Schienenverkehrswochen 2012

Mehr Fahrzeuge, zu wenige Fahrer, viele Baustellen

Fahrgastsprechtag S-Bahn 2012


Jens Fleischmann

20. Dez 2012

Auch 2012 war der Fahrgastsprechtag S-Bahn der am besten besuchte. Am 26. September waren auf Einladung des Berliner Fahrgastverbands IGEB wieder über 100 Interessierte in die Kantine der Deutschen Bahn an der Caroline-Michaelis-Straße gekommen, um Peter Buchner, dem Vorstandsvorsitzenden der S-Bahn Berlin GmbH, zuzuhören und Fragen zu stellen.

S-Bahn-Zug der Baureihe 480. Diese Züge und die der Baureihe 485 sollen nach bisheriger Planung Ende 2017 aus dem Betrieb genommen werden. Da der Ersatz durch Neubaufahrzeuge aber 2018 noch nicht möglich sein wird, werden die Möglichkeiten einer erneuten Aufarbeitung geprüft. Dann würden diese Züge allerdings 2016/17 zeitweise aus dem Verkehr genommen werden müssen. Die nächste Fahrzeugknappheit ist also heute schon vorprogrammiert. Foto: Marc Heller

S-Bahn-Performance 2012

Für den derzeitigen Fahrplan sind 511 Viertelzüge notwendig. Beim Zählzeitpunkt 7 Uhr wird diese Zahl regelmäßig um einige Viertelzüge unterschritten. Aktuell werden in Berlin 97,2 Prozent der Zugkilometer erbracht, in Brandenburg 100 Prozent. In ungefähr derselben Größenordnung liegt der Behängungsgrad. Die Pünktlichkeit – bis 5 Minuten Verspätung gilt bei der DB ein Zug als pünktlich – liegt bei 92 Prozent, die Pünktlichkeit laut Verkehrsvertrag – 3 Minuten – liegt bei 87,6 Prozent. Viele Signalstörungen drücken die Werte ebenso wie zahlreiche Baumaßnahmen. Dabei ist die Baustelle in Nikolassee eine der größten Unpünktlichkeitsverursacher, welche nicht nur die S 7 zur unpünktlichsten Linie macht, sondern auch die anderen Stadtbahnlinien in Mitleidenschaft zieht. Die Vertriebseinnahmen steigen seit Jahren kontinuierlich an. Nach 335,3 Millionen Euro im Jahr 2010 und 348,7 Millionen Euro 2011 sind es 2012 bisher 238,2 Millionen Euro – und damit 6 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Auch die Abonnentenzahl steigt weiter an, wenngleich nicht mehr ganz so steil wie in den Vorjahren. Derzeit hat die S-Bahn

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190 000 Abonnenten.

Baureihe 481

Der Radsatztausch konnte Weihnachten 2011 abgeschlossen werden, und auch nahezu alle Achsen sind ausgetauscht worden. Diese Aktionen allein haben 50 Millionen Euro Kosten verursacht. Neben dem Achstausch wurde auch ein Fettwechsel durchgeführt. Die notwendige Aufarbeitung bzw. der Austausch nach 1,2 Millionen Kilometer Laufleistung von 2550 Fahrmotoren konnte ebenso beendet werden wie der Bremszylindertausch nach 1,0 Millionen Kilometer Laufleistung. Die Besandungsanlagen wurden mit Füllstandskontrollen versehen, die allerdings nur einen Messpunkt bei 30 Prozent Füllungsgrad aufweisen. Ein zweiter Messpunkt, um den Nachfüllungszeitpunkt besser ermitteln zu können, hätte eine Neuabstimmung erfordert, die das Programm aus dem Zeitplan geworfen hätte. Besandet werden die Züge nicht nur in den Betriebswerken, sondern auch durch mobile Einheiten.

Zusammen mit der Firma Knorr-Bremse hat die S-Bahn eine automatische Funktionsüberwachung (basierend auf Magneten) und ein Beheizungssystem für die Besandungsanlagen entwickelt und eingebaut. Die Baureihe 480 soll eine Adaption davon noch zum Winter 2012 erhalten. Die Baureihe 485 kommt bekanntermaßen ohne Sand aus. Die Bremsanlage der Baureihe 481 wird weiter optimiert, dies trifft vor allem auf den Gleitschutz zu. Dies soll bis zum Dezember dieses Jahres geschehen. Etwa die Hälfte der Flotte (250 Viertelzüge) ist bereits umgerüstet.

