Berlin

Ein Jahrzehnt des Ärgers und des Ungemachs

Die umfassende Sanierung an den Bauwerken der Berliner U-Bahn, insbesondere den Tunneln, läßt sich nicht mehr länger hinausschieben. Auf die Berliner Fahrgäste kommt ein Jahrzehnt des Ärgers und Ungemachs zu, denn ohne Einschränkungen wird es leider nicht gehen.


IGEB

1. Apr 2000

Der Berliner Senat sah in den letzten Jahren seine Verantwortung der U-Bahn gegenüber vor allem darin, die BVG mit neuen, betriebswirtschaftlich teilweise außerordentlich fragwürdigen Neubauabschnitten zu „beglücken". Um den Erhalt und die Reparatur existierender Strecken kümmerte er sich dagegen kaum - obwohl auch dieses Feld durchaus geldintensiv zu betreiben ist.

Nun hat die BVG auch dank der Unterstützung der IGEB (vgl. Signal 7/98 , Seite 4 - „Läßt der Senat die U-Bahn verkommen?") ein umfangreiches Erneuerngsprogramm initiieren können, das insbesondere den im Berliner Osten befindlichen U-Bahnstrecken zugute kommen soll.

Erster Abschnitt ist die bereits begonnene Sanierung der U2 in der Stadtmitte. Weite Abschnitte der Tunnelbauten sind marode, der gestiegene und immer schwerere Straßenverkehr verschärfte die Situation zusätzlich. Unter dem Einfluß der insbesondere in den 70er Jahren reichlich eingesetzten Tausalze zerfielen die Armierungen zu Rost und ließen den Beton instabil werden. Das Ergebnis sind Tunneldecken und -wände, die inzwischen die Konsistenz von nassem Sand haben. Verständlich ist, daß eine derartige Grundsanierung nicht ohne Streckensperrungen ablaufen kann. Schienenersatzverkehr (SEV) wird für die Kunden der U2 zum alltäglichen Geschäft gehören. Aber auch bei der U5, U6 und der U8 werden größere Baumaßnahmen in den nächsten zehn Jahren unvermeidlich sein.

Sinnvolle Verwendung der U5-Gelder

Um in den Genuß von GVFG-Mitteln zu kommen, mußte zwingend noch in diesem Jahr mit der Sanierung begonnen werden. Es ist jedoch absehbar, daß die weitere Beschaffung von Finanzmitteln schwierig wird. Hier bietet sich eine sinnvolle Verwendung der für der U5 eingeplanten Gelder an. Dabei im Bau der U5-Verlängerung GVFG-Mittel eingesetzt werden sollten, lassen sich diese Mittel zumindest für die Sanierung von U-Bahn-Strecken im Ostteil einsetzen. Und der Sanierungsbedarf liegt allein hier bei über anderthalb Milliarden DM.

Gute Fahrgastbetreuung?
Fehlanzeige

Der bereits erfolgte Auftakt läßt für die Fahrgäste allerdings Schlimmes befürchten. Die Fahrgastinformation bei den Wochenend-Sperrungen zwischen den Bahnhöfen Vinetastraße und Potsdamer Platz war schlicht unzureichend. Nach einem undurchschaubaren Schema verstreute Informationstafeln, Infobroschüren als „Bückware" und insbesondere im Bereich Potsdamer Platz eine nicht nachvollziehbare Buslinienführung stellten die Fahrgäste auf eine harte Probe. Ansagen erfolgten je nach Geschmack des vor Ort eingesetzten Personals, daß heißt, entweder gar nicht oder weitgehend unverständlich. Da insbesondere in der Innenstadt und noch dazu an Wochenenden ortsunkundige Touristen unterwegs sind, ist dies ein absolut unhaltbarer Zustand.

U-Bahnhof Klosterstraße mit den neuen Zugzielanzeiger. Foto: BVG

Da man sich auf das mit viel Vorschußlorbeeren versehene rechnergesteuerte Informationssystem DAISY nicht verlassen kann, wird es keine Alternative zum massiven Einsatz von geschult em Personal und guten Iinformationsangeboten im Bereich der Bahnhöfe geben.

Wunder Punkt:
Vorabinformation der Fahrgäste

Ein wunder Punkt ist auch die Vorabinformation der Fahrgäste: während die S-Bahn und bei der BVG die Straßenbahn seit Jahren mit regelmäßig erscheinenden Informationsbroschüren einen stetigen Informationsfluß etabliert haben, der zudem das gesamte Verkehrsgebiet abdeckt, vertraut der Unternehmensbereich U-Bahn der BVG weiterhin auf punktuell verteilte Flyer. Hier muß der kundige Fahrgast jeweils das Glück haben, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein, um ein Exemplar zu erwischen - eine Anforderung, die dem Durchschnittsfahrgast (und um den geht es ja) schlicht nicht zuzumuten ist.

