Nahverkehr

Auf der Messe in Leipzig


IGEB

1. Nov 1993

Nach der "Public Transport" im Frühjahr gab es in Leipzig im Herbst 1993 eine weitere Fachmesse zum Thema Verkehr, die "Waggon '93". Auffallend war bei dieser Messe die starke Präsenz der Komponentenzulieferer. Nahezu alles, was zum Neubau oder zur Modernisierung von Schienenfahrzeugen benötigt wird, wurde in Leipzig präsentiert. Erstmalig in diesen Kreisen war auch PRO BAHN mit einem Messestand vertreten, auf dem insbesondere das "Infosystem IGEB" zur Bearbeitung der Fahrgasteingaben Beachtung bei den Fachleuten fand.

Eine wichtige Neuheit, die nicht ohne Auswirkungen auf das Gefüge der Fahrzeuglieferanten bleiben dürfte, offenbarte sich in Leipzig: Ende August wurde in Prag die AEG/CKD Transportsysteme GmbH mit einfacher AEG-Mehrheit gegründet. Der Anbieter AEG kann somit die ganze Straßenbahn-Palette von hochspezieller Niederflurtechnik bis hin zu konventioneller Hochflurtechnik liefern, wegen des niedrigen Lohnniveaus im Nachbarland sicher mit relativ niedrigen Preisen. Für kommunale Verkehrsbetriebe mit knappem Geldbeutel (was ja nichts ungewöhnliches ist) wird dies ebenso von Interesse sein wie das Angebot eines von CKD bereits entwickelten 65%-Niederflurwagens, der zur Zeit erprobt wird. Die ebenfalls dieser Kette angeschlossene Waggonbaufirma Studenka bot in Leipzig übrigens einen sehr preiswerten vierachsigen Nebenbahn-Solotriebwagen an. Angesichts der Bestrebungen der Reichsbahn, sich von angeblich unrentablen Nebenstrecken zu verabschieden, sollte diese Offerte von den zukünftig verantwortlichen Gebietskörperschaften wohlwollend geprüft werden - vielleicht käme das Fahrzeugja sogar für die Heidekrautbahn in Frage?

Interesse für Fahrgastbelange? Wiederholt informierten sich die Fachleute (am Demo-Rechner stehend) über den in Leipzig präsentierten IGEB-Fundus an Fahrgastbeschwerden. Foto: Ivo Köhler

Auf dem Freigelände des Bayerischen Bahnhofs war die übliche Palette an Eisenbahnfahrzeugen und eine für Chemnitz modernisierte Tatra-Straßenbahn zu sehen. Unter den Neuheiten war erstmals einer der von DWA für die Bundesbahn gebauten Doppelstockwagen. Eigentlich ist es vernünftig, solche Wagen zu beschaffen, aber wenn sich die präsentierte Ausführung bei den "Unternehmen Zukunft" gegenüber den gut durchdachten Reichsbahnwagen durchsetzen sollte, wäre dies aus Sicht der Reisenden ein Rückschritt. Es beginnt bei den Türen: Kein quasi niederfluriger Zugang mehr, sondern Türen über dem Drehgestell, verbunden mit mehreren Trittstufen (High-Tech-Klappstufen! Und bei Rollstühlen? Drei Mann fassen zu, oder das Ding bleibt draußen...). Es geht weiter bei der Fahrradmitnahme: Nur wenige Räder passen in den Wagen, denn der hierfür vorgesehene Raum wurde, bedingt durch das fragwürdige Gesamtkonzept, knapp bemessen. Im Wageninneren fragt sich dann der Betrachter, wie lange wohl der Gebrauch der gläsernen Zwischentüren ohne ernsthafte Verletzungen vonstatten gehen dürfte. Zum Öffnen dieser Türen ist ein Dreieck in das Glas geschnitten, dessen (scharfe) Oberkante ohne jeglichen Schutz bleibt. Auf Fragen zum Hintergrund der wenig fahrgastfreundlichen Ausgestaltung teilte ein DWA-Mitarbeiter mit, alles wäre so auf Kundenwunsch geschehen. Dies mag der Wunsch eines Bestellers sein, der wohl selbst wenig mit der Bahn fährt, ist aber aus der Sicht eines Fahrgastverbandes nicht überzeugend.

IGEB

aus SIGNAL 8/1993 (November 1993), Seite 18