Deutschland—Polen

Berliner Senat beschönigt die Lage

Für die Bahnverbindungen nach Polen bleibt viel zu tun


IGEB Fernverkehr

25. Feb 2013

IGEB-Kommentar zur oben stehenden Pressemitteilung der Senatsverwaltung

Dass es zum Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2012 im Bahnverkehr Deutschland—Polen Verbesserungen gegeben hat, ist unstrittig. Diese als „spürbare Verbesserungen“ zu bezeichnen, beschreibt die Gesamtsituation leider nicht treffend. Das Bahnangebot muss auch derzeit eher als unbefriedigend bezeichnet werden.

Während das grenzüberschreitende Fahren mit Pkw und Bus mittlerweile problemlos funktioniert, ergeben sich bei der Nutzung ausgerechnet des umweltschonendsten Verkehrsträgers durch mangelnde Kooperation, unabgestimmte Fahrpläne, fehlende Direktverbindungen und fehlende Vertaktung völlig unnötige Hindernisse. Umsteigezwänge an den Landesgrenzen und unterschiedliche Tarifsysteme sind für viele Reisende jedoch der Grund, die Bahn zu meiden und stattdessen Pkw und Bus/ Minibus bei der Verkehrsmittelwahl den Vorzug zu geben.

Nicht zuletzt müssen hier auch die etlichen Verschlechterungen im Laufe der letzten Jahre berücksichtigt werden, so z. B. die Einstellung des Nachtzugpaares D 448/449 „Stanislaw Moniuszko“ Berlin—Warszawa mit den Kurswagenverbindungen nach Gdańsk bzw. Gdynia, Kraków und Kaliningrad zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 (nach nur einem Betriebsjahr !). Am

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5. Juni 2012 verkehrte der einzige EuroCity im Abschnitt Berlin—Szczecin das letzte Mal, und seit 9. Dezember 2012 verkehrt EC 248/249 Hamburg—Berlin—Wrocław— Kraków nicht mehr im Abschnitt Wrocław— Kraków. Es bleibt abzuwarten, ob diese Verbindung nach Ende der Bauarbeiten tatsächlich wieder angeboten wird.

Die erst am 6. Juni 2012 eingeführte EuroCity-Verbindung zwischen Berlin und Gdynia wird erfreulicherweise auch im laufenden Fahrplanabschnitt angeboten. Doch für eine langfristige Sicherung muss das Angebot deutlich verbessert und ausgeweitet werden. Foto: Christian Schultz

Beschleunigter EC nach Wrocław weiterhin viel zu langsam

Die erfreuliche Verkürzung der Fahrzeit zwischen Berlin Hbf und Wrocław Głowny auf 5:01 Stunden (in der Gegenrichtung 4:47 Stunden) kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Fahrzeit damit noch immer unattraktiv lang ist und zu der unbefriedigenden Auslastung dieser EuroCity-Verbindung führt. Der vom Fahrpreis her günstigere Fernbus benötigt in dieser Relation die gleiche Fahrzeit. Hier besteht somit auch weiterhin erheblicher Handlungsbedarf!

Zum Vergleich: Mitte der 1930er Jahre brauchten die Schnelltriebwagen („Fliegender Schlesier“) für diese Strecke nur etwas mehr als 2,5 Stunden. allerdings mit der Linienführung Berlin—Frankfurt (Oder)—Guben— Breslau.

Es ist zweifellos auch positiv, dass durch verbesserte Fahrplanabstimmung in der Relation Berlin-Lichtenberg—Kostrzyn— Gorzów Fahrzeitverkürzungen erreicht wurden. Die Fahrzeit Berlin-Lichtenberg— Gorzów schwankt derzeit je nach Verbindung zwischen 2:04 Stunden (mit einer Umsteigezeit in Kostrzyn von lediglich 6 Minuten) und 2:37 Stunden; allerdings sieht ein fester, für den Fahrgast leicht einprägsamer Taktfahrplan anders aus! Zudem enden die Züge der Linie RB 26 noch immer in Kostrzyn, anstatt die wesentlich fahrgastfreundlichere, umsteigefreie Direktverbindung Berlin- Lichtenberg—Kostrzyn—Gorzów—Krzyż zu bedienen. Eine Durchbindung im 2-Stunden- Takt wäre für diese Linie ein wesentlicher Qualitätsschub.