Bezüglich des Fahrmotorenschutzes gegen Flugschnee haben sich verschiedene Filter bei Tests in der Klimakammer in Wien als erfolglos erwiesen. Trotzdem gibt es keine besseren Alternativen, so dass sie auch in diesem Winter wieder zum Einsatz kommen. Die Filter mindern den Schneeeintritt zumindest um 30 Prozent. Bei Revisionen soll die Verkabelung der Antriebseinheiten vom Boden an die Decke wandern, um diese besser vor äußeren Einflüssen schützen zu können. Aber nicht nur im Winter sind die Fahrzeuge der Baureihe 481 anfällig, auch große Hitzewellen im Sommer sind ein Problem, da diese die Bordelektronik zum Überhitzen bringen. Bis Ende des Jahres wird derzeit ein Optimierungspaket definiert, welches unter anderem die Entwicklung eines stabilen Kühlungssystems vorsieht. Die Umsetzung soll dann bis zum Sommer 2013 erfolgen.

Überlastetes S-Bahn-Kundenzentrum im Berliner Hauptbahnhof. Automaten können den personalbedienten Verkauf ergänzen, aber nicht ersetzen – schon gar nicht auf Stationen mit einem hohen Anteil von Gelegenheitskunden. Und dazu zählen Touristen fast immer. Foto: Marc Heller (8. Oktober 2012)

Die Lochbleche an den Türschwellen sind nicht so haltbar wie erwartet, so dass auf den weiteren Einbau verzichtet wird. Es hat sich inzwischen auch gezeigt, dass der vorhandene Stahl genauso rutschfest ist. Wenn alle umfangreichen Maßnahmen abgeschlossen sind, sollen die Klappfenster modifiziert werden, um eine bessere Belüftung der Fahrzeuge ermöglichen zu können. Der Einbau einer Klimaanlage ist kein Thema, da das eine Neuzulassung der Fahrzeuge erfordern würde, was mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gelingen würde.

Baureihen 480 und 485

Neben der bereits erwähnten Besandungskontrolle erhalten die Fahrzeuge der Baureihe 480 stabilere Rahmen für die Klappfenster.

Die Wiederinbetriebnahme der Züge der Baureihe 485 gestaltet sich weiter schwierig. Bisher sind 66 von 80 Einheiten im Einsatz. Die restlichen 14 sollen noch 2012 folgen.

Historische Fahrzeuge

Die historischen Fahrzeuge sollen zwar wenn möglich wieder zum Laufen gebracht werden, allerdings gibt es hier ähnliche Probleme wie bei der BR 485, so dass dies seitens der S-Bahn eher skeptisch gesehen wird.

Ausschreibung/Neufahrzeuge

„Gott sei Dank, ist sie endlich losgegangen“, so Buchners Aussage zur Ausschreibung des Teilnetzes Ring, die 2012 gestartet wurde und mit der die dringend notwendige Fahrzeugneubeschaffung zusammenhängt. Die Phase 1 (Teilnahmewettbewerb) ist bis zum 05. November 2012 verlängert worden, da es zahlreiche Nachfragen gab. In der anschließenden Phase 2 wird aus den Teilnehmern der Anbieterkreis ermittelt, an die im Dezember 2012 die Ausschreibungsunterlagen versandt werden sollen. 2013 sollen die Anbieter dann ihre Angebote abgeben, und 2014 soll der Zuschlag erfolgen.

2014 soll außerdem die Ausschreibung Netz Stadtbahn und schließlich 2016 die Ausschreibung Netz Nord-Süd starten. Die vorgesehene Vertragslaufzeit über 30 Jahre bezüglich der Fahrzeuge lässt die Deutsche Bahn derzeit rechtlich prüfen, da diese lange Zeit unüblich ist.

Die geforderten Neufahrzeuge können frühestens 2017 als Vorserie und 2019 in Serie ausgeliefert werden, so dass die nächsten deutlichen Fahrzeugengpässe schon jetzt absehbar sind. Hieran trägt der Berliner Senat die größte Schuld, hat er doch den Start der seit langem angekündigten Ausschreibung Jahr für Jahr verschleppt.

