Planung
Die Berliner können sich freuen, vor allem die Lankwitzer und Lichterfelder. Sofern die Zusagen des Senats eingehalten werden, soll die S-Bahn auf der Anhalter Bahn ab 1993 endlich wieder zwischen Priesterweg und Lichterfelde Süd fahren. Ein knappes Jahrzehnt fortwährender Proteste hätte Früchte getragen, und die Verkehrssituation im Südwesten Berlins wäre wenigstens etwas entschärft. Aber die unmittelbar angrenzende Region um Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf kommt in den derzeitigen Planungen nicht mehr vor. Seit dem Mauerbau endeten die Züge in Lichterfelde Süd, und dort soll auch in zwei Jahren wieder Endstation sein. Dabei ist gerade die Region südlich Berlins mit ihren derzeit rund 38.000 Einwohnern im Wachstum begriffen, sowohl im Wohn- als auch im Industriebereich.
1. Sep 1991
Schon zu Anfang dieses Jahrhunderts erkannte man die Notwendigkeit einer direkten Anbindung der Regen Teltow/Stahnsdorf an den Berliner Vorortverkehr. 1938 wurde dann mit dem Bau einer S-Bahn als Querverbindung zwischen Anhalter Bahn und Friedhofsbahn begonnen, die beide die Region nur berühren, aber nicht erschließen. Durch den Krieg kamen die Arbeiten zum Erliegen.
Nach Wende, Mauerfall und Einheit sollte sowohl einer Wiederherstellung der alten Schienenverbindungen als auch einer Fortführung des Baus der Teltow-Stahnsdorfer S-Bahn eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Der Bedarf läßt sich nicht leugnen, wie die teils chaotischen Verkehrsverhältnisse gerade in Lichterfelde Süd und Teltow belegen. Deshalb reicht es nicht, die Anhalter Bahn bis Lichterfelde Süd wieder in Betrieb zu nehmen. Parallel dazu sind folgende Maßnahmen erforderlich, um erste wirksame Erleichterungen zu schaffen:
Mit dem S-Bahnhof Teltow Stadt wäre bereits ein großer Teil der Bevölkerung Teltows an eine Schnellbahn angebunden, zumal im Bahnhofsumfeld derzeit größere Wohnsiedlungen entstehen. Und mit der Durchbindung des Regionalverkehrs nach Lichterfelde gäbe es wieder eine direkte Verbindung Jüterbog - Berlin ohne zeitaufwendige Umwegfahrten über Schönefeld. Erforderlich wäre allerdings eine Attraktivierung durch Einführung zumindest eines Zweistunden-Taktes. Der gegenwärtige Fahrplan, bei dem Teltow in den Vormittagsstunden überhaupt nicht bedient wird, ist untragbar. Beide Teilstrecken könnten bis 1993 verfügbar sein, da die Trassen entweder schon einmal betrieben oder bereits planfestgestellt und freigehalten wurden.
Mittelfristíg zu klären wären einige Detailfragen, z.B. die Bahnhofskonzeption. Diese ist unmittelbar an die jetzige und künftige Siedlungsentwicklung geknüpft. So ist die geplante Verschiebung von Lichterfelde Süd in Frage zu stellen [siehe nachfolgenden Beitrag der IGEB]. Ferner könnte zusätzliche Bebauung in Seehof, wie sie der Flächennutzungsplanung-Entwuf vorsieht, dort einen weiterem S-Bahn-Haltepunkt rechtfertigen. Vor Provisorien sollte dabei nicht zurückgeschreckt werden, solange diese im Rahmen des Gesamtkonzeptes bleiben und zu Vorteilen für die Fahrgäste führen. So wäre zunächst eine eingleisige Betriebsaufnahme zwischen Lichterfelde Süd und Teltow Stadt denkbar, bei der der Bahnhof Lichterfelde Süd erst einmal provisorisch instandgesetzt wird.
Bislang gibt es in den Kommunen zwar vorläufige Flächennutzungspläne sowie viele Studien und Ideen, aber kein schlüssiges Gesamtverkehrskonzept. Dieses müßte um S- und R-Bahnen herum aufgebaut werden und auch den Güterverkehr des Industriegebietes Teltow hinreichend berücksichtigen. Verstärkt müßten die Stadt Teltow sowie die Gemeinden Stahnsdorf und Kleinmachnow beim Land Brandenburg vorstellig werden und auf eine schienenfreundliche Verkehrsplanung drängen, die auch in den Verkehrswegeplan von Brandenburg einfließen sollte. Dies setzt allerdings eine Abstimmung der genannten Kommunen untereinander in Verkehrsfragen voraus. Anschließend müßten umgehend die benötigten GVFG-Mittel beantragt werden.
Derzeit gibt es Vorschläge, eine Entlastungsstraße zwischen Teltow und Stahnsdorf zu bauen. Davon abgesehen, daß Entlastungsstraßen selten eine wirkliche Entlastung bringen, ist diese Planung allein schon deshalb unakzeptabel, weil zur Zeit eine Führurg auf der S-Bahn-Trasse favorisiert wird. “Vorbilder" für solche Projekte gibt es leider reichlich: so wurde die Kremmener Bahn auf Berliner Gebiet Opfer eines Autobahnzubringers, auch die S-Bahn zwischen Papestraße und Yorckstraße sollte zugunsten eines Schnellstraßenbaus verschwinden. Doch selbst wenn die Teltower S-Bahn neben der Umgehungsstraße noch Platz hätte, wer weiß denn jetzt schon, ob die Strecke nicht eines Tages z.B. zur Güterfeinverteilung per Schiene benötigt wird?
Besonders wichtig ist es daher, eine vorausschauende Verkehrsplanung zu betreiben, die dem öffentlichen Verkehr Chancen einräumt anstatt seinen Ausbau zu behindern bzw. seine Akzeptanz durch parallelen Straßenbau zu schmälern. Gerade weil der Stahnsdorfer Abzweig der Anhalter Bahn auch geplante Neubaugebiete erschließt, könnte den künftigen Bewohnern mit der S-Bahn von Anfang an eine Alternative zum eigenen Pkw geboten werden. Der öffentliche Verkehr würde nicht - wie so oft - dem Bedarf hinterherhinken.
PRO BAHN Potsdam - Teltower Land wird auch weiterhin das Gespräch mit Kommunen, Verkehrsbetrieben und der Deutschen Reichsbahn suchen und intensivieren, um zur Klärung der anstehenden Fragen im Sinne der Fahrgäste beizutragen.
PRO BAHN-Regionalverband Potsdam-Teltower Land
aus SIGNAL 7/1991 (September 1991), Seite 12-13