Fernverkehr
Auch mit dem Infrastrukturbeschleunigungsprogramm II wird vor allem der Straßenbau gefördert
25. Feb 2013
Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner Sitzung am 8. November 2012 ein Infrastrukturbeschleunigungsprogramm II beschlossen, mit dem die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur für die Jahre 2013 und 2014 einmalig um 750 Millionen Euro erhöht werden. Unverständlich ist, dass von diesem Betrag fast nur der Verkehrsträger Straße profitiert.
Das Infrastrukturbeschleunigungsprogramm
II (IPB II) sieht zusätzliche Ausgaben
von 600 Mio. Euro im Jahr 2013 vor und für
das Jahr 2014 Verpflichtungsermächtigungen
für weitere 150 Mio. Euro. Diese Beträge
Der Schienenverkehr erhält damit einen Anteil von gerade einmal 5,3 Prozent!
Fragwürdig ist beim IPB II auch die Aufteilung der Straßenbaumittel: So sind im Bereich der Bundesfernstraßen allein 326 Mio. Euro zur Verstärkung laufender Neubaumaßnahmen eingeplant, weitere 176 Mio. Euro für Neubeginne von Bedarfsplan- und Umbaumaßnahmen. Dazu gehört im Bundesland Berlin beispielsweise die Verlängerung der Autobahn A 100 zwischen Autobahndreieck (AD) Neukölln und Anschlussstelle (AS) „Am Treptower Park“. Hierfür sind
in den Jahren 2013 und 2014 insgesamt 80 Mio. Euro eingeplant. Damit ist für dieses Einzelprojekt bereits das Doppelte von dem vorgesehen, was für den Ausbau der Schienenwege im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung steht!
Angesichts des Nachholbedarfs bei Erhaltungsmaßnahmen, z. B. Ersatz verschlissener Autobahnbrücken oder Fahrbahnbeläge, stellt sich die Frage, weshalb dafür „nur“ 41 Mio. Euro eingeplant sind.
Die übrigen Finanzmittel im Bereich Bundesfernstraßen verteilen sich auf die Verstärkung des Radwegeausbaus an bestehenden Bundesstraßen (10 Mio. Euro) und für eine Zweckausgabenpauschale an die Bundesländer (17 Mio. Euro).
Mit den Mitteln für die Bundesschienenwege wird ausschließlich ein Sonderprogramm Lärmschutz finanziert. Dazu gehören z. B. die Ausrüstung der Strecken im Mittelrheintal und im Elbtal Sachsen (Bereiche Bad Schandau und Krippen) mit Schienenstegdämpfern/ Schienenstegabschirmungen. Hinzu kommt der Bau von Schallschutzwänden, u. a. in Treuchtlingen (Möhrenbachtalbrücke) und Bremen. Auch die Erprobung neuer Technologien wird finanziert, so z. B. der Bau einer niedrigen Schallschutzwand in Passau-Voglau (C-Wand).
Die 40 Mio. Euro für Schallschutzmaßnahmen an stark belasteten Schienenstrecken sind zweifellos gut angelegt. Die Maßnahmen dienen letztlich dazu, die Akzeptanz des Schienenverkehrs dauerhaft zu verbessern bzw. die Lärmproblematik an den stark belasteten Hauptmagistralen gerade in den Nachtstunden zu reduzieren.
Nicht akzeptabel ist jedoch, dass durch das IPB II die Infrastrukturqualität einseitig im Bereich der Bundesfernstraßen verbessert wird, während bei der Schiene Stagnation zu verzeichnen ist.
Bereits mit dem ersten Infrastrukturpaket in einer Höhe von 1 Milliarde Euro vom November 2011 wurde der Schienenverkehr erheblich benachteiligt. Der überwiegende Teil dieser Finanzspritze, nämlich 600 Mio. Euro, wurde seinerzeit für den Straßenverkehr reserviert, 300 Mio. Euro für die Wasserstraßen und lediglich 100 Millionen Euro, also gerade einmal 10 Prozent der Gesamtsumme, für die Schiene.
Es muss dabei berücksichtigt werden, dass mit einer im Vergleich zur Schiene weiter gesteigerten Attraktivität der Straßeninfrastruktur für die Zukunft auch Fakten zugunsten dieses Verkehrsträgers geschaffen werden. Die notwendige Verlagerung von Verkehren auf die energiesparende und umweltschonende Schiene wird auf diese Weise ad absurdum geführt, die ohnehin bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Bahn werden weiter ausgebaut.
Ebenso wenig akzeptabel ist die offizielle Begründung für diese Situation: „Die Realisierung von Bedarfsplanvorhaben für die Bundesschienenwege erfordert fast immer deutlich längere Zeiträume als zwei Jahre (…) Ein kurzfristiger Baubeginn von neuen Ausbauvorhaben ist in der Regel auch nicht möglich, weil erst die fahrplantechnischen Voraussetzungen (Sperrpausen) geschaffen werden müssen und hierfür der Vorlauf einer Fahrplanperiode benötigt wird.“
Und was wird seitens des Bundes zur Behebung dieses Mangels getan? Nichts! Es ist aber nicht akzeptabel, dass es einerseits für Straßen und Wasserstraßen unter staatlicher Verwaltung fertig durchgeplante Projekte gibt, dagegen andererseits die Deutsche Bahn als privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen keine (kostenintensiven) Planungen von Aus- bzw. Neubaumaßnahmen durchführen kann, für die eine Finanzierung letztlich nicht absehbar ist bzw. lediglich nach dem „Prinzip Hoffnung“ erfolgt.
Hier hat der Bund die Pflicht, diesen Nachteil schnellstmöglich auszugleichen bzw. zu beheben. Ein entsprechender Planungsfonds für den Aus- bzw. Neubau festgelegter Schienenwege kann in diesem Fall Abhilfe schaffen. Der Nachholbedarf ist im Bereich der Bundesschienenwege schließlich erheblich, z. B. Ausbau/Elektrifizierung der Strecken Berlin—Stettin, Hof—Nürnberg bzw. Regensburg.
Die Bevorzugung des Straßenbaus zulasten der Schienenwege hat unter Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) einen neuen Höhe- bzw. Tiefpunkt erreicht.
IGEB Fernverkehr
aus SIGNAL 1/2013 (März 2013), Seite 12-13