Ein Weiterbetrieb der Altfahrzeuge der Baureihen 480 und 485 über 2017 hinaus wird kaum möglich sein, da der derzeitige Fahrsperreneinsatz nur mit Ausnahmegenehmigungen noch bis 2017 möglich ist. Ein Umrüsten ist vor allem bei der BR 480 aufgrund der zwei Führerstände problematisch. Dazu kommen die Ersatzteilprobleme bei dieser Baureihe. Aber auch für die BR 485 sieht es nicht besser aus. Die derzeitige Wiederinbetriebnahme ist schon ein Kraftakt, der mehr Zeit als geplant beansprucht. Neben dem notwendigen ZBS-Einbau (Zugbeeinflussungssystem) als Ersatz für die Fahrsperren wird auch GSM-Rail Pflicht, welches den Bündelfunk ablösen wird. Eine Umrüstung der Altfahrzeuge würde nicht nur hohe Kosten verursachen, sondern die Verfügbarkeit dieser Fahrzeuge in den Jahren 2016/2017 vermindern.

Betriebswerk Friedrichsfelde

Die Wiederinbetriebnahme des Betriebswerkes Friedrichsfelde erweist sich als großer Kraftakt, der jedoch lohnt, zumal das Werk nun dauerhaft betrieben werden soll. Friedrichsfelde wird für zirka 200 Viertelzüge ausgelegt, die vor allem auf den Linien S 3, S 5 und S 75 eingesetzt werden. Die Linie S 7, die auch am Werk vorbeifährt, ist dem Betriebswerk Wannsee zugeordnet. Mit dem Budget von derzeit 15 Millionen Euro (20 Millionen Euro bis 2014) werden die Hallen und die Kanäle saniert sowie die Gleisanlagen komplett neu gebaut. Dabei wird auch der Boden dekontaminiert, der sich in einem deutlich schlechteren Zustand als erwartet befindet. Vier Gleise wird die große Halle haben, drei die kleinere Nebenhalle. Dazu gesellt sich noch eine eingehauste Außenwaschanlage, die für Vollzuglänge gebaut wird und die Züge damit stehend reinigen kann. Im Winter kann diese als Auftaustelle genutzt werden. Zum Betriebswerk Friedrichsfelde gehört die Außenstelle Erkner, die ebenfalls eine Renaissance erlebt.

Baumaßnahmen 2012/2013

Noch 2012 finden Baumaßnahmen an der Nordbahn zwischen Wollankstraße und Schönholz (S 1, S 25) statt, die zu einer Vollsperrung ab 8. Oktober über vier Wochen führen. Am anderen Ende der S 1 wird zum 4. November 2012 der Verkehr zwischen Nikolassee und Wannsee wieder aufgenommen, zunächst ohne direkten Anschluss zur S 7 in Wannsee. Dies ist erst ab 26. November 2012 wieder möglich, wenn die S 7 wieder zweigleisig fährt.

Im Jahr 2013 werden die Grunderneuerungsarbeiten auf der S 2 Süd und auf dem Südring zwischen Bundesplatz und Südkreuz (S 41, S 42, S 45, S 46) fortgesetzt. Beides findet in den Sommerferien statt. Von Juni bis September geht es entlang der Nordbahn (S 1) und von September bis Oktober entlang der Görlitzer Bahn (S 8, S 9) ebenfalls weiter. Auch die Arbeiten auf der S 7 im Grunewald werden fortgesetzt. Dabei wird es über einen längeren Zeitraum zu eingleisigen Betriebsführungen kommen. Während der Baumaßnahmen wird (siehe Antwort auf Frage 17 im nachfolgenden Beitrag) die S 1 nach Potsdam verkehren, um nach Potsdam eine größere Fahrplanstabilität zu erhalten. Nach Beendigung der Unterbrechung der Linie U 6 werden Ende 2013 im Nordsüdtunnel (S 1, S 2, S 25) Schienen ausgewechselt.

Die Arbeiten rund um Ostkreuz gehen kontinuierlich weiter. Im April 2013 sollen in Warschauer Straße der neue Bahnsteig B und am Ostkreuz der Bahnsteig Rn1 in Betrieb gehen. An beiden Bahnsteigen werden dann die stadteinwärts fahrenden Züge halten. Der Bahnsteig Rn1 wird durch die S-Bahn nur vorübergehend bis zur Inbetriebnahme des neuen Bahnsteigs D genutzt. Anschließend dient er dem Regionalverkehr. Als einzige Neubaustrecke ist die S 21 zwischen Wedding bzw. Westhafen und Hauptbahnhof (tief) im Bau, die 2018 in Betrieb gehen soll.

