Aktuell
Wie jedes Jahr wird der Fahrplanwechsel bei der BVG durch gute und schlechte Nachrichten geprägt.
1. Mai 2000
Gut ist die Verbesserung der Bedienung auf der Halbinsel Stralau, ein Gebiet, das bislang im Berliner Verkehrsgeschehen ein Schattendasein führte. Durch massive Sanierung der einstigen Industriebrache ist hier ein attraktives Neubaugebiet entstanden, eine verbesserte ÖPNV-Anbindung daher lobenswert. Anstelle der Buslinie 147 wird künftig die Linie 142 die Verbindung zum S- und U-Bahnhof Warschauer Straße herstellen. Weiterhin wird die Linie 104 eine neue Verbindung zum S-Bahnhof Treptower Park ermöglichen. Die bisherige schlechte Umsteigesituation am S-Bahnhof Treptower Park wird durch eine Haltestellenlage am östlichen Bahnhofszugang verbessert. Dies gilt auch für den 194er.
Erforderlich ist außerdem eine Haltestelle an der Kreuzung Markgrafendamm/Stralauer Allee, da die für die Buslinie 194 vorhandene Haltestelle Corinthstraße vom 104er nicht erreicht wird.
Problematisch erscheint die Länge der schon bisher mit 71 Minuten Fahrzeit sehr langen Buslinie, die zudem in Neukölln durch einige verkehrlich schwierige und daher stauanfällige Bereiche fahren muß. Es erscheint angeraten, über eine Teilung der Linie im Bereich Wilmersdorf/Schöneberg nachzudenken.
Eine weitere begrüßenswerte Maßnahme stellt die Verlängerung der Buslinie 148 geradlinig über die Leipziger Straße zum Alexanderplatz dar, der wohl „hoffentlich bald" als ein Straßenbahn - Vorlaufbetrieb zum Potsdamer Platz anzusehen ist. Diese immer wichtiger werdende Ost-West -Verbindung wurde bisher nur unzureichend durch einen gebrochenen Verkehr der Linien 142/148 mit Umsteigen an der Philharmonie, sowie in etwas anderer Konstellation durch die Buslinie 348 im 20-Minuten-Takt bedient, was auf Grund der straßenbaulichen Situation am Potsdamer Platz bislang allerdings verständlich war. Zukünftig bedient nur jeder zweite 148er den neuen Abschnitt, auf dem die bisherige Buslinie 142 dann wegfällt, gleichwohl wird damit eine Taktverdichtung gegenüber der heutigen Situation erreicht. Beobachtet werden muß allerdings auch hier die Linienlänge, die die Fahrzeit von 60 Minuten überschreitet und ebenfalls als stauanfällig gilt. Ein Brechen der Linie in Steglitz für den Teil der Busse, die den Abschnitt zum Alexanderplatz befahren, sollte überdacht werden.
Die Linie 142 wird am Berliner Rathaus eine neue Endstelle erhalten und anschließend gemeinsam mit dem 148er über Spandauer Straße - Karl-Liebknecht-Straße - Alexanderplatz eine Schleife drehen und weiter wie bisher zum Ostbahnhof fahren. Von dort aus übernimmt sie den bisher von Buslinie 147 befahrenen Ast nach Stralau, der auf den Abschnitt Ostbahnhof - Schumannstraße/Charite verkürzt wird.
Als Verbesserung zum zehnjährigen Geburtstag der Buslinie 100 wird die Teilung dieser Linie in zwei Linien angepriesen. Die neue Buslinie 200 wird vom Bahnhof Zoo aus über die Budapester Straße - Tiergartenstraße - Potsdamer Platz - Ebertstraße zum Brandenburger Tor geführt, von wo aus sie gemeinsam mit der Buslinie 100 die Linden über Alexanderplatz bis zur Mollstraße fährt und den Ast zur Michelangelostraße bedient. Der 100er fährt wie bisher, endet aber mit allen Kursen an der Mollstraße. Der Touristencharakter des Buslinie 100 wird damit unterstrichen, während der 200er dagegen auch „normale" Bedienungsfunktionen übernimmt.
Da bekanntlich bei allen Planungen Kostenneutralität hergestellt werden muß, wird die bisherige 5-Minuten-Taktfolge der Buslinie 100 künftig von beiden Linien gemeinsam erbracht, es gibt somit auf beiden Linien einen 10-Minuten-Takt. Ob dieses Angebot in City-Lage ausreicht, ist kritisch zu hinterfragen und wird von uns beobachtet werden. Insofern ist die Geburtstags- Verbesserung auf die Teilung der Linie beschränkt, die eine neue und schnellere Erschließung der beiden Berliner Innenstadtbereiche ermöglicht und für die Buslinie 200 hoffentlich zu eine etwas kontinuierlicheren Taktfolge führen wird. Durch die Einrichtung der Linie 200 wird die Linie X9 künftig vom Flughafen Tegel kommend am Bahnhof Zoo enden, da die Budapester Straße nunmehr durch den 200er bedient wird. Diese Maßnahme erscheint angesichts der wenigen Fahrgäste, die bislang direkt vor ihr Hotel in der Budapester Straße gefahren werden wollten, vertretbar.
