Berlin

(R)Ostkreuz

Der Umbau des S-Bahnhofes Ostkreuz steht vor der Tür. Seit Jahren schon ist vorgesehen, die alte und morsche Anlage abzureißen und neu zu bauen. Jetzt sind die Planungen der DB Projekt GmbH Knoten Berlin so weit fortgeschritten, daß im Sommer 2000 mit dem Planfeststellungsverfahren (PFV) begonnen werden soll. Baubeginn könnte dann Herbst 2001 sein.


IGEB, Abteilung S-Bahn und Regionalverkehr

1. Mai 2000

Der gesamte Umbau soll unter laufendem Bahnbetrieb durchgeführt werden, es sind maximal Wochendend-Sperrungen geplant. Damit wird es bis zu 100 (!) Bauzustände geben. Die Bauzeit wird derzeit mit acht Jahren veranschlagt.

Die Planungen beziehen sich auf drei Teil projekte:

  1. Grunderneuerung des S-Bahnhofs und der S-Bahn-Anlagen von Ostkopf Ostbahnhof bis zur Streckentrennung Frankfurter Bahn / Ostbahn;
  2. Umbau Bahnhof Ostkreuz für das Pilzkonzept und Errichtung eines Regionalbahn-Haltepunktes;
  3. Vorleistungen für die später kreuzende BAB 100 (Stadtautobahn).

Der Planfeststellungsbereich umfaßt die gesamte Streckenlänge von Ostbahnhof bis einschließlich Ostkreuz in einem Stück. Der anschließende Abschnitt nach Rummelsburg wird separat planfestgestellt.

Umbau S-Bahn und Neubau der Regionalbahnsteige

Die gesamte brüchige Anlage Ostkreuz unter Denkmalschutz! Das macht die Planung nicht einfach.

Die beiden Ringbahnsteige (S und RE) besitzen jeweils Abgänge zu den Stadtbahnsteigen und zu den beiden Vorplätzen an der Hauptstraße und der Neuen Bahnhofstraße. Die beiden alten Empfangsgebäude und die Fußgängerbrücke bleiben erhalten, ebenso wie der Wasserturm (Denkmalschutz). Die auf dem nördlichen Vorplatz bereits eingezeichneten Straßenbahngleise sind bisher nur angedacht und nicht im PFV enthalten. Schwach angedeutet ist die Lage des Autobahntunnels unter der Fußgängerbrücke. Quelle: DB Projekt Knoten Berlin, Kommentare in der Karte durch IGEB

Geplant sind zwei S-Bahn-Richtungsbahnsteige sowie ein Regionalbahnsteig für die Stadtbahn (untere Ebene). Sie sind gegenüber dem bisherigen Standort weiter unter die Ringbahn-Brücke verschoben und verbessern die Umsteigesituation.

Rechtwinklig zu den Stadtbahnsteigen entsteht für die Ringbahn ein S-Bahnsteig und ein neuer Regionalbahnsteig. An der Südring-Kurve wird es keinen S-Bahnhalt geben. Der Bahnsteig bleibt aber aus Denkmalschutzgründen erhalten. Es ist fragwürdig, den Unterhaltungsaufwand eines Bahnsteiges ohne verkehrlichen Nutzen aufzubringen. In diesem Falle sollte er auch bedient werden.

Die in letzter Zeit nicht mehr benutzte Nordring-Kurve soll abgebaut und das Gelände dem Träger des Entwicklungsgebietes zugeschlagen werden.

Mit dieser Kurve baut die Bahn die letzte Verbindung zwischen Nordring und Stadtbahn ab - auch am Westkreuz gibt es diese Kurve seit dem Krieg nicht mehr. Ob diese Entscheidung für einen flexiblen Betriebsablauf bei Störungen richtig ist, bezweifelt die IGEB. Optional kann ein weiterer Bahnsteig für die Wriezener Bahn eingerichtet werden.

Nördlich und südlich der Bahnsteige werden Bahnhofsvorplätze angelegt. Von hier bestehen Zugänge zu den Ringbahnsteigen und über die westliche Fußgängerbrücke (Denkmalschutz!) zu den Stadtbahnsteigen. Treppen und Aufzüge von den Stadtbahnsteigen zu den Ringbahnsteigen stehen den Umsteigern zur Verfügung.

Für die Ringbahnsteige ist eine neue Glashalle vorgesehen, die Stadtbahnsteige bekommen eine denkmalgerechte Stützendach-Konstruktion.

Die Ausfädelung der S-Bahn-Strecken nach Lichtenberg und Erkner wird dann östlich von Ostkreuz mit einem Überwerfungsbauwerk realisiert. Das dritte Fernbahngleis für die Betriebsfahrten Stadtbahn - Rummelsburg am südlichen Rand bleibt erhalten. Im Bahnhof Warschauer Straße entfällt das Mittelgleis (Kehrgleis von Osten) mit zwei Bahnsteigkanten. Der bestehende Güteranschluß von der Ringbahn zum Osthafen ist berücksichtigt.

