Nahverkehr

Forderung: S-Bahn nach Potsdam 1991


IGEB

1. Dez 1990

Die S-Bahn-Strecke Wannsee - Potsdam ist überwiegend (noch bzw. wieder vorhanden: Zwischen Wannsee und Kohlhasenbrück wurde das S-Bahn-Gleis in Richtung Potsdam schon vor einigen Jahren von der BVG wiederaufgebaut, um es als Prüfgleis nutzen zu können. Zwischen Griebnitzsee und Potsdam hat die DR ein Gleis (mit Ausnahme der Stromschiene) wiederaufgebaut und fährt darauf mit den Nahverkehrszügen nach Potsdam. Es fehlt also nur noch der rund 1 km lange Abschnitt zwischen Kohlhasenbrück und Griebnitzsee.

Wenn jetzt mit den Arbeiten begonnen würde, dann könnten im Sommer 1991 wieder S-Bahn-Züge zwischen Wannsee und Potsdam fahren! Diese IGEB-Einschätzung wird auch von Fachleuten bei der DR geteilt. Aber anstatt mit den Arbeiten zu beginnen, sucht der Berliner Senat ständig nach Argumenten, die eine Verteuerung und Verzögerung der Wiederinbetriebnahme begründen. Dies zeigten erneut die Ausührungen des Senats auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Michael Cramer im Pressedienst Berlin (PDB) vom 29. Oktober 1990.

Bf. Wannsee. Stündlich verkehren von hier die Doppelstockzüge nach Potsdam, doch das reicht nicht aus. Foto: T. Staeck
Prellbock vor der Teltowkanalbrücke. Von Wannsee bis Kohlhasenbrück ist ein S-Bahn-Gleis nach Potsdam schon wieder aufgebaut, daß derzeit aber nur als Prüfgleis genutzt wird. Foto: Ch. Tschepe

Doch alle Senatsargumente gegen eine schnelle und preiswerte Wiederinbetriebnahme können widerlegt werden:

Die Seanats-Argumentation: Vorhanden ist nur ein Gleis. Aber “für die S-Bahn ist ein zweigleisiger Ausbau geplant. Hierbei ist die Elektrifizierung der Fernbahn (1993./94) mit den von der Reichsbahn geforderten Gleisabständen zu berücksichtigen, was u.a. den Neubau von Brücken zur Folge hat.“ (PDB, 29.10.90)

Dazu die IGEB: Eine zweigleisige S-Bahn ist hier höchstens langfristig erforderlich. Auf absehbare Zeit ist eine eingleisige Strecke mit Begegnunsmöglichkeiten an den Bahnhöfen ausreichend. Damit kann problemlos ein 20-Minuten-Takt angeboten werden, mit technischen Ergänzungen bei späterem Bedarf auch ein 10-Minuten-Takt. Folglich kann auch die Fernbahn elektrifiziert werden, ohne das S-Bahn-Gleis verschieben zu müssen. Und damit entfällt der Neubau von Brücken.

Die Senats-Argumentation: "Ein Teil des Abschnittes Wannsee - Kohlhasenbrück ist für den Endzustand dreigleisig auszubauen, da auf das Prüfgleis nicht verzichtet werden kann. Hierfür ist ein vereinfachtes Planfeststellungsverfahren erforderlich und das Fällen von Bäumen im Betriebsbereich nicht zu vermeiden." (PDB, 29.10.90)

Dazu die IGEB: Durch solche Maximal-Planungen wird die schnelle Wiederinbetriebnahme der S-Bahn hier und auf anderen Strecken verzögert und verteuert. Es gibt überhaupt keinen zwingenden Grund, das Prüfgleis nicht sofort auch als Streckengleis nach Potsdam zu nutzen. Aber es gibt gute Gründe, das Prüfgleis nicht zur Planungsgrundlage für den “Endzustand” zu machen. Unter den alten West-Berliner Bedingungen hatte diese Planung eine Berechtigung. Doch mit der Zusamenfügung des Berliner S-Bahn-Netzes kann jetzt auf ein separates Prüfgleis zwischen Wannsee und Kohlhasenbrück verzichtet werden. Auch die DR als designierte Betreiberin hat bisher nicht erkennen lassen, daß sie dieses Prüfgleis als drittes Gleis für erforderlich hält.

Deshalb fordert die IGEB den Berliner Senat noch einmal nachdrücklich auf, bei der S-Bahn Wannsee - Potsdam wie auch bei den anderen S-Bahn-Strecken endlich überzogene bzw. überholte Ansprüche aufzugeben und langfristig Wünschbares, aber kurzfristig nicht Notwendiges zurückzustellen und endlich mit Arbeiten zur einfachen und schnellen S-Bahn-Wiederinbetriebnahme zu beginnen. Die Reichsbahn hat mehrfach signalisiert, daß sie dazu bereit ist, und sie hat am 2. Juli am Bf Friedrichstraße gezeigt, daß sie das auch unter schwierigen Bedingungen in der Lage ist.

IGEB

aus SIGNAL 9/1990 (Dezember 1990), Seite 8