Berlin
Vorschlag für die Neuordnung des Busnetzes im südlichen Berliner Umland
1. Dez 2000
Während sich Landes- und Bundespolitiker in Verlautbarungen ständig für den Erhalt und die Stärkung des ÖPNV stark machen, um dem weiterhin anwachsenden Autoverkehr mit seinen bekannten negativen Auswirkungen wenigstens etwas Einhalt zu gebieten, wird real eben von diesen Politikern genau der gegenteilige Weg beschritten. Massive Kürzungen von Landeszuschüssen, geschickt verschleiert in Verschiebungen der Verantwortung von Landes- auf Kreisebene, läuteten zum Fahrplanwechsel im Mai 2000 das schleichende „Aus" des Linienbusverkehrs im Land Brandenburg ein. Zusätzlich wird jede Kreis- und erst Recht die Landesgrenze nach Berlin ein für den ÖPNV unüberwindbares Hindernis, wenn jeder Regionalpolitiker beim Einsatz der knappen Mittel nur sein Zuständigkeitsgebiet sieht.
Eine solche Haltung verkennt, daß ein Verkehrsangebot nur „grenzübergreifend" wirken kann, und bei einer Beschränkung auf nur einen Kreis oder Landesgebiet seinen eigentlichen Sinn nicht entfalteten kann. In dieser Folge zehren Mittelkürzungen in Millionenhöhe Buslinien endgültig aus und lassen sie bis zu Einzelfahrtangeboten anstelle von Taktfolgen sinken. Jahrzehntelang gut genutzte Straßenbahn-Unternehmen leben nun von der Hand in den Mund und stehen, wie die Strausberger Eisenbahn oder die Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn, vielleicht kurz vor dem endgültigen Ende.
Die Politik der Landesregierung von Brandenburg führt dazu, daß lediglich die Bahnhauptstrecken in der Verbindung von, nach und durch Berlin gestärkt werden, alles andere wird faktisch mit Ausnahme des Schulbusverkehrs immer mehr zusammengestrichen - unabhängig davon, was in denjeweiligen Nahverkehrsplänen beschlossen wurde. So richtig die Stärkung der Bahn auch ist, sie führt durch die Auszehrung der Zubringerverkehre zu eben diesen Bahn-Hauptstrecken (auf das Gesamtangebot des öffentlichen Verkehrs bezogen) leider nicht zu den erhofften Erfolgen.
Bewohner von in Berliner Stadtnähe liegenden Orten, wie zum Beispiel der Siedlung Fuchsberge bei Mahlow, haben zwar eine gute S-Bahn-Anbindung zum Bahnhof Mahlow. Sie kommen von dort künftig an den Wochenenden nicht mehr zu ihrer etwa zwei Kilometer entfernten Wohnsiedlung, weil die Linie 602 (bisheriger Wochenendtakt alle drei Stunden!) dann überhaupt nicht mehr fährt. Diese Situation ist faktisch in allen Berliner Umlandgemeinden so, die häufig eine große Flächenausdehnung haben. Es sind aber auch genau die Orte, die den höchsten Einwohnerzuwachs zumeist ehemaliger Berliner registrieren, die auch nach Ihrem Umzug eine Verkehrsverbindung in die Hauptstadt benötigen. Faktisch bleibt diesen Menschen gar nichts anderes übrig, als den eigenen Pkw zu nutzen, so daß bei mehrköpfigen Familien inzwischen zwei und mehr Pkw je Haushalt üblich sind. Wer sich einen derartigen Fuhrpark halten muß, fährt damit und steigt nicht einmal bei Werkstatt-Terminen auf den ÖPNV um, auch wenn dieser in bestimmten Zeiten dann Fahrten anbietet. Die Busse bleiben leer, und wegen mangelnder Benutzung werden die Linien dann gänzlich eingestellt.
Negativ abgerundet wird das Bild, indem statt günstiger Tarife (insbesondere im C-Bereich) überproportionale Erhöhungen stattfinden, um mit vermeintlich höheren Einnahmen dem Kollaps zu entgehen. Das bedeutet, daß man Kunden gewinnen will, indem man einem hohen Fahrpreis ein verringertes Angebot oder gar ein „Null"angebot gegenüberstellt.
