach Lichterfelde Süd (S6) und nach Spandau, der sogenannten Westbahn (S5) auf eine Netzlänge von insgesamt 117 Kilometem gebracht werden (einschließlich der z.Z. in Betrieb befindlichen Strecke von 71,5 km).
Nach bauvorbereitenden Arbeiten an einigen Brücken sowie im Bereich Westend begann der erste Bauabschnitt mit der Demontage von vorhandenen S-Bahn-Gleisen ab Westend. Ab 1. November folgt überlappend mit den Arbeiten am ersten Abschnitt bereits die Sanierung von Brücken in weiteren Bauabschnitten des Südrings (Brücken über die Manteuffelstraße, über den Tempelhofer Damm und über die Karl-Marx·Straße).
Welche Anforderungen der moderne Schnellbahnverkehr an das Streckennetz stellt und wie es beschaffen ist, zeigt sich allein schon an der Brücken-Situation für den Südring. Von den 15 Eisenbahnbrücken können nur zwei heute als “unbedenklich” eingestuft werden: Neubauten (in Zusammenhang mit Straßenbaumaßnahmen), die über die Bundesallee (1966) und am Innsbrucker Platz (1978) erfolgt waren.
Eine Reihe von Brücken (insbesondere zwischen Schöneberg und Tempelhof) wurden um die Jahrhundertwende errichtet. Das dabei verwendete Schweißeisen, später Flußeisen, hält heutigen Belastungen nicht mehr Stand. Eine Reparatur wäre aufwendiger als der nun erfolgende Abriß und Neubau dieser Brücken. Dabei handelt es sich um die Brücken über die Sonnenallee, Niemetzstraße, Naumannstraße, Gotenstraße und Blissestraße. Wegen einer nicht mehr gewährleisteten Tragfähigkeit wird auch die Massivbogenbrücke über die Prinzregentenstraße in Wilmersdorf erneuert.
Die Attraktivität der S-Bahn ist in ganz entscheidender Weise von der Erreichbarkeit der Züge abhängig. Deshalb sind auf der Strecke auch Bahnhofs-Umbauten notwendig. Die Bauverwaltung hat sich bei entsprechenden Planungen auf das Fachwissen freischaffender Ingenieure und Architekten gestützt. Besonders wichtig ist dabei die Ausstattung mit sogenannten Steighilfen, also Fahrtreppen und Aufzügen. Alle Bahnhöfe werden behindertengerecht ausgebaut. Für den ersten Bauabschnitt sei nur erwähnt:
Bahnhof Westend (Architekt Hans-Peter Störl): Der Ringbahnsteig wird unter die Spandauer Damm-Brücke "geschoben". Zu- und Abgangsbauwerke an beiden Seiten der Brücke erleichtern das Umsteigen sowohl in Richtung Spandau als auch in Richtung Zoo. Hervorzuheben ist, daß von der Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens (VdeR) hervorragend instandgesetzte Empfangsgebäude mit dem sogenannten Kaiserbahnsteig, der auch weiterhin, wie bisher schon, für andere - z.B. kulturelle - Zwecke genutzt werden kann. Von der VdeR sind seit 1984 bekanntlich auch mehrere weitere Bahnhöfe, auf Streckenabschnitten sowohl mit als auch ohne Verkehr, vorbildlich instandgesetzt oder erneuert worden.
Bahnhof Witzleben (Architekten Ralf Schüler/Ursulina Schüler-Witte): Für die Ringbahn wird der vorhandenen Bahnsteig B an (gleicher Stelle ausgebaut. Die vorhandenen Eingangsgebäude bleiben erhalten und sind in die Planung integriert. Für die Architekten, nach deren Plänen bereits das ICC enstand, ist es eine besonders anspruchsvolle Aufgabe, daß vom Bahnhof Witzleben unter der Ostpreußenbrücke hindurch eine besondere Fußgängerverbindung zum ICC/Messehallenbereich entsteht.
Bahnhof Westkreuz (Architekt Ulrich Greiwe): Der Umsteigebahnhof zwischen Ring- und Stadtbahn erhält keine wesentlichen Veränderungen, jedoch sind erhebliche Instandsetzungsmaßnahmen notwendig.
Bahnhof Halensee (Architekten Joachim Dörr/Axel Ludolf/Joseph Wimmer): Dieser Bahnhof wird funktionsgerecht, aber noch nicht endgültig ausgebaut. Vom Ringbahn-Bahnsteig kommt man über den Aufgang und einen Steg zum neugestalteten Henriettenplatz. Damit bestmögliche Verknüpfung mit dem Busverkehr auf dem Kurfürstendamm. Der Endausbau ist von noch offenen Entscheidungen in Zusammenhang mit Planungen für eine Überbauung des Halenseegrabens abhängig.
Bahnhof Hohenzollerndamm (Architekt Hans-Jörg Hell): Auch hier wird der Bahnhof unter die Hohenzollernbrücke "verschoben". Das vorhandene Treppenhaus auf der Nordseite der Brücke erhält auf der Südseite ein weithin sichtbares und großflächig verglastes Pendant. Damit bequeme Umsteigemöglichkeiten in und aus Richtung Grunewald bzw. Fehrbelliner Platz.
Die Grundinstandsetzung der Ringbahn, auf der rund 10 Jahre lang kein planmäßiger Betrieb mehr war, unterscheidet sich mit den oben beschriebenen Maßnahmen für den ersten sowie dann folgende Bauabschnitte wesentlich von der Erneuerung der Strecken, die seit 5 1/2 Jahren wieder in Betrieb sind. Auf der Ringbahn kann jetzt ohne Verkehr gebaut werden; abgesehen von gelegentlichen Überführungsfahrten zwischen der Stadtbahn und der Betriebswerkstatt Papestraße, selbstverständlich ohne Fahrgäste. Die Erneuerung von Gleisbett, Schienen, Signaltechnik, einzelnen Bahnhöfen usw. sowie notwendige Neubaumaßnahmen sind besser zu bewältigen als bei den in Betrieb befindlichen Strecken. Auch für die in Betrieb befindlichen Strecken besteht in nächster Zeit ein hoher baulicher Investitionsbedarf, der alle Bereiche umfaßt. Die bisher veranschlagte Gesamtsumme von rund 2,5 Mrd. DM für den S-Bahn-Bau in den nächsten 10 Jahren ist damit jederzeit "auszugeben".
Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen
aus SIGNAL 9/1989 (Oktober 1989), Seite 5-6