Tarife: söp

Nutzung eines Fernverkehrszuges mit Nahverkehrsfahrkarte?


söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

25. Feb 2013

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war Inhaber einer Monatskarte seines örtlichen Verkehrsverbundes zu einem Jahrespreis von 2589,60 Euro für die Strecke von Köln nach Essen. Am 25. Januar 2012 wollte er mit einem Nahverkehrszug von Essen nach Köln fahren. Da dieser Zug jedoch mit einer erheblichen Verspätung angekündigt war, nutzte der Beschwerdeführer stattdessen für seine Fahrt einen Fernverkehrszug. Im Zug musste er für die Fahrt eine Fahrkarte zu einem Preis von 29,50 Euro kaufen. In Köln ließ sich der Beschwerdeführer eine Verspätung des Nahverkehrszuges von 29 Minuten bestätigen.

Ablehnung

Nach der Rückkehr von der Fahrt machte der Beschwerdeführer eine Erstattung einer Kosten für die nachgelöste Fahrkarte beim Servicecenter Fahrgastrechte geltend. Das Servicecenter

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lehnte die Erstattung ab mit der Begründung “Nutzung eines Alternativzuges mit erheblich ermäßigten Fahrkarten”.

Schlichtungsarbeit

Der Beschwerdeführer zeigte sich mit der Ablehnung seines Erstattungswunsches nicht einverstanden und wandte sich an die söp. Die söp prüfte den Fall zunächst im Hinblick auf die Beförderungsbedingungen des Eisenbahnunternehmens. Danach kann ein Reisender, wenn vernünftigerweise davon ausgegangen werden muss, dass er mit einer Fahrkarte der Produktklasse ICE, IC/EC am Zielbahnhof mindestens 20 Minuten verspätet ankommen wird, die Fahrt mit geänderter Streckenführung bis zum Zielort bei nächster Gelegenheit fortsetzen. Er kann dabei auch den Zug einer höherwertigen Produktklasse nutzen. Reisende mit einer Fahrkarte für die Produktklasse C (d. h. Nahverkehrszüge) haben jedoch bei Weiterreise im Zug einer höherwertigen Produktklasse zunächst den Fahrpreis für die benutzte Produktklasse zu zahlen. Die dafür erforderlichen Aufwendungen werden erstattet. Dies soll nach den Beförderungsbedingungen aber nicht gelten, wenn der Reisende Inhaber einer “Fahrkarte zu einem erheblich ermäßigten Fahrpreis” war. Maßgeblich war daher, ob es sich bei der Monatskarte des Beschwerdeführers um eine Fahrkarte zu einem erheblich ermäßigten Fahrpreis handelte.

Die söp kam zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist. Die Tarifbestimmungen des örtlichen Verkehrsverbundes enthielten keine Regelung, dass es sich bei der Monatskarte um eine Fahrkarte zu einem erheblich ermäßigten Fahrpreis handelt. Eine solche ist aber – ausgehend von der Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) – erforderlich. Ist dies nicht geregelt, handelt es sich um eine “ganz normale” Fahrkarte, für die ein “normaler” Fahrpreis zu zahlen ist. Ergänzend wies die söp aber auch auf die Bestimmung des § 17 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EVO hin. Danach kann der Reisende seine Fahrt zum vertragsgemäßen Zielort mit einem anderen Zug durchführen, wenn vernünftigerweise davon ausgegangen werden muss, dass der Reisende mindestens 20 Minuten verspätet am Zielort ankommen wird. Das war der Fall. Schließlich hatte der Zug tatsächlich sogar eine Verspätung von 29 Minuten. Die Voraussetzungen für eine Erstattung waren insofern erfüllt. Da der Beschwerdeführer in Vorleistung getreten war, hatte er einen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 17 Abs. 2 EVO in Höhe der nachgezahlten 29,50 Euro.

Die Schlichtungsempfehlung der söp wurde angenommen. Das Verkehrsunternehmen entschuldigte sich ausdrücklich für die fehlerhafte Bearbeitung und erstattete dem Beschwerdeführer seine Kosten in voller Höhe. (Dr. Katja Schmidt)

Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff können von Verkehrsunternehmen wie von deren Kunden noch so gut geplant und organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen kommen, die Anlass zur Beschwerde geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort bekommt, kann sich an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger. SIGNAL-Leserinnen und -Leser können in jeder Ausgabe anhand eines konkreten Falls einen Einblick in die praktische Arbeit der söp bekommen.

Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen- Anhalt können sich an die söp wenden, wenn sie auf ihre Beschwerde hin von der BVG, der S-Bahn Berlin GmbH oder einem anderen teilnehmenden Verkehrsunternehmen der Region keine sie zufriedenstellende Antwort erhalten haben.

söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81
10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de

söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

aus SIGNAL 1/2013 (März 2013), Seite 26