Planung und Technik

Baubeginn am Nordkreuz


IGEB

1. Sep 1992

Dort, wo die Bezirke Wedding, Prenzlauer Berg und Pankow aneinandergrenzen, wird ein komplizierter Bahnknoten geknüpft: Noch im Oktober starten die Arbeiten für das "Nordkreuz". Es umfaßt den Bereich zwischen den Bahnhöfen Gesundbrunnen und Schönhauser Allee sowie Bornholmer Straße mit Abzweigen nach Pankow und Wollankstraße. Dabei werden die Gleisanlagen so gestaltet, daß sich für Fern-, Regional- und S-Bahn in Zukunft vielfältige Fahrmöglichkeiten ergeben. Die Züge können sowohl vom westlichen als auch vom östlichen Innenring auf die nördlichen Vorortstrecken gelangen, und direkte Fahrten aus dem bestehenden Nord-Süd-Tunnel in Richtung Schönhauser Allee sind ebenfalls denkbar. Dazu kommen selbstverständlich auch die "klassischen" Linienführungen in Nord-Süd-Richtung (z.B. Oranienburg - Wannsee) und auf der Ringbahn (z.B. Vollring).

Während die Senatsverkehrsverwaltung weiterhin Geheimdiplomatie betreibt, haben die Senatsbauverwaltung und die Deutsche Reichsbahn offensichtlich dazugelernt. Ein solches Flugblatt zur Information ist in Berlin bisher leider alles andere als üblich.

In Gesundbrunnen erhält die S-Bahn zwei sogenannte Richtungsbahnsteige, zwischen den einzelnen Linien können die Fahrgäste also bahnsteiggleich umsteigen. Außerdem werden drei Perrons für den Fern- und Regionalverkehr gebaut. Nach Fertigstellung des Fernbahntunnels durch die Innenstadt - gemäß dem "Pilzkonzept" für Berlins Schienennetz - sollen hier auch InterCity-Züge halten. Für das Jahr 2010 rechnen die Planer damit, daß hier jeden Tag insgesamt 55.000 Reisende ein- und aussteigen. Auf Kritik stieß allerdings der vorgesehene Ausbaustandard. Der favorisierte Entwurf des Architekten Axel Oestreich erfordert 247 Mio DM für den eigentlichen Bahnhof, dazu kämen nochmals 82 Mio für die bauliche Gestaltung des Umfeldes. Das Büro Oestreich selbst und die "Planungsgemeinschaft Berliner Innenring" - ein Zusammenschluß verschiedener Architekten und Ingenieure - sollen deshalb in Kürze eine abgespeckte Variante präsentieren. Verzichtet werden könnte beispielsweise auf eine in der Empfangshalle bislang vorgesehene Galerie.

Bei den Planungen für das "Nordkreuz", den östlichen S-Bahn-Ring und die gesamte Fernbahn (auch entlang des westlichen Rings) führt bereits jetzt die Deutsche Reichsbahn Regie. Dagegen bleibt im S-Bahn-Abschnitt zwischen Westend und Gesundbrunnen vorerst die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen zuständig, wenn auch in enger Kooperation mit der DR. Senatsbaurat Nicolaus Kapp avisierte am 9. Oktober auf einer Pressekonferenz den ersten Spatenstich im Bereich Westend - Jungfernheide für den Herbst 1993. Ab 1995 soll die S-Bahn dann, vom Südring kommend, bis Jungfernheide rollen. In weiteren Etappen geht es voran Richtung Gesundbrunnen, die schrittweise Betriebsaufnahme erfolgt jeweüs bis zu sinnvollen Verknüpfungspunkten mit der U-Bahn, etwa an der Putlitzstraße/Westhafen (U9) oder am Bahnhof Wedding (U6).

Berücksichtigt werden auch mögliche zusätzliche Linien, so die S-Bahn-Ausfädelung von Jungfernheide nach Gartenfeld (entgegen den ursprünglichen Entwürfen!), die U-Bahn vom Alexanderplatz durch Moabit bis Jungfernheide und die S21 vom Regierungsviertel zum Flughafen Tegel. Ob und wo genau diese einmal vom Nordring abzweigt, ist freilich noch offen. Hierfür läuft derzeit ein Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswerts, ein sogenanntes Standardisiertes Bewertungsverfahren.

Insgesamt sind zum Aus- und Wiederaufbau des nördlichen Innenringes einschließlich Nordkreuz auf 17 Kilometer Strecke 41 Kilometer S-Bahn-Gleise und 69 Kilometer Fernbahngleise zu verlegen. Der Planentwurf erfordert die Rekonstruktion bzw. die Errichtung von 154 Ingenieurbauwerken (Brücken-, Tunnel- und Stütztbauwerke). Die Kosten für die Fernbahn werden auf 1,7 Milliarden, für die S-Bahn auf 1 Milliarde DM beziffert (davon 670 Mio für den Abschnitt Westend - Gesundbrunnen). Bei diesen Summen wird es aller Erfahrung nach nicht bleiben, zumal die Bauzeit für das Gesamtprojekt mindestens sieben Jahre beträgt.

IGEB

aus SIGNAL 8/1992 (Oktober 1992), Seite 13