Schade ist, daß die BVG die Buslinie 200 nicht über Leipziger Straße - Friedrichstraße - Unter den Linden führt. Dadurch fährt er am großen Fahrgastpotential in der Friedrichstraße vorbei.
Erfreulich und dringend nötig ist, den Neubaubereich Buchholz-West besser zu versorgen. Der 121er wird daher künftig vom S- und U-Bahnhof Wittenau kommend nicht mehr zur Dietzgenstraße, sondern ab Nordend (wie die Buslinie 107) stadtauswärts bis Rosenthaler Weg und dann über diesen direkt zum Hugenottenplatz fahren. Die Endstelle ist an der Aubertstraße vorgesehen, wo auch der 259er endet. Leider gibt es keine Durchbindung bis zur Straßenbahn-Linie 50, so daß diese Funktion weiterhin nur die Buslinie 259 ausführt. Die Straßenbahn gerät dadurch immer stärker in die Randlage und es ist zu hoffen, daß deren Verlängerung nach Buchholz-West, wo sogar teilweise schon die Gleise liegen, endlich realisiert wird. Die vom 121er nicht mehr bediente Endstelle Dietzgenstraße wird künftig vom 153er angefahren. Diese nur im Tagesverkehr Montag bis Samstag verkehrende Linie zeichnet sich in diesem Bereich durch die Bedienung einiger Haltestellen in Nebenstraßen aus. Sie läuft indirekt parallel zur SL 53 und hat ihre Hauptfunktion in einer Art 121E, als Verstärker auf dem Wilhelmsruher Damm zum Sund U-Bahnhof Wittenau. Eigentlich eine Aufgabe, die sinnvollerweise durch die Straßenbahn-Linie 53 selbst erbracht werden sollte, an den realpolitischen verhältnissen jedoch scheitert.
Um die Funktion der Linie 153 im Gebiet Rosental/Nordend zu verbessern und gleichzeitig die schleichende Auszehrung der Straßenbahn zu vermeiden, wäre eine Führung zum nähergelegenen S-Bahnhof Wilhelmsruh und weiter in Richtung U-Bahnhof Residenzstraße zu überlegen, während die Verstärkerfunktion im Märkischen Viertel durch eine Verdichtung des 121ers wahrgenommen werden könnte.
Verbesserungen gibt es auch in einer direkten Verbindung zum Luftwaffenmuseum auf dem ehemaligem Flughafen Gatow durch die Buslinie 334.
Die Buslinie X54 wird in Weißensee auf der Suche nach weniger staugefährdeten Bereichen künftig über Liebermannstraße und Piesporter Straße zur Darßer Straße geführt und erhält somit die Möglichkeit am Pasedagplatz und am Rathaus Weißensee zu halten. Auf diese Art wird der IGEB Forderung nach einer Anbindung von Weißensee an diese Linie entsprochen, und wir begrüßen diese Maßnahme ausdrücklich.
Erfreulich haben sich die Fahrgastzahlen auf der Straßenbahn-Linie 6 entwickelt. Ursprünglich sollte sie gar nicht dauerhaft über den Alexanderplatz fahren. Erst auf Vorschlag der IGEB behielt sie die Linienführung über den Alexanderplatz bei.
Die BVG hat sich daher zu einer Taktverdichtung auf 10 Minuten bis ca. 20 Uhr, an Sonnabenden bis 16 Uhr und auch an Sonntagen von 11 bis 18 Uhr zwischen Hackeschen Markt und Riesaer Straße, entschlossen. Wir freuen uns über diese deutliche Angebotsverbesserung, können uns aber nicht ganz verkneifen, „noch einen drauf zu setzen". Die Straßenbahn-Linie 6 ist die einzige Linie, die vom Alexanderplatz kommend über den Hackeschen Markt hinaus die Oranienburger Straße und Chausseestraße bedient. Auf Grund der faktisch nicht vorhandenen Umsteigemöglichkeit wegen der Haltestellenlagen am Hackeschen Markt, aus einer vom Alexanderplatz kommenden Linie zu den weiterführenden Linien 1 oder 13, die in Rosenthaler Straße halten, zu gelangen, ist auch nach der Taktverdichtung auf der Linie 6 eine Weiterfahrt in den genannten Bereich nur im 20-Minuten-Takt möglich. Das ist für den innerstädtischen Verkehr keinesfalls ausreichend. Darum die Bitte an die BVG, auch noch das letzte "klitzekleine" Stückchen bis zur Schwarzkopffstraße im 10-Minuten-Takt zu befahren. Um andererseits die Kosten nicht in die Höhe zu treiben, gäbe es nach Inbetriebnahme der Wendeschleife am Alexanderplatz für die neue Endstelle der Linie 1 die Möglichkeit, die Linie 13 anstelle der „1" zum Kupfergraben zu führen und die „6" allein im 10-Minuten-Takt zur Endstelle Schwarzkopffstraße fahren zu lassen.
