Brandenburg
20. Dez 2012
Am 26. September 2012 hat die Cottbuser Stadtverordnetenversammlung (StVV) den bereits im Signal 5/2012 erwähnten Beschluss des Umweltausschusses bestätigt. Damit ist es für die Zeit nach 2015 amtlich: Der Teil der Linie 1 nach Jessener Straße bleibt im Tram-Betrieb erhalten, der Teil nach Schmellwitz Anger soll auf Bus umgestellt werden.
Die dem StVV-Beschluss zugrunde liegende VCDB-Studie „Straßenbahnkonzept Cottbus“ vom 16. Juli 2012 weist für die beschlossene Variante 3a einen Nutzen von
jährlich 370 000 Euro gegenüber der Nullvariante aus. Das ist zwar ein beträchtlicher Nutzen, nur kommt er unseres Erachtens nicht durch die Umstellung auf Busbetrieb zustande, sondern durch Wegfall der Fahrten der bisherigen Linie 1 durch das Stadtzentrum. Wenn man sich die Zeit vor 2011 vergegenwärtigt, muss man tatsächlich sagen, dass die Linie 1 zeitweise fast leer fuhr. Insoweit kann man die angegebenen Nutzenwerte durchaus nachvollziehen, wobei der Grund für diese schwache Gesamtauslastung nicht nur an der Führung nach Schmellwitz Anger liegt.
So hatte die Linie 1 ab 2006 neben der Erschließung von Schmellwitz Anger lediglich eine Entlastungsfunktion zur Linie 4 zwischen Bonnaskenplatz und Klinikum (Thiemstraße) inne, die sie aufgrund ihrer Fahrplanlage wenige Minuten nach der im 10-Minuten-Takt verkehrenden 4 jedoch kaum erfüllen konnte. Durch den schwachen 20-Minuten-Takt und schlechte Anschlüsse zu anderen Linien (2 und 3 jeweils im 15-Minuten-Takt) mussten die Fahrgastzahlen zwangsweise zurückgehen. Zusätzlich wurde die Strecke nach Schmellwitz Anger aufgrund von Bauarbeiten an anderen Stellen der Stadt häufig nur im Schienenersatzverkehr bedient. Die Strecke wurde also allem Anschein nach über Jahre hinweg künstlich geschwächt.
Wir meinen: NEIN, denn aus unserer Sicht ist die Strecke zwischen Bonnaskenplatz und Schmellwitz Anger durch einen einzigen kurzen Zweirichtungswagen im 15-Minuten-Takt bedienbar. Für die Fahrt zwischen Schmellwitz Anger und Bonnaskenplatz werden 5 Minuten benötigt, hin und zurück also 10 Minuten, wenn an der Endhaltestelle keine Pause eingelegt wird. Dann hat der Fahrer am Bonnaskenplatz also beim 15-Minuten-Takt 5 Minuten Zeit zum Rangieren bzw. zur Fahrtrichtungs- Umstellung – mehr als genug. Da die Linie 4 an der Stadthalle idealerweise in beide Richtungen Anschlüsse zu den anderen Linien erreichen soll und für die Fahrt Stadthalle— Bonnaskenplatz—Stadthalle etwa 5 Minuten einzuplanen sind, passt die Rangierpause gut ins Konzept.
Für die Fahrgäste aus/nach Schmellwitz Anger bleibt als einzige Verschlechterung zum heutigen Status, dass sie bei jeder Fahrt umsteigen müssen. Doch dies passiert auf einem Bahnsteig, und die Fahrzeuge können aus unserer Sicht hier so genau gesteuert werden, dass sie zeitgleich an der Haltestelle ankommen, der Zeitverlust durch das Umsteigen geht also gegen Null. Dafür können die Fahrgäste auf der ganzen Strecke von ruckelfreiem Fahrkomfort profitieren, im Gegensatz zum Rumpelberieb mit Bus auf der sicher auch noch über Jahre existierenden Holperstrecke Schmellwitzer Straße. Und sie haben einen weiteren Vorteil: Der 15-Minuten-Takt ist garantiert, denn die Anbindung an die Linie 4 setzt dies voraus. Ein 15-Minuten-Takt beim Bus ist eher unwahrscheinlich, denn hier würden mindestens zwei Fahrzeuge benötigt werden, was bei schwacher Auslastung unwahrscheinlich ist.
Hinzu kommt, dass Fahrgäste aus Schmellwitz Anger, die ins Stadtzentrum oder zum Bahnhof wollen – und das ist nach unserer Meinung weitaus die Mehrheit, ohnehin an der Stadthalle vom Bus in die Tram umsteigen müssten, in beiden Fällen also mit einmaligem Umsteigen auskommen.
Dafür wäre erst einmal zu untersuchen, ob man nicht einen gebrauchten Wagen kaufen könnte, z. B. aus dem Bestand der Halberstädter Straßenbahn, sofern sie denn tatsächlich eingestellt wird. Die Kosten für den benötigten Wagen werden zumindest teilweise gedeckt durch
Vielleicht ergeben sich ja auch noch Steigerungen der Fahrgastzahlen durch die auf dieser Strecke dann hoffentlich eintretenden Regelmäßigkeiten. Außerdem haben die Schmellwitzer möglicherweise ja auch durch die jahrelangen Diskussionen gelernt, dass sie nur dann mit einem komfortablen ÖPNV rechnen können, wenn sie ihn auch intensiv nutzen.
Die Entscheidungsfrage lautet also kurz:
Weitere Infos www.protramcottbus.de
Pro Tram Cottbus
aus SIGNAL 6/2012 (Dezember 2012), Seite 21