Nahverkehr
Im Gegensatz zu Berlin setzt Potsdam weiterhin auf die elektrischen Verkehrsmittel Tram und Trolleybus (Obus). Der ViP (Verkehrsbetrieb in Potsdam) verbesserte einige Angebote und zeigt sich nun aufgeschlossener gegenüber Fahrgastvorschlägen. Diese positiven Entwicklungen möchten wir hier beleuchten und meinen, daß vieles auch in Berlin möglich wäre.
1. Feb 1993
Am 15. Dezember 1992 war es soweit: Auf Einladung des ViP kamen Journalisten, Politiker der Stadt und des Landes, aber auch Vertreter der Umwelt- und Fahrgastverbände zur offiziellen Übergabe der ersten beim Waggonbau Bautzen GmbH modernisierten Tram des ViP. Das Resultat kann sich sehen lassen. Das Fahrzeug, es handelt sich um den auch in Berlin verkehrenden Typ Tatra KT4D, gleicht nun (bis auf einen Niederflureinstieg) einem modernen Neubaufahrzeug - und dieses mit nur ca. 1/6 der Kosten einer Neubeschaffung. Durch diese sparsame Variante will der ViP erreichen, daß bis Ende 1995 alle ca. 80 Fahrzeuge in einem fahrgastfreundlichen Zustand sind. Ab diesem Zeitpunkt soll es zur Auslieferung der Fahrzeuge einer neuen Generation kommen, die wahrscheinlich 1993 bestellt werden.
Hier nun eine Kurzbeschreibung: Schon außen sieht das modernisierte Fahrzeug freundlich aus, es hat die ViP-Lackierung (weiß mit grüner Ecke), denn beim ViP gibt es nun, mit Ausnahme einer Bahn zur 1000-Jahr-Feier Potsdams, keine Bahnen mit Vollwerbung mehr. Die Information über die Linie und ihren Zielort erfolgt durch ein computergesteuertes Zielband an der Vorder-, der Einstiegs- und der-Rückseite (!). Auf den Einbau einer Digitalanzeige verzichtete man, erwies sie sich doch bei einem Testeinsatz vor allem in den Abendstunden als nachteilig. Auffällig sind die neuen Schwingflügeltüren. Einige Sekunden nach dem letzten Fahrgastwechsel schließen sie automatisch. Kontakte im Türgummi verhindern ein Einklemmen, und ein spezieller Knopf verhindert das Schließen der Tür beim Be- bzw. Entladen von Kinderwagen.
Auch innen fällt das freundliche, helle Design auf. Beachtenswert sind die gepolsterten Sitze (gerade im Winter sehr angenehm), die Liniennetzpläne hinter einer Plasteabdeckung über jeder Tür und zusätzlich in einer A3-Informationstafel an der Rückseite der Fahrerkabine, Anzeigen des nächsten Haltes über der Tür der Fahrerkabine und über dem Gelenk, die computergesteuerte Ansage jeder Haltestelle (nach Ausbau der Tram-Dispatcherzentrale ist sogar eine direkte Ansprache vom Dispatcher zu den Fahrgästen möglich) und die Tatsache, daß es in jedem Fahrzeug einen Fahrschein-Automaten gibt. Dabei ist anzumerken, daß der Standort des Automaten geändert wurde: Er steht nun u.a. aus statischen Gründen zwischen der 2. Tür und dem Gelenkteil, womit der beengte Sitzplatz entfällt und es pro Bahn einen Sitzplatz mehr gibt. Besser für die Fahrgäste scheinen auch die Klappfenster zu sein, entsteht doch durch sie weniger Zugluft als durch die bisherigen Schiebefenster. Schließlich erweist sich das "neue" Fahrzeug auch beim Fahren als gelungener Umbau. Sobald die weiteren 19 Wagen vom "Baulos 1992" eingetroffen sind, können bis zu zehn Umläufe mit modernisierten Fahrzeugen in Doppeltraktion gefahren werden. Wir fragen uns nur, warum nicht auch die BVG ihre Tram-Wagen modernisieren läßt, zumal diese Version neben den Vorteilen für die Fahrgäste auch eine Kostensenkung für den Betrieb bringt. Von den Vorteilen können sich neben den Potsdamern u.a. auch die Fahrgäste in Cottbus überzeugen (dort 14 modernisierte Fahrzeuge). Hat Berlin etwa andere Gesetze?
