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IGEB

1. Aug 1990

Die Öffnung und Beseitigung der Grenzen und das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten und ihrer Volkswirtschaften hat erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr. Die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, haben Konsequenzen für die nächsten Jahrzehnte. Setzt die Politik nun endlich auf den Ausbau des Eisenbahnnetzes und des öffentlichen Nahverkehrs, auf eine menschen- und stadtverträgliche Gestaltung der Straßen, oder wird die bisherige bundesdeutsche Verkehrspolitik mit immer mehr Autobahnen, Straßen und Parkplätzen und mit der Bevorzugung und Subventionierung eines sich vervielfachenden Lkw- und Pkw-Verkehrs nun als gesamtdeutsche Politik fortgesetzt?

Zur Zeit scheint alles auf den zweiten Weg hinzudeuten: Die Zunahme des privaten Pkw-Bestandes in der DDR durch “West-Wagen", die Verlegung des Güterverkehrs auf die Straße (natürlich unter dem Schlagwort der freien Marktwirtschaft), die immer neuen Straßenverbindungen und zugleich die vielfachen Probleme bei der Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs durch fehlende Gleise, Wagen, Personal usw. sind eindeutige Indizien dafür.

Stillstand. DDR 1990 heißt: Immer mehr Autos, immer weniger Busfahrgäste. Foto: U. Alexander

Genau zu diesem Thema hat Winfried Wolf, u.a. durch das Buch “Eisenbahn und Autowahn” bekannt, zusammen mit Prof. Manfred Rochlitz von der Verkehrshochschule “Franz List” in Dresden sowie mit anderen Autoren aus der bisherigen DDR und BRD ein Buch mit dem Titel “Neues Denken oder Neues Tanken? DDR-Verkehr 2000” herausgebracht. Es enthält folgende Themenkomplexe:

Darüber hinaus werden im Anhang Überlegungen Leipziger Umweltgruppen zum Fahrradverkehr sowie notwendige Maßnahmen im Eisenbahnverkehr vorgestellt. Grundlage für die Überlegungen zum Bahnverkehr ist u.a. eine Beschreibung ehemaliger und gegenwärtiger Schienenverbindungen zwischen BRD und DDR sowie in die CSFR und die Republik Polen.

Einiges in dem Buch ist spürbar mit “heißer Nadel” gestrickt worden. So muß z.B. die Überlegung, ob der “Hauptbahnhof” in Ost-Berlin zum “zentralen Hauptbahnhof von Berlin” werden kann oder sollte, angesichts der Berliner Stadtstruktur, der Bahnhofslage und -kapazitäten doch verwundern. Insgesamt bietet das Buch aber eine Fülle von Informationen, z.B. über Reiseintensität, Transportleistung und Autobestand, sowie gute Argumente gegen die nun auch im Osten Deutschlands durch das Auto bestimmte Verkehrspolitik. Obwohl natürlich noch keine vollständige und gründliche Aufarbeitung des gesamten Themenkomplexes vorliegt, so ist das Buch für alle, die sich mit lokalen und übergeorneten Verkehrsentwicklungen und -problemen infolge der deutschen Einheit auseinandersetzen wollen, sehr zu empfehlen.

Winfried Wolf: Neues Denken oder Neues Tanken? DDR-Verkehr 2000. isp-Verlag, Frankfurt/M 1990. 167 S., DM 23,-.

IGEB

aus SIGNAL 7/1990 (Oktober 1990), Seite 5-6