Wriezener Bahn

Mit der Ferngleis-Verbindung vom Bahnhof Lichtenberg zur Stadtbahn stünde eine neue östliche Zulaufstrecke zur Stadtbahn zur Verfügung. Damit könnte der Bahnhof Lichtenberg in den Fern- und Regionalverkehr von der Stadtbahn einbezogen werden. In seinem Einzugsgebiet wohnen immerhin 500.000 Menschen.

Die Südring-Kurve am Bahnhof Ostkreuz (rechts oben im Bild) soll zwar erhalten bleiben, aber hier sollen keine Züge mehr halten. Die Gleisverbindung vom und zum Nordring (im Bild ist links noch die Brücke erkennbar) soll komplett verschwinden. Foto: Alexander Frenzel, März 2000

Während sich der Senat vor kurzem für eine Verbindung Lichtenberg - Ostbahnhof ausgesprochen hat, wartet hier die DB AG auf eine konkrete Bestellung. Im Moment, so die DB AG, ist ein zweigleisiger Ausbau nicht nötig.

Einerseits ist dem Senat vorzuhalten, daß er seinen Wunsch nicht nachdrücklich genug vertreten hat, im Gegensatz zu den Autobahnplänen, wo er weit in die Zukunft denkt. Andererseits ist die Bahn selbst sehr kurzsichtig, wenn sie sich in dieser Frage vollkommen auf die Bestellung stützt. Das bestellte Fahrplanangebot wechselt relativ kurzfristig, die Infrastruktur dagegen muß auch langfristige Möglichkeiten berücksichtigen.

Mit einem relativ geringen Kostenaufwand kann die DB selbst davon profitieren:

Die Fern- und Regionalbahn-Anbindung Lichtenbergs und damit von etlichen östliehen Bezirken an die Stadtbahn kann viele neue Bahnkunden bringen und entlastet den Ostbahnhof. Darüber hinaus ist mit der EU-Erweiterung durch Polen und die baltischen Staaten und der Liberalisierung des Verkehrsmarktes mittelfristig ein erhöhtes Verkehrsaufkommen auf der Ostbahn zu erwarten.

Nebenbei wird die Bahn flexibler in der Betriebsführung in dem Nadelöhr Rummelsburg - Stadtbahn. Im Falle einer Betriebsstörung im neuen Nord-Süd-Tunnel steht eine weitere Umleitungsstrecke zur Verfügung, denn der Bahnhof Lichtenberg kann sowohl von Zügen der Ost-West-Richtung als auch von Zügen der Nord-Süd-Richtung genutzt werden. Somit steht eine flexible Rückfallebene bei Betriebsstörungen aller Art zur Verfügung. Über Lichtenberg geht's immer!

Das Problem ist bekanntlich, daß die Ferngleise der Wriezener Bahn von denen der Frankfurter Bahn durch die S-Bahn-Gleise voneinander getrennt sind. Es muß also eine Überwerfung realisiert werden, damit die Gleise der Wriezener Bahn auf die südliche Seite gelangen.

In der vorliegenden Planung sind leider keine Vorleistungen für den Seitenwechsel der Wriezener Bahn vorgesehen. Prinzipiell wäre er im Bereich der Modersohnbrücke möglich. Der bestehende S-Bahn-Tunnel ist dafür aufgrund seines Profils nicht geeignet.

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Die bisherigen Planungen gehen von einem Gleis aus, welches am Postbahnsteig des Wriezener Bahnhofes endet ohne einen Bahnsteig am Ostkreuz. Damit wird die bisherige unbefriedigende Situation nach dem Umbau nur wieder hergestellt. Optional ist die Trasse für ein zweites Gleis und einen Bahnsteig westlich der Ringbahnbrücke freigehalten, jedoch ist die Unterquerung der Ringbahn-Brücken nur eingleisig möglich. Das heißt, sollte ein späterer zweigleisiger Ausbau gewünscht sein, gäbe es unter der Ringbahn einen 60 Meter langen eingleisigen Abschnitt - oder die neuen Widerlager der Ringbahnbrücken müßten abgerissen und versetzt werden. Beides wäre ein Schildbürgerstreich.

Vorleistungen für die Autobahn

Die fast fertige Autobahn Gradestraße - Grenzallee in Neukölln soll Mitte 2000 eröffnet werden.