Es ist unverständlich, dass seit dem EUBeitritt Polens am 1. Mai 2004 derart wenig bezüglich der Interoperabilität der Fahrzeuge erreicht worden ist. Die Anzahl der im grenzüberschreitenden Verkehr einsetzbaren Fahrzeuge könnte, entsprechenden Willen vorausgesetzt, heute bereits deutlich höher sein bzw. müsste nicht an langwierigen bürokratischen Hindernissen scheitern.

Ungenutztes Verbesserungspotenzial: Grenzüberschreitende Regional- Express-Linien

EC248 Wrocław—Cottbus—Berlin—Uelzen—Hamburg. Der abgeschlossene Ausbau der Strecke Berlin—Cottbus allein reicht für eine attraktive Fahrzeit des Zugpaares EC 248/249 nicht aus, das gegenwärtige Zugangebot zwischen Berlin und Wrocław (Breslau) ebenso wenig. Hier besteht unverändert großer Handlungsbedarf. Foto: Marc Heller

Mit der Einführung der Regional-Express- Linie RE 100, die seit 1. März 2009 mit täglich drei Fahrtenpaaren die Städte Dresden und Wrocław verbindet, wurde seinerzeit ein entscheidender Schritt zur Verbesserung des Bahnangebotes getan (Fahrzeit rund 3:30 Stunden).

Zur weiteren Verbesserung der Bahnverbindungen zwischen der Region Berlin/ Brandenburg und Polen wurden seitens DB Regio nachfolgende Linien entwickelt (siehe auch SIGNAL 1/2010). Endpunkte in Polen sind dabei nachgefragte Kurorte, Knotenbahnhöfe bzw. Wirtschaftszentren West-Polens. Nicht separat ausgewiesen sind nachfolgend die einzelnen Halte innerhalb Berlins.

Regional-Express-Linie 200

Potsdam Hbf—Berlin—Erkner—Fürstenwalde (Spree)—Frankfurt (Oder)—Słubice— Rzepin—Świebodzin—Zbąszynek— Zbąszyń—Nowy Tomyśl—Poznań Gł.

Regional-Express-Linie 300

Berlin—Strausberg—Kostrzyn—Witnica— Gorzów Wlkp.—Nowe Drezdenko—Krzyż

(Wesentlich günstiger als der Start- bzw. Zielbahnhof Berlin-Lichtenberg ist künftig eine Durchbindung ab/bis Bahnhof Ostkreuz).

Regional-Express-Linie 400

Berlin—Bernau—Eberswalde Hbf—Angermünde— Passow—Szczecin-Gumieńce— Szczecin Gl.—Goleniów—Nowogard— Gryfice—Trzebiatów—Kołobrzeg

Unverständlich: Um den weiteren Ausbau dieser RegionalExpress-Linien ist es mittlerweile sehr still geworden. Für eine deutliche Stärkung der Bahnverbindungen zwischen Deutschland und Polen müssen die entsprechenden Chancen und Potenziale aber genutzt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die beteiligten Bahnunternehmen am Verkehrsmarkt noch weiter an Bedeutung verlieren.

Abkommen zum Ausbau Berlin—Szczecin enttäuschend

Am 20. Dezember 2012 erfolgte nach langwierigen Verzögerungen endlich die Ressortvereinbarung zum Ausbau der Eisenbahnstrecke Berlin—Szczecin. Geplant ist die Elektrifizierung der fehlenden 33 km und der Ausbau für eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Der Abschnitt Passow— Szczecin-Gumieńce bleibt dabei eingleisig; geplant ist für dieses Projekt ein Investitionsvolumen von rund 100 Mio. Euro.

Nach Abschluss der Bauarbeiten wird sich die Fahrzeit in der Relation Berlin— Szczecin auf 90 Minuten reduzieren. Der eigentliche Skandal: Der Ausbau dieser Strecke soll erst 2020 fertiggestellt sein! Angesichts zusätzlicher Finanzmittel von großzügigen 570 Millionen Euro allein im Rahmen des Infrastrukturbeschleunigungsprogramms (IPB) II zum weiteren Ausbau der Straßeninfrastruktur (s. Seite 12) überzeugt das Argument fehlender Finanzierungsmöglichkeiten bzw. der daraus resultierende lange Realisierungszeitraum für diese Schienenverbindung nicht. Halbherziges politisches Interesse dürfte diese Situation wohl zutreffender beschreiben.

IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 1/2013 (März 2013), Seite 28-29