Nahverkehr
1. Apr 1991
Bietet schon der normale Betrieb der öffentlichen Verkehrsmittel häuf genug Anlaß zur Klage, so trifft es denn Fahrgast im Falle von Bauarbeiten oder Umleitungen mitunter besonders hart. Ärgerlich dabei ist vor allem, mit welcher Einstellung zu ihren Kunden von der BVG - und/oder den zuständigen Behörden - “Ersatzlösungen" angeboten werden. Nachdem die IGEB schon häufig die unmöglichen Verhältnisse bei S-Bahn-Bauarbeiten kritisieren mußte, so ist nun von einer besonders eklatanten Umleitungsstrecke für zwei BVG-Buslinien zu berichten, bei denen die Interessen der Fahrgäste völlig auf der Strecke geblieben sind. Auch wenn zum Erscheinungstag dieses Heftes die mehrwöchige Umleitungsstrecke für Busse bereits aufgehoben ist, so soll anhand dieses Beispieles im Hinblick auf künftige Fälle dargelegt werden, wie man es nicht machen darf. Denn das öffentliche Verkehrsangebot muß auch im Falle von Baumaßnahmen gewährleistet sein.
Nach einem Wasserrohrbruch in der Siemensstraße in Lankwitz mußte diese mehrere Wochen für den Gesamtverkehr zwischen Gärtner- und Mozartstraße auf einem ca. 100 m langen Abschnitt gesperrt werden. Während für Pkw-Fahrer kurzfristig eine Umleitung über Gärtner-, Calandrelli- und Mozartstraße mit einseitigen Halteverhoten in diesen Straßen eingerichtet wurde, wurden die BVG-Buslinie 17 über Leonorenstraße, Lankwitz Kirche und Kaiser-Wilhelm-Straße zum Kranoldplatz und die BVG-Buslinie 86 über Klingsorstraße, Hindenburgdamm, Drakestraße zum Ostpreußendamm weiträumig umgeleitet.
Das weiträumige Umfahren bedeutete für die Fahrgäste, daß in dem ohnehin eine schlechte Flächenerschließung aufweisenden Gebiet fünf Haltestellen im Bereich Ostpreußendamm und Siemensstraße sowie eine weitere Haltestelle im Bereich der Birkbuschstraße nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen waren. Sofern nicht mutwillig abgerissen, wies ein Pappschildchen an den jeweiligen Haltestellen die BVG-Kunden darauf hin, daß hier kein Bus kommt und, sollten sie noch immer Interesse an öffentlicher Beförderung haben, sie nun eben einen Fußmarsch von z.T. über 1 km zurücklegen müßten. Noch schlechter dran, weil gar nicht informiert, waren Fahrgäste, die mit den Bussen zu einer solchen nicht mehr angefahrenen Haltestelle hingelangen wollten. Vorabinformationen an anderen Haltestellen der betroffenen Linien über die erhebliche Fahrwegänderung gab es nicht. Teilweise wies wenigstens der Fahrer beim Einfahren in den Umleitungsbereich zumindest auf die Tatsache einer Wegänderung hin, teilweise gab es aber auch gar keine Informationen. Ortsunkundige mußten selbst sehen, wie sie zurechtkommen.
Abgesehen von den Informationsmängeln. Auch in diesem Fall war es unzumutbar und auch unnötig den Busverkehr so weiträumig umzuleiten. Völlig problemlos hätte die Buslinie 86 über die Bäkestraße geführt werden können, wodurch zwar immer noch eine große, aber nicht mehr ganz so riesige Erschließungslücke verblieben wäre. Und daß der 17er, der ja nicht nur den Ostpreußendamm, sondern auch die Königsberger Straße nicht mehr bedient hat, nicht die Pkw-Umleitung benutzte, womit er alle seine Haltestellen hätte bedienen können, ist unbegreiflich. Das Argument lautet vermutlich: zu schmale Straßen und zu enge Kurven. Doch das hätte nicht sein müssen: Wäre die Pkw-Umleitungsstrecke nur für den Busverkehr (und Anlieger) freigegeben worden, wäre sie mit den auf der Buslinie 17 üblichen Eindeckautobussen auf jeden Fall Fur die BVG befahrbar gewesen. Die dann für die Pkw`s erfoderliche weiträumigere Umleitung kann diesen ja wohl sehr viel eher zugemutet werden, als den betroffenen BVG-Fahrgästen, die die weiten Fußwege z.B. bei hohem Alter oder Gehbehinderung nur schlecht oder gar nicht bewältigen konnten.
Bemerkenswert ist übrigens, daß nach mehreren Presseberichten über die unerträgliche Situation plötzlich gehandelt wurde: Nach Wochen der weiträumigen Umleitung befahren die Busse jetzt wieder die übliche geradlinige Wegführung, während der übrige Kfz-Verkehr weiterhin die (kleinräumige) Umleitungsstrecke befahren muß.
IGEB
aus SIGNAL 3/1991 (April 1991), Seite 10