Bleiben wir beim Thema Tram. Eine positive Änderung wird es - allerdings später als geplant - am 7. Februar geben: Potsdams Tram-Netz wird um ca. 1,5 km erweitert. Die Verspätung wurde durch einen Rechtsstreit wegen einer angeblich zu geringen Entschädigung der Stadt an einen ehemaligen Grundstückseigentümer verursacht. Die Verlängerung führt in ein Potsdamer Neubaugebiet, welches bis zur Wende entstand. Diese Strecke soll später in ein neueres, ab 1993 entstehendes Wohngebiet verlängert werden. Mit der bevorstehenden Inbetriebnahme wird der ViP nun nochmals einige Linienänderungen durchführen, die bei gleichem Fahrzeugeinsatz sogar noch Verbesserungen für die Fahrgäste versprechen. Neben der Netzerweiterung gibt es Netzerneuerungen nach dem Prinzip "Bauen und Fahren", das heißt: SEV nur in Schwachverkehrszeiten und nur bei unumgänglichen Fahrleitungs- und Gleisbauarbeiten, die eine Sperrung beider Gleise erfordern, z.B. bei Weichenwechsel. Geplant ist, bis ca. 1995/96 das Netz im wesentlichen saniert zu haben. (Man vergleiche dieses mit Berlin ...) Als nützlich erweist sich dabei ein gewisser Planungsvorlauf beim ViP. denn so ist es möglich, auch kurzfristigen Geldsegen zu nutzen, so jetzt geschehen beim Bau eines separaten Abbiegegleises am Abzweig Waldstraße der "Stern-Strecke" und einer Zwischenendstelle "Schloß Charlottenhof". Beide sollen Ende Februar fertig sein.
Trotz der genannten Verbesserungen und solch guten Angeboten wie dem Taxi-Ruf-Service für alle Fahrgäste von 20.00 bis 4.00 Uhr, gibt es von unserer Seite auch Kritisches über den ViP zu sagen. So meinen wir, daß einige Gebiete mit dem ÖPNV akut unterversorgt sind. Mit einer Bürgerbefragung wollen wir das beweisen. Positiv aber ist, daß es inzwischen die Möglichkeit gibt, viele Dinge schnell zu klären. Wir haben nämlich seit Oktober jeden Monat einmal eine gemeinsame Runde mit dem Geschäftsführer des ViP, die dann auch Dienstanweisungen an Abteilungsleiter nach sich ziehen. Entstanden ist dabei auf beiden Seiten die Erkenntnis, daß man gemeinsam mehr erreichen kann. So wird das Ergebnis unserer Fahrgastbefragung dank technischer Unterstützung des ViP ermittelt werden und von uns dafür auch dem ViP nutzbar gemacht, um das Netz mehr auf die Fahrgastwünsche abzustimmen.
Zustandegekommen ist dieser Kontakt durch einen Streit, den Streit um den Trolleybus in Potsdam. Hier hatten sich die Emotionen bis zum Oktober erheblich hochgeschaukelt, was eben auch dem fehlenden Kontakt (außer zum Marketing-Chef des ViP) geschuldet war. Die Entspannung, verbunden mit dem Gesprächsangebot durch den ViP-Geschäftsführer, gibt es seit dem Wechsel auf dem Posten des zuständigen Potsdamer Stadtrats und dem Entgegenkommen des Landes beim Thema Trolleybus.
Damit kommen wir noch einmal zum 15. Dezember. An diesem Tag wurden neben der modernisierten Tram auch zwei weitere Fahrzeuge präsentiert, die unser freudiges Interesse fanden. Es handelt sich um zwei geliehene Duo-Busse (Obus mit Diesel-Hilfsantrieb). Damit ist das Babelsberger Trolleybus-Netz vorerst gesichert, denn seit 4.1. verkehrt die Linie 691 mit den bisherigen Trolleybussen auf dem von ihnen befahrbaren Abschnitt (Babelsberg Nord - Bhf. Drewitz), während die beiden in Esslingen bzw. Solingen geliehenen Duo-Busse als Linie 690 die bald elektrifizierte DR-Strecke am Bhf. Drewitz queren können und so das Gesamtnetz mit der Linienführung Goethestraße - Steinstraße erhalten bleibt. Die ersten beiden eigenen Potsdamer DUO-Busse soll es noch 1993 geben. Erstaunlich ist für uns. daß der neue Stadtrat Prof. Günter Mardus (er kam von der CDU aus West-Berlin) ebenfalls für den Ausbau des Trolleybus-Netzes plädiert und dabei unsere Argumente verwendet. Somit ist es nun unser Ziel, diesen Ausbau auch wirklich zu bewirken.
ARGUS Potsdam Gruppe Stadtverkehr
aus SIGNAL 1/1993 (Februar 1993), Seite 7-8