Die IGEB hatte der BVG kürzlich vorgeschlagen, wie bei der Straßenbahn ein (bei Bedarf) monatliches erscheinendes Informationsheft herauszugeben. Dieses Heft muß alle vorhersehbaren Baumaßnahmen im betreffenden Zeitraum enthalten. Da der Höhepunkt der Sanierung der Straßenbahn inzwischen vorbei ist, kann man prüfen, dieses Informationsheft gemeinsam mit der Straßenbahn herauszugeben.

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Das gebaut werden muß, bezweifelt die IGEB nicht. Jedoch werden die Fahrgäste von der U-Bahn zu oft "im Regen" stehen gelassen. Die IGEB wird dran bleiben.

Zugangssperren bei der U-Bahn:
Fehler anderer Metropolen muß man nicht nachmachen!

So notwendig die Sanierung der Baulichkeiten der Berliner U-Bahn ist, so unsinnig sind die Planungen zum Einbau von Zugangssperren auf den Bahnhöfen. Sicherlich sind Überlegungen zur Senkung der Schwarzfahrerquote verständlich. Ob die jetzt bekannt gewordenen Überlegungen die Attraktivität der U-Bahn steigern, ist zweifelhaft und wird vom Berliner Fahrgastverband bestritten.

Neben für die Fahrgäste entstehenden Unbequemlichkeiten, insbesondere für solche mit Behinderungen, mit Kinderwagen, Gepäck oder Fahrrad, ergeben sich eine Vielzahl ungelöster Probleme. So sollte der Brand eines S-Bahn-Wagens am Bahnhof Yorckstraße Warnung genug sein. Bei allen inzwischen vorhandenen Sicherheitseinrichtungen wird es im Betrieb Situationen geben, wo in kurzer Zeit ein U-Bahnhof geräumt werden muß. Ob das dann bei eingebauten Sperren möglich sein wird, muß hoffentlich nie geprobt werden.

Darüber hinaus liegt auch hier der Teufel im Detail. Da die U-Bahnhöfe in Berlin an vielen Stellen nur sehr kleine Räumlichkeiten im Bereich der Zugangsbauwerke haben, wird der Einbau sehr schwierig und kostenintensiv. Oder werden die Fahrgäste demnächst Vergitterungen auf den Bahnsteigen bewundern dürfen?

Hui und pfui liegen bei der Berliner U-Bahn dicht beieinander. Foto: Marc Heller

Ein nächstes Problem stellt sich im Alltag. Da wie bereits beschrieben an vielen Stellen Zugangssperren nur sehr schwer eingebaut werden können, wird die Zahl der Sperren sehr begrenzt sein. Die Folge werden „Staus von Fahrgästen" im Untergrund sein. Ob man mit solchen Aussichten Autofahrer zur BVG lockt, ist ziemlich zweifelhaft.

Darüber hinaus ist es notwendig, Sperren mit Personal zu besetzen. Da die BVG unter enormen wirtschaftlichem Druck steht, wird sie nicht ständig alle Sperren mit Personal besetzen können. Die Folge wird sein, daß die Zahl der Ausgänge drastisch reduziert wird, viele nur temporär offen sein werden und als Schlußpunkt U-Bahnhöfe nur noch in der Hauptverkehrszeit geöffnet sein werden. Schöne Aussichten!

Aber auch die wirtschaftlichen Begründungen für den Einbau von Zugangssperren erscheinen doch sehr mäßig. Nach eigenen Angaben verliert die BVG pro Jahr 25 Millionen DM durch Schwarzfahrer. Wie groß dabei der Anteil der U-Bahn ist, ist nicht bekannt. Die Baukosten für die Zugangssperren betragen bis 250 Millionen DM. Damit sprengt die Amortisation jeden vernünftigen Rahmen. Abgesehen davon wird es, auch nach dem Einbau der Zugangssperren, Schwarzfahrer geben.

Vorschlag der IGEB: Mehr Personal auf die Bahnhöfe und in die Züge

Wenn es so ist, daß tatsächlich über 200 Millionen DM für die Bekämpfung des Schwarzfahrens zur Verfügung stehen, so muß die BVG einen anderen Weg einschlagen. Ziel sollte sein, die Fahrgäste optimal auf den Bahnhöfen und in den Zügen zu betreuen (Erteilung von Auskünften, Verstärkung des Sicherheitsgefühls). Die dabei eingesetzten Kräfte können auch im Kontrolldienst eingesetzt werden. Damit erhöht sich auch der Kontrolldruck gegenüber Schwarzfahrern. Es gibt also auch andere Wege, um die Schwarzfahrerquote zu senken.

IGEB

aus SIGNAL 2/2000 (März/April 2000), Seite 8-9