Fernverkehr

DB AG sabotiert deutsch-polnischen Aufwärtstrend

Die DB AG beabsichtigt die Einsteilung der Direktverbindungen von Berlin über Szczecin (Stettin) und Koszalin (Köslin) nach Gdynia (Gdingen), Gdansk (Danzig) und Olsztyn (Allenstein) zum Fahrplanwechsel (siehe auch SIGNAL 2/00).


IGEB, Abteilung Fernverkehr

1. Mai 2000

Zusammenwachsen wird vereitelt

In einer Zeit, da der EU-Beitritt Polens praktisch vor der Tür steht und sich viele Initiativen wie Euroregionen, Städtepartnerschaften, Schulaustauschprogramme usw. für die Verbreiterung menschlicher Begegnungsmöglichkeiten zwischen Deutschen und Polen einsetzen, ist es anachronistisch, diesen Bestrebungen die Einstellungen von Direkt-Zugverbindungen von und nach Berlin entgegenzusetzen.

Schnellzug D 325/58003 von Tczew (Dirschau) nach Berlin-Lichtenberg im Bahnhof Casekow. Foto: Frank Lammers, Februar 2000

Aber auch für die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder, die in den vergangenen Jahren einen enormen Zuwachs zu verzeichnen haben, bedeutet die Streichung dieser Verbindungen einen schweren Rückschlag. Als einzige Alternative zu den stauanfälligen überlasteten Grenzübergängen auf der Straße bietet die Bahn derzeit für Arbeitspendler aus Pommern die einzige Möglichkeit, per Nachtzug übers Wochenende zur Familie zu fahren. Aber auch Joint-Ventures in Polen waren für Kunden wie Mitarbeiter per Bahn zu erreichen.

Ostsee-Tourismus stark gefährdet

Die verstärkten Bemühungen um den Aufbau einer gemeinsamen touristischen Entwicklung entlang der pommerschen Ostseeküste sehen sich der Grundlage einer akzeptablen Verkehrsanbindung beraubt. Die DB AG überläßt damit freiwillig der Straßenkonkurrenz den Markt.

Berlin verliert den Anschluß!

Seit die neue Regierungshauptstadt Berlin mit dem Umzug von Regierung und Parlament für den politischen wie auch wirtschaftlichen Ost-West-Austausch zu einer zentralen Drehscheibe geworden ist, gewinnen auch die Verkehrsverbindungen in Richtung Osten verstärkt an Bedeutung. So haben beispielsweise viele deutsche mittelständische Unternehmen in den letzten Jahren wirtschaftliche Verbindung nach Polen aufgebaut.

Widersprüchliche Begründung der DB AG

Die DB AG führte in ihrer Pressemitteilung aus, daß die Zahl der Reisenden die Aufrechterhaltung aller drei Züge von Berlin nach Gdynia nicht rechtfertige.

Die Praxis: Viele Fahrgäste kaufen ihre Fahrkarten nur bis zur Grenze, um auf polnischer Seite in den Genuß der um 30 Prozent günstigeren PKP-Tarife zu kommen.

Bus oder Flugzeug: eine Alternative?

Die von der DB AG angepriesene Alternative des Bus-Linienverkehrs reizt zum Schmunzeln: Abfahrt in Berlin um zwei Uhr, Ankunft aus der Gegenrichtung um ein Uhr nachts. Flugverbindungen nach Gdansk gibt es nicht.

Es gibt Alternativen:

  1. Aufrechterhaltung mindestens einer Tages- und einer Nachtverbindung von Berlin bis Gdansk. Da nur der deutsche Abschnitt dieser Verbindung von der Einstellung bedroht ist, ist die Aufrechterhaltung dieses Angebots kurzfristig möglich.
  2. Anstatt die Nachtverbindung zu streichen, sollte versucht werden, durch Verlegung der Ankunft und Abfahrt eine attraktive Verbindung zu schaffen: eine spätere Ankunftszeit in Berlin (bisher 5.38 Uhr), zusätzliche Pendler aus Szczecin in den Zug bringen.
  3. Die Verlängerung des Nachtzuges über Gdynia nach Elblag und Olsztyn würde diesen Zug attraktiver machen, da das Umsteigen in Gdynia entfallen würde.
  4. Der Tageszug IR Mare Balticum sollte in Berlin über die Stadtbahn geführt werden und eventuell von/nach Hamburg fahren.
  5. Mit besserem Marketing und zusätzlichen Partnern im Tourismus sollte die DB AG die zahlreichen Veranstaltungen nutzen, die zur 1000-Jahr-Feier der deutsch-polnischen Nachbarschaft stattfinden, um die Kenntnisse über die bislang guten Zugverbindungen bei potentiellen Kunden zu verbessern.

IGEB, Abteilung Fernverkehr

aus SIGNAL 3/2000 (April/Mai 2000), Seite 15