Ein Problem der Straßenbahn-Linie 6 wird allerdings durch die Taktverdichtung nicht gelöst: Die eingesetzten GT6N-Züge in Solotraktion weisen in der Hauptverkehrszeit eine zu geringe Kapazität auf.
Eine weitere Änderung betrifft die Straßenbahn-Linie N54. Um den nachts stärker nachgefragten Bereich der Alten Schönhauser Straße besser zu erschließen, fährt die N54 wieder über diese alte Strecke, der Alexanderplatz wird weiterhin durch die „N92" bedient. Überdenken sollte man hier, ob es genau umgekehrt nicht sinnvoller wäre. Beide Linien könnten den Mollknoten dann in gerader Fahrt überqueren und wären darüber hinaus mit der Tageslinie 4 völlig und mit der Tageslinie 8 weitgehend identisch, was dem Fahrgast eine Benutzung vereinfachen würde.
Eine wesentliche Veränderung gibt es auch im Bereich Prenzlauer Berg/Friedrichshain. Die Tages-Straßenbahn-Linie 20 wird künftig durchgehend ohne nächtliche Betriebspause verkehren. Daraus folgt die Verkürzung der Linie N55 zur Landsberger Allee/Petersburger Straße, sowie die Rücknahme der Buslinie N29 zum U-Bahnhof Warschauer Straße, mit direkter Umsteigemöglichkeit zwischen Nachtbus und Straßenbahn. Wir gehen davon aus, daß die Anschlußbeziehungen am SEZ weiterhin bestehen bleiben und eine etwaige Fahrzeitverlängerung der von etlichen Ampelschaltungen behinderten Straßenbahn gegenüber dem bisher schneller vorankommenden Nachtbus berücksichtigt wurden.
Lobend zu erwähnen ist die Verlängerung der Stadtrand-Linie 161 bis zum S-Bahnhof Erkner. Die bisher als Ring befahrene Streckenführung in Hessenwinkel wird künftig in beiden Richtungen, mit einem unwesentlichen Schlenker nur in Richtung Erkner, befahren und weiter bis Erkner, ZOB geführt. Während hier eine Einigung mit dem Landkreis Oder-Spree für diese sinnvolle Maßnahme erzielt werden konnte, passiert am westlichen Stadtrand zum Kreis Havelland genau das Gegenteil. Unter der Verantwortung von Havelbus wird die aus Nauen kommende Buslinie 657 künftig nur noch bis Havelpark Dallgow und die aus Paaren/Schönwalde kommende Buslinie 671 bereits am Klinkeplatz, anstelle der bisherigen Endstelle Rathaus Spandau, enden. Damit mutet man den Fahrgästen (insbesondere bei der alternativlosen Buslinie 671) zu, nach teilweise recht langer Fahrt kurz vor Erreichen des eigentlichen Ziels den Bus zu verlassen, sich wieder an die Haltestelle zu stellen und auf den 145er zu warten, um dann die letzten sechs Haltestellen zum Rathaus Spandau mit seinen Schnellbahn- Anschlüssen zurückzulegen. Leider handelt es sich hier um ein typisches Beispiel für die Angebotsverschlechterungen im Verkehr mit dem Berliner Umland, die alle mit logischerweise weiter schwindenden Fahrgastzahlen und wiederum daraus resultierenden weiteren Angebotsausdünnungen enden und letztlich nur die Autoströme im Verkehr zwischen Berlin und seiner Umgebung wachsen lassen. Als Beispiel sei hier nur die Taktausdünnung auf der Buslinie 107 im Brandenburger Streckenteil oder die auf täglich fünf bis sechs Fahrten zurückgeführte Bedienung von dicht an der Berliner Stadtgrenze liegenden Gemeinden wie Eiche und Mehrow hingewiesen, Orte die noch vor einigen Jahren im 60-Minuten-Takt mit der Stadt verbunden waren. Berliner und Brandenburger Landespolitikern, die letztlich für diese Verschlechterungen durch Mittelkürzungen verantwortlich sind, kann gar nicht deutlich genug vor Augen geführt werden, daß diese Politik auf ein völliges Aus im Busverkehr der Region und Randgebieten Berlins hinausläuft. Der Verlust von Fahrgästen im Zubringerverkehr führt dann weiter auch zu einem Verlust in Anschlußverkehren, somit werden alle ÖPNV-Betreiber in und um Berlin am Ende davon getroffen.
Während man auf Seiten der BVG, trotz knapper Mittel, Bemühungen zur Verbesserung der Angebote deutlich registrieren kann, geht man im Verkehr mit Brandenburg genau den gegenteiligen Weg. Die Verkehrspolitik beider Länder aber muß koordiniert werden mit dem Ziel, mehr Fahrgäste in die Verkehrsmittel zu holen, um die ständig steigenden schädlichen Auswirkungen des MIV wenigstens zu verringern. Wenn für sinnvolle Verkehrsangebote Länder-, Stadt- und Kreisgrenzen Hindernisse sind, müssen diese von den politisch Verantwortlichen abgebaut werden, dafür wurden sie gewählt.
IGEB, Abteilung Stadtverkehr
aus SIGNAL 3/2000 (April/Mai 2000), Seite 4-6