DFI, DSA, RIS, BIS und ZAT

Die Ausstattung der Bahnhöfe mit dynamischen Fahrzielanzeigern (DFI, die LCDAnzeiger) geht weiter voran. Im Jahr 2012 folgen noch die Berliner Bahnhöfe der Nordbahn und Oranienburg (beide S 1). 2013 geht es weiter entlang der S 3 und der der östlichen S 5 innerhalb Berlins. Ebenfalls DFI erhält nächstes Jahr Bernau (S 2). Die bereits vorhandenen in Waßmannsdorf und Flughafen Berlin-Brandenburg sollen ebenfalls 2013 in Betrieb gehen, sofern die Eröffnung des neuen Flughafens sich nicht noch weiter verzögert.

Die Standorte der Anzeiger auf den Bahnsteigen sind leider nicht immer optimal, ein Umhängen aber auch nicht ohne Weiteres möglich, da hierzu ein neues Planungs- und Genehmigungsverfahren notwendig ist. So wird es erst einmal keine Anpassungen geben. Die S-Bahn will aber nach Abschluss des Programms jeden Standort noch einmal prüfen.

Die Ausstattung mit dynamischen Schriftanzeigern (DSA) erfolgt entlang des Berliner Außenrings (S 8), auf der S 25 Nord (außer Hennigsdorf), auf dem Brandenburger Gebiet der östlichen S 5 (außer Strausberg), in Oberspree und Spindlersfeld (beide S 47) sowie in Teltow Stadt (S 25) und Wildau (S 46). Teilweise hängen die DSA hier schon. Auffallend ist bisher, dass die DSA massiv Probleme mit Zugausfällen haben, also genau dann versagen, wenn sie eigentlich am Nötigsten gebraucht werden.

Foto: Marc Heller
Verbesserungsbedürftig ist seit Jahren die Wegeleitung auf den S-Bahnhöfen zu den Bussen. Vor allem bei Bahnhöfen mit mehreren Ausgängen zu Bushaltestellen, zum Beispiel beim S-Bahnhof Wedding, ist das Bussignet ohne Linienangabe unzureichend. Beim S-Bahnhof Charlottenburg gibt es am östlichen, zur U 7 führenden Ausgang nicht einmal ein Bussignet, obwohl direkt vor diesem S-Bahn-Ausgang der Bus 309 abfährt. Darüber hinaus wäre natürlich auch die Nennung der jeweiligen U-Bahn-Linie sinnvoll. Foto: Marc Heller

Im Anschluss an das DFI-/DSA-Programm sind auf den Umsteigebahnhöfen Übergangsanzeiger vorgesehen, ähnlich den großen Anzeigern in Südkreuz und am Hauptbahnhof.

Das Reisendeninformationssystem (RIS) liefert seit November 2011 Echtzeitinformationen für bahn.de. Die Einspeisung für vbb.de und die eigene Webseite s-bahnberlin. de ist in Arbeit. Hier gibt es noch Probleme mit der Datenverarbeitung. Die Schnittstelle muss darüber hinaus noch für Sonderfälle, wie Sonder- und Ersatzzüge und Gleiswechsel, erweitert werden.

Die Zugabfertigung durch den Triebfahrzeugführer über Monitore (ZAT-FM) als Bestandteil der neuen betrieblichen Informationssysteme (BIS) ist inzwischen auf den Ringbahnhöfen Landsberger Allee, Storkower Straße, Sonnenallee, Tempelhof und Schöneberg im Testbetrieb. Prenzlauer Allee wurde aufgrund der schwierigen Lichtverhältnisse aus dem Test herausgenommen. Hier ist die Beleuchtung des Bahnsteigs nicht ausreichend gewesen. Diese Erkenntnis führt bei einer netzweiten Einführung von ZAT-FM dazu, dass die Beleuchtung aller umzurüstenden Bahnhöfe geprüft und notfalls nachgebessert werden muss. Derzeit finden sich auf den Testbahnhöfen gelbe Markierungen auf den Bahnsteigen, die dem Lokführer zeigen, an welcher Stelle er für den Testbetrieb halten soll, damit später ein mathematischer Nachweis der Feldstärke des Videosignals erfolgen kann. Wo noch keine Inforufsäulen aufgestellt wurden, sollen diese im Rahmen der BIS-Umstellung folgen.

Sonstiges

Jens Fleischmann

aus SIGNAL 6/2012 (Dezember 2012), Seite 7-9