Ein Ausweg aus dem Dilemma bietet nur ein verkehrspolitisch eindeutiges Signal zur Angebotsverbesserung und bewußten Bevorzugung des ÖPNV, was mit entsprechendem Werbeaufwand einhergehen muß, um weite Bevölkerungsteile überhaupt erst wieder auf die Existenz eines ÖPNV aufmerksam zu machen. Es ist auch notwendig, ein Bedienungskonzept mit in regelmäßigen Takten verkehrenden Linien anzustreben, anstelle viele verschiedene Wegstrecken bedienende Linienführungen, die auf einer Karte zwar nach einem dichten Busangebot aussehen, es aber tatsächlich nicht sind. Häufig handelt es sich bei vielen Linien lediglich um Einzelfahrten, wie zum Beispiel bei den Linien 603 oder 628. In den direkt an das Berliner Stadtgebiet angrenzenden Gebieten, wie zum Beispiel dem Siedlungsbereich in Kleinmachnow/Teltow/Stahnsdorf, die eine vergleichsweise hohe Besiedlungs- und Arbeitsplatzdichte und damit ein großes Fahrgastpotential aufweisen, sollte zumindest für die wichtigsten Linien das auch in Berlin übliche Grundangebot eines 20-Minuten-Taktes zwischen ca. 5 Uhr und Mitternacht an allen Wochentagen eingeführt werden.
Als Beispiel wird hier das Gebiet zwischen Stahnsdorf und Schönefeld herausgegriffen und eine mögliche Neuordnung des Liniennetzes aufgezeigt. Kleinmachnow, Teltow sowie Teile von Stahnsdorf sollten durch zwei im durchgehenden 20-Minuten-Takt verkehrende Buslinien erschlossen werden. Die Linien 623 und 629 sollten die Verbindung zu den angrenzenden Berliner Schnellbahnhöfen sowie zu den Zehlendorfer und Teltower Ortszentren herstellen.
Die Linie 629 sollte danach über den unmittelbar an Berlin grenzenden Teltower Ortsteil Seehof wieder nach Berlin fahren und die Verbindung zum S-Bahnhof Lichterfelde Ost herstellen. Die bisher hier verkehrende Linie 184, die durch die im Raum Teltow im Berufsverkehr auftretenden Staus ihre Verspätung bis in die Berliner Innenstadt „schleppt", kann dann natürlich entsprechend zurückgezogen werden. Die Linie 623 sollte sich nach der Durchquerung von Teltow an der Iserstraße in drei Äste teilen, die schwächer besiedelten Ortsgebiete im Stundentakt bedienen und in Ruhlsdorf, Güterfelde und in Stahnsdorf, Bahnhofstraße enden. Das Kleinmachnower Gemeindeamt, die Siedlung Dreilinden sowie der Europarc werden wie bisher mit der vom S-Bahnhof Wannsee kommenden und ggf. mit Kleinbussen verkehrende Linie 620 erschlossen, die planmäßige Anschlüsse zur Linie 629 an der Förster-Funke-Allee, sowie an die Linie 623 am Meiereifeld aufweisen sollte. Im dünnbesiedelten Schleusenweg und in der Rudolf-Breitscheid-Straße wäre eine stündliche Bedienung akzeptabel. Hier bietet sich an, die bereits heute teilweise mit wechselnden Endzielen verkehrende Linie 115 im Stundentakt von Düppel kommend über OdF-Platz zur Machnower Schleuse zu führen.
Die jetzige, vom S-Bahnhof Zehlendorf kommende Linie 217, die heutzutage vielfach eher eine Verstärkerlinie zum 110er ist und mit vielen Kursen an der Andreezeile, kurz vor der Stadtgrenze endet, sollte in der Linie 621 aufgehen. Die Linie sollte von Zehlendorf bis Teltow, Ruhlsdorfer Platz alle 20 Minuten verkehren, weiter bis Ruhlsdorf alle 20/40 Minuten und zum Endziel nach Ludwigsfelde alle 60 Minuten.
Abgerundet wird das Netz durch die im 20-Minuten-Takt aus Potsdam kommende Linie 601, die sich nach dem Durchfahren der Zentren von Stahnsdorf und Teltow in drei dann stündlich verkehrende Äste teilen sollte. Zielpunkte wären unverändert die Siedlung Sigridshorst, der S-Bahnhof Buckower Chaussee mit einer neuen Verbindung über Heinersdorf nach Marienfelde und zum Berliner S-Bahn-Netz, sowie der S-Bahnhof Mahlow, der nach einer Fahrt durch das neue Gewerbegebiet von Großbeeren, dann über den bislang fast gar nicht erschlossenen Ort Kleinbeeren, einer Stichfahrt nach Birkholz und der anschließenden Durchquerung des Mahlower Ortsteiles Waldblick, erreicht wird. Für die Bedienung des Ortsverkehrs in Mahlow bietet sich die stündlich verkehrende, bereits existierende Linie 602 an, die allerdings schon vom Berliner S-Bahnhof Lichtenrade kommen und über die Siedlung Waldblick zum S-Bahnhof Mahlow fahren sollte, dort ggf. den Anschluß der aus Berlin kommenden S-Bahn abwarten müßte, um dann über die Siedlung Fuchsberg, die Orte Glasow und Selchow und mit einem Schlenker durch die Ortsmitte von Waßmannsdorf zum S-Bahnhof Schönefeld zu fahren.
