Berlin
1. Okt 2001
Wenn es darum geht, „Gründe"zur Verhinderung des Ausbaus der Straßenbahn zu finden, dann zeigt man in Berlin seit Jahr und Tag eine nahezu unerschöpfliche Phantasie. Nun sind es also die inzwischen privatisierten Wasserbetriebe.
Als die Wasserbetriebe noch nicht privatisiert waren, hatte das Land Berlin in vergleichbaren Fällen die Wasserleitungen im Baubereich von Straßenbahnstrecken aus dem Straßenbahnbauetat finanziert. Das trieb zwar die Kilometerkosten in die Höhe - aber es funktionierte, fand doch lediglich eine Geldverschiebung zwischen zwei öffentlichen Etats statt. Bei der jetzigen Haushalts-Malaise möchte Berlin das nicht mehr machen. Wenn das Land aber den Straßenbahnausbau aus wirtschaftlicher Notwendigkeit fortführen will, so kann und muß hier ein Weg gefunden werden. Berlin muß bis zu einer juristischen Einigung den Rohrleitungsbau (ggf. unter Vorbehalt) vorfinanzieren. Das ist sicherlich ärgerlich, aber das Ergebnis ist doch lohnend.
Denn der von der IGEB geforderte Straßenbahnausbau ist kein Selbstzweck, sondern eine wirtschaftliche und verkehrspolitische Notwendigkeit. Ab einer bestimmten Fahrgastzahl (ca. 10 000 Fahrgäste) ist eine Straßenbahnlinie rentabler und attraktiver als ein entsprechend dichter Busbetrieb.
Und hier geht das Ärgernis weiter: Warum hat man bis heute nicht alle Buslinien kühl und ohne Vorbehalte durchgerechnet, wo eine Ablösung durch die Straßenbahn sinnvoll und wirtschaftlich geboten ist. Fürchtet man die Wahrheit, daß nämlich
eines der Millionengräber im Nahverkehrs Berlins der riesige und über große Entfernungen betriebene Busverkehr insbesondere im ehemaligen Westteil der Stadt ist? Achsen wie zum Beispiel die Buslinien 145 oder 148 lassen sich viel rentabler als Straßenbahnstrecken betreiben.
In den Amtsstuben der Senatsverkehrsverwaltung sitzen anscheinend bis heute Leute, die mit Liebe imaginäre und un finanzierbare U-Bahntrassen durch Berlin schicken wollen. Was entsteht, wenn man diese Leute weitermachen läßt wie bisher, kann man auf der U8 nördlich der Osloer Straße besichtigen: Ein Fahrgastaufkommen, das möglicherweise Straßenbahn-, definitiv nicht U-Bahn-würdig ist. Denen und auch dem Regierenden Haushaltsexperten Wowereit sei gesagt: Straßenbahn ist in Berlin eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Nur so läßt sich längerfristig der Zuschußbedarf für den ÖPNV in Berlin senken. Und die Attraktivität des ÖPNV ließe sich auch erhöhen.
Nebenbei: Eine DM im Straßenbahn-Bau schafft viermal mehr Arbeitsplätze als beim technikintensiven U-Bahnbau und stärkt auch den Mittelstand im Baugewerbe. In Euro bleibt diese Rechnung übrigens gleich!
IGEB-Kommentar
aus SIGNAL 6/2001 (September-Oktober 2001), Seite 8