Barrierefreiheit

Zugeparkte Haltestellen

Berliner Dauerärgernis


IGEB Stadtverkehr

25. Feb 2013

Jedes Jahr werden in Berlin Millionen dafür ausgegeben, Haltestellen und Fahrzeuge barrierefrei zu gestalten. Doch fast immer werden diese Umbauten nutzlos, wenn Polizei und Ordnungsämter die Haltestellen sich selbst und damit den Autofahrern überlassen.

Zugeparkte Straßenbahnhaltestelle in der Kastanienallee. Rücksichtslose Autofahrer und fehlende Kontrollen durch Polizei und Ordnungsämter führen dazu, dass Fahrgäste beispielsweise mit Kinderwagen oft kaum noch ein- und aussteigen können. Foto: Holger Mertens

Dieses Verhalten ist in mehrfacher Weise schädlich: Zum einen verhindert es den angestrebten Zweck der Umgestaltung, die Zugänglichkeit von Bus und Straßenbahn zu verbessern. Immer wieder werden durch zugeparkte Haltestellen Mobilitätseingeschränkte von der Mitfahrt ausgeschlossen. Zum anderen führt es zu Mehrkosten der BVG, weil sich die Aufenthalte an den Stationen verlängern oder die Busfahrer gefährliche Manöver machen müssen, um an ihre Haltestellen heranzukommen. Nebenbei verzichten Senat und Bezirke auch noch auf Geld, weil eine konsequente Kontrolle der Haltestellenbereiche mindestens in der Anfangsphase einen großen Bußgeldbetrag einbringen würde.

Bisher wurde die BVG bei diesem Problem nicht einmal von der

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Polizei unterstützt. Die Beweissicherungspflicht stellte den Verkehrsbetrieb vor die Wahl, den Busoder Bahnfahrer entweder als Zeugen am „Tatort“ zu lassen (und damit den Fahrplan außer Kraft zu setzen), oder den Vorgang nur zu melden in der Hoffnung, dass sich der Schuldige während der oft langen Zeit bis zum Eintreffen der Ordnungskräfte nicht wegbewegt – was allzu oft die Ahndung verhinderte.

Dabei ist die Sachlage ganz einfach, wenn man bedenkt, dass die BVG mit behördlich überprüfter Technik als landeseigenes Unternehmen agiert: Ein damit erbrachter Fotobeleg sollte als Beweismittel gegen Falschparker generell ausreichen. Deshalb sollte in die Front der Busse und Straßenbahnen eine zertifizierte Kamera eingebaut werden, mit der beweiskräftige Fotos der verkehrsbehindernden Fahrzeuge gefertigt und an eine vom Land bestimmte Stelle versendet werden können.

Eine solche Ausstattung der Fahrzeuge ist nicht so teuer, wie viele nun denken könnten, denn alle neuen Fahrzeuge der BVG verfügen serienmäßig über mehrere Kameras und sogar über elektronische Speicher, die auch zur Aufklärung von Straftaten beitragen. Eine Kamera zusätzlich fällt bei dem Mengenrabatt, den der größte deutsche Verkehrsbetrieb sicher jetzt schon in Anspruch nimmt, weniger ins Gewicht als der tägliche Verlust durch zugeparkte Haltestellen.

Schreiben an den Berliner Fahrgastverband vom 7. Januar 2013

Außerdem war die mangelhafte Erkennbarkeit des freizuhaltenden Bereichs immer ein Problem bei Widersprüchen gegen die Bußgeldbescheide. Eine deutliche Kennzeichnung durch andernorts schon erprobte gelbe Zickzack-Markierungen würde nicht nur die Beweisaufnahme sehr erleichtern, sondern auch bei den einen Parkplatz suchenden Autofahrern eine präventive Wirkung entfalten. Auf IGEB-Nachfrage steht auch die Polizei diesem Mittel aufgeschlossen gegenüber – siehe Kasten.

Außerdem sollten endlich dort, wo das aufgrund des Straßenquerschnitts möglich ist, Haltestellenkaps für Busse und Straßenbahnen gebaut werden. Das Vorziehen des Gehweges in den Parkstreifen einer Straße bietet den Fahrgästen zusätzliche Flächen zum Warten, ohne die Fußgänger auf dem Gehweg einzuschränken. Zugleich ersparen Haltestellen mit Kap beim Bus das Wechseln der Fahrspur vom Fahr- auf den Standstreifen und verkürzen damit den Haltevorgang. Außerdem steht der Bus bei Kaps in der Regel näher am Bord, so dass die Fahrgäste besser einsteigen können, gerade auch die Mobilitätseingeschränkten. Und schließlich gibt es für die Autofahrer mehr Stellplätze am Straßenrand, weil eine Haltestelle mit Buskap kürzer ist als eine Haltestelle mit Busbucht. (af)

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 1/2013 (März 2013), Seite 9