Bahnhof Ostkreuz im Zustand vom 17. März 1999. Oben die Ringbahn, darunter die Stadtbahn. Die Südring-Kurve verläuft von unten nach rechts, die derzeit nicht bediente Nordring-Kurve nach links. Foto: R. Quabbe, DB Projekt Knoten Berlin

Die Planung sieht vor, den Autobahn-Stadtring A100 von der Grenzallee weiter bis zur Frankfurter Allee zu verlängern. Dabei ist der Abschnitt Grenzallee bis Anschlußstelle Treptower Park vom Senat als „vordringlich" eingestuft, die Weiterführung als „erweiterter Bedarf". Hierbei müssen die Bahnanlagen im Bereich Ostkreuz unterquert werden. Da die Autobahn erst nach den Bahnanlagen gebaut werden soll, sind Vorleistungen beim Bahnbau vorgesehen. Im Bereich des heutigen Empfangsgebäudes am Markgrafendamm/Hauptstraße soll die Autobahn in einem Doppelstocktunnel den Bahnhof unterfahren. Die Vorleistung besteht aus zwei Schlitzwänden, die die Tunnelwände darstellen und darüber einem Stahlbetondeckel (Wand-Deckel-Bauweise). Diese Konstruktion wird zunächst zugeschüttet und die Gleise darauf gebaut. Später kann unter dem Deckel das Erdreich abgetragen und die eigentlichen Tunnelröhren eingebaut werden, ohne den Bahnbetrieb an den Oberfläche zu beeinträchtigen.

Das eigentliche Problem - das Ostkreuz betreffend - ist der Bestandteil dieser Vorleistung im Planfeststellungsverfahren der Bahn. Es sind Verzögerungen sowohl bei der Planfeststellung (also dem Baubeginn) sowie auch bei der Bauausführung zu befürchten. Technisch betrachtet ist die Vorleistung sicher sinnvoll, verkehrspolitisch sind die gigantischen Autobahn-Pläne sehr umstritten.

Ein paar Zahlen

Bisher nutzen ca. 110.000 Personen pro Tag den Bahnhof Ostkreuz (Ein-, Aus- und Umsteiger). Die Prognose für 2010 geht von 236.900 Personen pro Tag aus, also über doppelt so viele wie bisher, davon 211.550 Umsteiger und 25.350 Ein- und Aussteiger. Damit ist die Fahrgastfrequenz des Bahnhofes Ostkreuz die höchste in Berlin, nur vergleichbar mit dem neuen Lehrter Bahnhof.

Die Kosten für die Grunderneuerung der S-Bahn-Anlagen werden mit 440 Mio. DM veranschlagt. Davon kommen nach GVFG 60 % direkt vom Bund. Die Finanzierung des Restbetrages ab 2003 ist mit dem Verkehrsministerium noch nicht verhandelt. Der Umbau Ostkreuz (Pilzkonzept) soll 247,8 Mio. DM kosten, zusammen also 687,8 Mio. DM.

Jahr2000 2001 2002 2003
Mio. DM 6,0 15,0 50,0 349,6
Die ersten Jahrestranchen nach GVFG für Ostkreuz, Stand 9/1999

Die Kosten für die BAB von Grenzallee bis Frankfurter Alle sind mit [?] DM veranschlagt.

Straßenbahn - und Busanbindung

Auf dem nördlichen Bahnhofsvorplatz ist eine Straßenbahn-Haltestelle parallel zu den Stadtbahngleisen geplant. Aufgrund der unklaren Trassenführung der anschließenden Streckenabschnitte ist diese Haltestelle nicht Bestandteil des PFV der Bahn, sondern es wird lediglich der Platz unter der Ringbahn-Brücke und der Kynastbrükke freigehalten. Diese Brückenerweiterung ist mit 6 Mio. DM veranschlagt und Bestandteil des PFV. Nach Aussage der Senatsverwaltung für Verkehr besteht für die Einbindung in das bestehende Straßenbahn-Netz noch keine Konzeption. Dabei ist aus Fahrgastsicht wichtig, daß die Haltestelle auch für Busse nutzbar ist, um eine optimale Verknüpfung zwischen Bahn und Bus herzustellen.

Auf dem südlichen Bahnhofsvorplatz ist noch keine Bus-Haltestelle ausgewiesen. Nach Auskunft der Stadtentwicklungsgesellschaft für das Umfeld des Bahnhofs ist zunächst die Lage und Anzahl der Parkplätze am südlichen Zugang festzulegen. Offenbar soll die ÖPNV-Anbindung in „Restplätze" eingefügt werden. Für die Busse aus Rummelsburg ist die Situation nicht sehr problematisch, aber die Busse aus dem Markgrafendamm dürfen nicht durch die Autobahnabfahrten am Tunnelmund Ostkreuz vom Empfangsgebäude abgedrängt werden.

Fazit

Zu begrüßen ist, daß der dringend notwendige Umbau des wichtigen Knotens Ostkreuz endlich in greifbare Nähe rückt. Die Gestaltung der neuen Ringbahn-Halle mit den guten Umsteigebeziehungen zur Stadtbahn und die Berücksichtigung der Regionalbahn sind positiv.

Die Frage der Wriezener Bahn und die weiteren Punkte sind aber noch überarbeitungsbedürftig. Gelegenheit zum Einspruch und für Verbesserungsvorschläge wird es im Planfeststellungsverfahren geben, das noch in diesem Jahr beginnen soll.

IGEB, Abteilung S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 3/2000 (April/Mai 2000), Seite 12-15