Nahverkehr

Nach 7 Jahren: Der erste neue S-Bahnhof


IGEB

1. Jan 1991

Am 9. Januar 1984 wurde die S-Bahn in West-Berlin in Westregie übernommen. Am 1. Dezember 1990, also fast 7 Jahre später, wurde mit Schichauweg nun endlich der erste neue S-Bahnhof in Betrieb genommen. (Die Deutsche Reichsbahn hat in dieser Zeit fünf Stationen im Ost-Berliner S-Bahn-Netz eröffnet.) Viel wichtigere Neubauten Schichauweg - z.B. der S-Bahnhof Kolonnenstraße - fehlen noch immer.

Eine Ursache für dieses für den Berliner Senat (CDU/F.D,P. ebenso wie SPD/AL) blamable Ergebnis ist die Sprunghafigkeit der Senatsplanung. So hatte der CDU/F.D.P.-Senat denn S-Bf. Kolonnenstraße auf der Wannseebahn ursprünglich für 1987 versprochen, doch bis heute werden die beteiligten Planer von den Politikern fast monatlich mit geänderten Prioritätensetzungen und infolgedessen geänderten Bauterminen überrascht.

Am 1. Dezember wurde der S-Bahnhof Schichauweg eröffnet. Der Bahnhof liegt über der Straße mit Zugängen von beiden Seiten, so daß ein bequemes Umsteigen zum Bus 30 möglich sein wird. Foto: M. Heller
Der Bahnhof hat Seitenbahnsteige mit je einem Aufzug und einer Fahrtreppe. Auf die teuren Fahrtreppen hätte die diesem Vorortbahnhof verzichtet werden müssen. Foto: M. Heller

Neuestes trauriges Beispiel für die Sprunghaftigkeit der Politiker ist die Ankündigung von Bausenator Wolfgang Nagel, die S-Bahn nach Lichterfelde Süd, die er selbst erst vor einigen Monaten dem Bezirk Steglitz versprochen hatte, nun plötzlich zugunsten des S-Bahn-Nord-Ringes zurückzustellen. Dabei sind die Pläne für Lichterfelde Süd fix und fertig, während es beim Nordring noch sehr viel zu tun gibt. Würde sich Herr Nagel mit seiner Meinung gegen den Verkehrssenator durchsetzen, würden umfangreiche von der Verwaltung erstellte und damit von den Steuerzahlern finanzierte Pläne in die Schublade wandern, und es würde wieder viel kostbare Zeit verloren gehen.

Ein zweites Beispiel: Vehement kämpft Herr Nagel - gegen das Votum der meisten Fachleute - für eine U-Bahn-Verlängerung ins Märkische Viertel. Dort leben, einschließlich aller Einfamilienhaus-Siedlungen, knapp 40.000 Menschen, und es gibt einige tausend Arbeitsplätze. Beim jüngsten Projekt des Bausenators, der Wasserstadt Oberhavel, sollen es fast 50.000 Einwohner und 30.000 Arbeitsplätze werden. Und was steht in dem von Herrn Nagel persönlich geförderten und vorgestellten Gutachten? “Die späteren Einwohner- und Nutzerzahlen rechtfertigen nach den Expertisen nicht die Heranführung schienengebundener Verkehrsmittel”

Solche Widersprüchlichkeiten und Sprunnghaftigkeiten der seit 7 Jahren für die BVG.-S-Bahn zuständigen Senatoren und des für die Verkehrspolitik eigentlich gar nicht zuständigen Bausenators Nagel sind ein wesentlicher Grund dafür, daß erst jetzt der erste und unter BVG-Regie wohl auch der einzige neue S-Bahnhof fertiggestellt werden konnte.

Positiv angemerkt werden soll allerdings noch, daß Herr Nagel darauf verzichtete, die Inbetreibnahme des Bahnhofs am Tage vor der Wahl für einen werbewirksamen Auftritt zu nutzen. Ab Betriebsbeginn hielten die Züge der S2, und damit war der Bahnhof Schichauweg eröffnet.

IGEB

aus SIGNAL 10/1990 (Dezember 1990/Januar 1991), Seite 11