Weiterhin sollte vom S-Bahnhof Mahlow die Ortslinie 793 verkehren, deren Aufgabe es ist, in zwei getrennten Linienästen von und zum Anschluß an die S-Bahn die weitläufigen Ortsgebiete von Mahlow und Blankenfelde zu erschließen. Zu erwähnen wäre, daß es diese Linie neuerdings ab S-Bahnhof Blankenfelde tatsächlich schon gibt und daß sie das Ortsgebiet von Blankenfelde bedient. Leider kann ein Ortsunkundiger aus den Fahrplanaushängen am Regionalbahnhof Blankenfelde nicht entnehmen, welche Linienführung hier gefahren wird. Die Taktfolge ist je nach Tageszeit unterschiedlich und reicht vom Stundentakt am Vormittag bis zu einem 20-Minuten-Takt in der Hauptverkehrszeit. Dieses grundsätzlich richtige Angebot leidet unter der altbekannten Tatsache, daß dieser Busfahrplan nur montags bis freitags gilt. Sonnabends, sonn- und feiertags gibt es auch hier gar kein Angebot an Fahrmöglichkeiten.
Das der hier vorgestellten Konzeption zugrunde liegende Modell geht von einer täglichen stündlichen Taktfolge beider Linienäste aus und schließt eine Verdichtung in der Hauptverkehrszeit nicht aus.
Die von drei Seiten von Berliner Stadtgebiet umschlosenen Orte Groß- und Kleinziethen sollten von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Linie 736 (wie auch schon heute) und der in West-Ost-Richtung verlaufenden Linie 737 vom S-Bahnhof Schichauweg zum U-Bahnhof Rudow erschlossen werden. In Großziethen, Rudower Straße ist eine Anschlußsicherung der Linien einzuplanen, die beide im Stundentakt verkehren sollten.
Der genannte Bedienungsstandard sollte grundsätzlich täglich gelten und auch die Abendstunden bis ca. 0 Uhr einschließen. In den Schwachverkehrszeiten sollte über den Einsatz von Kleinbussen oder ggf. auch von Sammeltaxen mit Haustürservice nachgedacht werden. Wichtig für die Gesamtkonzeption ist das ständige Angebot, ausdrücklich auch zu verkehrsschwachen Zeiten. Bei Ortserschließungslinien, wie zum Beispiel der Linie 793, wäre in der Schwachverkehrszeit auch eine Rufbusbedienung denkbar.
Die hier angebotene Konzeption lehnt sich weitgehend an das vorhandene Liniennetz an und ist nicht als allein mögliche Variante zu betrachten. Zweifellos sind auch andere Linienführungen denkbar. Gleichwohl soll diese Linienkonzeption als Möglichkeit dienen, Bewohnern des unmittelbaren Berliner Umlandes ein Angebot von Nahverkehrsleistungen anzubieten, das viele Menschen überhaupt erst erwägen läßt, ÖPNV-Leistungen anstelle des Individualverkehrs in Anspruch zu nehmen. Klar ist - daß neben dem Werbeaufwand ein Zeitraum von mindestens einem Jahreinzuplanen ist um eine reale Steigerung des Fahrgastaufkommens zu erzielen.
Tut man jedoch nichts, ist mittelfristig das Ende des OPNV außerhalb der Berliner und Potsdamer Stadtgrenzen vorprogrammiert mit der weiteren Folge, daß RE- sowie S-Bahn-Linien ins Umland nur einen eingeschränkten Erfolg haben werden, da die Anschlüsse zu den teilweise entfernt von Siedlungsgebieten liegenden Bahnhöfen fehlen. Ein Problem übrigens, das weite Teile des Landes Brandenburg betrifft und daher auch andernorts zu einer grundlegenden Veränderung des ÖPNVAngebotes führen sollte, wobei natürlich den regional sehr unterschiedlichen Siedlungsdichten Rechnung getragen werden muß. Sollten diepolitischen Bekenntnisse zur Förderung des ÖPNV keine populistischen Sprüche sein, ist eine Angebotsverbesserung nach hier aufgezeigtem Muster zwingend.
IGEB, Abteilung Stadtverkehr
aus SIGNAL 8/2000 (Dezember 2000), Seite 6-8